Die Farbe der Saison lässt sich an der Farbe des Flusses erkennen.“ Was sich im ersten Moment wie ein altes chinesisches Sprichwort anhört, ist natürlich ein neues – und bezieht sich auf das Abwasser aus den Textilfabriken, das ungefiltert, mit allen giftigen Schwermetallen in die umliegenden Flüsse geleitet wird und so für Mensch und Umwelt zur giftigen Falle wird. Die Bilder von badenden Kindern in diesen bunten Schaumbädern kennen wir alle, wer sie sich nochmal genauer ansehen will, kann das in Filmen wie „River Blue“ oder „The True Cost“ tun.
Jedes Kleidungsstück hat seinen Preis
Während Wien zum wiederholten Male als lebenswerteste Metropole der Welt ausgezeichnet wurde, ist die Stadt Dhaka bei der Luft- und Wasserverschmutzung Nummer vier weltweit. Dhaka ist nicht nur die Hauptstadt Bangladeschs, sondern auch der Textilindustrie und hier vor allem der Färberein und Gerbereien. Die sechs Flüsse, die es umgeben – Buriganga, Sitalakhya, Bangshi, Turag, Balu und Dhaleshawri – gelten als biologisch tot. Dort lebt kein Fisch oder anderes Wassertier mehr. Die Flüsse sind mehr Chemie als Wasser, tiefschwarz und schmierig wie Öl, wenn man mit dem Paddel durchpflügt. Laut der ESDO (Environmental and Developement Organization) werden pro Tag 6.000 Tonnen giftige Flüssigkeiten in diese Flüsse geleitet. Die Regierung muss mittlerweile Wasser von außerhalb zukaufen, um die 20 Millionen Bürger:innen versorgen zu können.
Jedes Kleidungsstück hat seinen Preis, den nicht nur der Mensch, sondern meistens auch die Umwelt bezahlt. Wasser ist die wertvollste Ressource auf diesem Planeten. Anhaltende Dürreperioden lassen Pegelstände sinken, auch wenn, wie diesen Sommer in Österreich, Überschwemmungen verheerende Schäden angerichtet haben. Global gesehen wird Wasser ein knappes Gut, das nicht zusätzlich durch umweltbelastende Färbeprozesse verschmutzt werden darf. Laut der Ellen MacArthur-Stiftung verbraucht die Modeindustrie jährlich 93 Milliarden Kubikmeter Wasser, das entspricht etwa 37 Millionen Olympischer Swimmingpools, gefüllt mit Süßwasser.
In den modeproduzierenden Ländern wie Indien, Bangladesch oder China gibt es kaum Umweltauflagen, und das Wasser kann ungefiltert in die Flüsse abgeleitet werden. Die krebserregenden Schwermetalle sind nicht mehr aus dem Wasser zu filtern und gelangen ins Grundwasser und haften auch auf der Kleidung, die wir tragen. Aber was gibt es für Alternativen?
Sind Färbemittel aus Bakterien die Zukunft?
Das Wiener Start-up Vienna Textile Lab forscht an biobasierten Färbemitteln. Dazu werden Mikroorganismen verwendet, die unterschiedliche Farbstoffe produzieren. „Mikroorganismen kommen aus der Natur und werden im Labor genau angesehen, welchen Farbstoff sie erzeugen. Dann kultivieren wir sie“, erzählt Gründerin und CEO Karin Fleck im Interview mit sheconomy. „Nicht jeder Farbstoff ist für Textilien geeignet. Das gilt es zu erforschen. Farbstoffe werden ja in vielen Bereichen eingesetzt, wie zum Bespiel in der Kosmetikindustrie oder der Lebensmittelindustrie“, so Fleck weiter, „unser Ziel ist es, einen biobasierten Farbstoff in der breiten Masse für die Industrie herzustellen, nicht nur für die Textilindustrie.“
Seit 2017 forscht die promovierte Chemikerin Karin Fleck an Mikroorganismen und gründete 2021 das Vienna Textile Lab. Nach vielen Preisen und Förderungen wird das Jungunternehmen 2025 mit den ersten Farben auf den Markt kommen. „Wir müssen
auch versuchen, die Produktion wieder mehr nach Europa zu holen, um uns von den Lieferketten unabhängig zu machen. Die Mikroorganismen, die wir verwenden, kommen alle aus Europa. Wir sind uns dieser Reichhaltigkeit noch gar nicht bewusst. Die Produktion unserer biobasierten Farbstoffe wird in Europa sein“, so Fleck über die Zukunft ihres Unternehmens. Die Farbpalette ist jedenfalls reichhaltig, und es wird stetig an neuen Farben geforscht.
