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„Fasten sollte nicht zum Stressfaktor werden“

Fasten gilt als beliebter Neujahrsvorsatz zur Verbesserung der Gesundheit. Aber wie gesund ist Fasten eigentlich wirklich? Und kann Fasten zur Reduktion von Stress beitragen? Wir haben bei Dr. Ulrike Göschl, ärztliche Leiterin im Kurhaus Marienkron, nachgefragt. 

Frau Göschl, ist Fasten wirklich gesund?

Nicht für jede*n. Wenn man aber fasten darf, dann schon. Durch das Fasten werden Reparaturmechanismen angeregt, der Körper trennt sich von alten Stoffen und kommt in den Fettstoffwechsel. Danach ist es einfacher in einen dauerhaft gesünderen Lebensstil überzugehen. Außerdem hat Fasten einen klärenden Effekt auf die Psyche, oft können Entscheidungen leichter getroffen werden.

Wer sollte denn nicht fasten?

Personen, die an einer zehrenden Krankheit leiden oder bestimmte Medikamente zu sich nehmen. Auch sehr alte Personen, Schwangere und Menschen, die an einer Essstörung leiden oder im Laufe ihres Lebens gelitten haben, sollten auf das Fasten verzichten. Außerdem sollte man genug Zeit haben, um sich auf das Fasten einzustellen und die Ernährung nach dem Fasten langsam wieder an den Alltag anzupassen. Bei Personen, die besonders unter Stress stehen und diese Zeit nicht haben, muss also genau abgewogen werden. Das Fasten sollte nicht zum zusätzlichen Stressfaktor werden.

Das klingt ganz schön extrem.

Bei allen anderen Menschen ist Fasten auf bestimmte Zeit kein Problem. Unser Körper ist biologisch dafür ausgerüstet, Fastenperioden durchzustehen. In der Fastenmedizin und auch in Marienkron ist Fasten allerdings nicht mit einer Null-Kalorien-Diät gleichzusetzen.

Sondern?

Wir bewegen uns zwischen 250 und 600 Kalorien pro Tag. Der Vorteil von so einer Fastenzeit im betreuten Umfeld ist, dass sie absehbar ist. In diesen ein bis zwei Wochen wird man ärztlich betreut und hat Zeit für Bewegung sowie Meditation.

„Die Schwierigkeit besteht oft darin, das Fasten im Alltag sozialverträglich zu gestalten.“

Anstatt so einer einwöchigen Fastenzeit fasten viele Menschen im Alltag. Intervallfasten ist so ein Begriff, der fast jede*r bekannt ist.

Ja, das ist die andere Möglichkeit. Wenn man das Fasten in den Alltag integrieren möchte, kann man es nicht so extrem machen, wie bei einer Fastenkur. Beim Intervallfasten gibt es verschiedene Varianten, eine ist time-restricted-eating. Dabei gibt es eine bestimmte Stundenanzahl pro Tag, in der gefastet wird. Bei Männern beträgt das Verhältnis von Fasten zu nicht-Fasten 16 zu 8 Stunden, bei Frauen 14 zu 10. Die Schwierigkeit besteht oft darin, das Fasten im Alltag sozialverträglich zu gestalten.

Wer regelmäßig fastet, lebt auf Dauer gesünder. Stimmt das?

Wenn man etwa ein bis zwei Mal pro Jahr eine Fastenzeit einlegt, drückt der Körper auf eine Art Reset-Taste. Man kann sich leichter entspannen, schläft besser und hat mehr Freude an Bewegung. Auch die Stimmung wird beeinflusst und die Freude am Gesunden steigt nachhaltig.

Können sie bei regelmäßigen Gästen eine Verbesserung der Gesundheit feststellen?