Reseda, Krapp und Indigopflanze: Die Natur bietet ein reichhaltiges Farbspektrum
sheconomy besuchte die letzte Garn-Färberei Österreichs, betrieben von Rudolf Fritsch. Diese befindet sich ausgerechnet in Wien und hat seit fünfzehn Jahren auch reine Pflanzenfarben im Angebot. Gegründet wurde die Fritsch Färberei bereits 1952 vom Vater des derzeitigen Geschäftsführers. Das Unternehmen war damals ein reiner Lohnveredlungsbetrieb. Mitte der 1970er-Jahre wurde es vom jetzigen Geschäftsführer, Rudolf Fritsch, übernommen, der seit Beginn der 1980er-Jahre immer mehr das Färben
von eigenen Garnen und den Garnhandel forcierte.
Während eines Aufenthalts in Vorarlberg kam Rudolf Fritsch auf einer Alm erstmals mit der rein pflanzlichen Färbung in Berührung und war seither von diesem Zugang fasziniert. Mittlerweile beliefert er Unternehmen in Deutschland, Frankreich, England, Italien und der Schweiz mit seinen Garnen. Das aktuelle Verhältnis Eigengarne zu Lohnveredelungen liegt bei cirka 80:20 Prozent.
Das Wiener Stricklabel rudolf Vienna ist eng mit der Färberei Fritsch verbunden. Fritschs Tochter, Lisa Mladek, hatte Textilchemie studiert und traf so auf Antonia Maedel, die wiederum in London Design studiert hatte. Die beiden Frauen kannten einander schon lange, ihre Wege kreuzten sich aber erst wieder so richtig durch ihre Ausbildungen und das gemeinsame Interessensfeld – nämlich die Weberei und das Stricken. So gründeten sie im Jahr 2014 ihr bereits mehrfach ausgezeichnetes Label „rudolf Vienna“. Der Name „rudolf“ bezieht sich allerdings nicht nur auf den Gründer der Fritsch Färberei; auch Antonias Großvater hieß Rudolf.
„Als Konsument:innen tragen wir die Verantwortung für das, was wir kaufen.“
Rudolf Fritsch und Antonia Maedel empfingen also sheconomy zu einem Rundgang durch die Färberei. Bei der Führung durch das Unternehmen wird uns jede Tür geöffnet. So sehen wir alles – angefangen von den Färbeapparaten bis zu den Zentrifugen, dem Trockner und dem Labor. Das Wasser wird gefiltert und mehrmals getestet in die Kläranlage abgelassen. Zum Abschluss betont Rudolf Fritsch, dass „nicht die ganze Welt auf Pflanzenfarben umgestellt werden kann, weil dafür zu wenig Rohstoffe vorhanden sind. Aber als Konsument:innen tragen wir die Verantwortung für das, was wir kaufen. Und
das muss nicht Billigstware aus Fernost sein.“
Über die Autorin:
Unter alexandras.me betreibt Alexandra Russ einen Modeblog, auf dem sie Nachhaltigkeit und Style miteinander verbindet. Ihr Credo: Jede/r kann sich seinen/ihren Kleiderschrank „hochwertig, nachhaltig und verantwortungsvoll“ gestalten, sodass sich „Mode mit unserer Umwelt verträgt und trotzdem hochwertig und fancy ist“.