Ja. Wir haben einige Stammgäste, die seit 30 Jahren ins Kurhaus Marienkron kommen. Die sind tatsächlich erstaunlich fit und nehmen wenige Medikamente. Fakt ist: Beim Fasten sinkt der Blutdruck. Obwohl er mit dem Alltagsstress wieder ansteigt, pendelt er sich bei regelmäßigem Fasten auf einem niedrigeren Niveau ein. Das gleiche gilt auch für das Körpergewicht. Andere gesundheitliche Benefits sind die Entlastung der Leber und ein niedrigeres Risiko für Diabetes.

Sie haben bereits verschiede Möglichkeiten des Fastens erwähnt. Wovon hängt es denn ab, welche Fastenform zu mir passt?

Das kann nur sehr individuell und aktuell entschieden werden. Der wesentlichste Faktor ist der augenblickliche emotionale und körperliche Zustand. Wenn der Körper auf Grund von bestimmten Ereignissen momentan geschwächt ist, sollte vielleicht eher auf eine milde Suppen- oder Gemüsefastenform gesetzt werden. Außerdem müssen eventuelle Vorerkrankungen und Medikamente berücksichtigt werden. Nicht zuletzt kommt es auch auf die persönlichen Vorlieben an. Wenn jemand generell eher fröstelig ist, würde ich im Winter keine Saft-, sondern eher eine Suppenkur empfehlen.

„Fasten wirkt antidepressiv und stimmungsaufhellend.“

Wie wirkt sich Fasten auf die Psyche aus?

Der Großteil der Gäste bei uns erlebt positive Auswirkungen. Fasten wirkt antidepressiv und stimmungsaufhellend. Eine Ausnahme ist der sogenannte Fastenblues, der sich bei manchen Menschen in den ersten Tagen einstellt und auf den Umschwung des Stoffwechsels zurückzuführen ist. Dieses Stimmungstief schwingt nach zwei Tagen jedoch üblicherweise um, bei manchen tritt beinahe eine Fasteneuphorie ein.

Sie haben vorher bereits das Thema Stress angesprochen. Welche Rolle spielt die Ernährung bei Stress?

Das Problem ist, dass man im Berufsalltag nicht selbstbestimmt ist, was das Essen angeht. Kantinenessen ist oft nicht gesund, späte Abendessen in Kombination mit Alkohol ebenfalls nicht. Dazu kommen schnelle Zwischenmahlzeiten gegen den Heißhunger, was auf Dauer auch nicht gut ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich schlecht ernährt, wenn man unter Stress steht, ist relativ groß. Und der Darm reagiert auf Stress, was zum Unwohlfühlen beiträgt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit unter Stress stehenden Personen beim Fasten gemacht?

Wenn jemand gerade einmal sieben Tage für einen Fasten-Aufenthalt Zeit hat, ist abzuwägen, ob extremes Fasten nicht noch zusätzlichen Stress erzeugen würde. Oft ist es besser, stattdessen etwa auf vegetarische Reduktionskost zu setzen und auf das Runterkommen zu fokussieren.

Kann Fasten zur Reduktion von Stress beitragen?

Wenn man sich wirklich Zeit dafür nimmt, dann ja. Das muss aber eine ganz bewusste Entscheidung sein. Je länger der Stress hoch war, desto mehr Zeit sollte man sich dafür nehmen. Bei einem Fasten-Aufenthalt ist der Vorteil, dass auch Zeit für Bewegung bleibt. Dies ist besonders gut, weil dadurch Stresshormone abgebaut werden. Auch Meditation hilft, wenn man dafür offen ist. Wichtig ist jedenfalls, die Umstellung von Anspannung auf Entspannung wieder zu trainieren.


Über Dr. Ulrike Göschl

Dr. Ulrike Göschl ist Ärztin für Allgemeinmedizin, Physikalische Medizin und Rehabilitation, sowie für Psychosomatische Medizin. Zudem ist sie Kur- und Kneippärztin. Ihr Medizinstudium absolvierte sie an der Medizinischen Universität Wien. Seit 2011 ist Dr. Göschl ärztliche Leiterin im Kurhaus Marienkron.

Link: www.marienkron.at

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