Eine Führungsperson muss die Zahlen im Griff haben und auf Basis harter Fakten agieren. Das galt lange Zeit als einziger Weg zum Erfolg. Die Komplexität und die Ambiguität heutiger Entscheidungsfindung können überwältigend sein – aktuelle Studien weisen darauf hin, dass Intuition und Emotion einen viel größeren Platz im Businessalltag einnehmen als bisher anerkannt wurde. Die Kunst ist zu wissen, wann und wie man sie einsetzt.
Emotionale und rationale Entscheidungen werden seit jeher gegeneinander ausgespielt, häufig sogar als zwei separate Denksysteme beschrieben, bei denen auf einen intuitiven Prozess, einer der rationalen Logik folgt. Dabei wird der analytische Prozess häufig als überlegen angesehen, vielleicht weil er mühsamer und dadurch gewinnbringender sein muss. Oder schlichtweg, weil Emotionen weniger greifbar sind. Dabei ist Ratio und Emotion untrennbar miteinander verbunden.
Wir Menschen sind emotionsgesteuert
Unser Körpergefühl teilt uns konstant unsere Emotionen mit. Diese nehmen wir je nach Persönlichkeit und emotionaler Intelligenz jedoch unterschiedlich wahr. Manche haben sogar ganz verlernt ihre Emotionen zu spüren. Dabei betrifft emotionale Intelligenz sowohl den Umgang mit uns selbst als auch die Kompetenz und Fähigkeit im Kontakt mit unserem Gegenüber. Im beruflichen Kontext herrscht oft noch die Vorstellung, dass Menschen rationale Wesen seien – kopfgesteuert und ganz bewusst entscheidend, um bestimmte Ziele zu erreichen und Macht zu demonstrieren. Emotion und Intuition haben wenig bis gar kein Mitspracherecht und wenn, sind sie häufig direkt negativ oder weiblich konnotiert. Gelten als irrational und nicht berechenbar.
Hirnforscher und Neurowissenschaftler betonen immer wieder die Wichtigkeit der menschlichen Vernunft etwa bei Entscheidungsprozessen. Aber: die Gefühlsbotschaften sind noch wirksamer. Unsere Emotionen werden über das limbische System im Gehirn gesteuert und haben direkten Einfluss auf unser Verhalten – noch bevor wir es merken. Denn ehe das Großhirn sachliche Reize verarbeiten kann, hat es das limbische System schon längst getan. Ein Mandelkern. Ein Wort. Hans-Georg Häusel, ist Psychologe, der sich mit dem Zusammenspiel von Emotion und der Denkleistung befasst und den Kern der Hirnforschung wie folgt zusammenfasst: „Alles, was keine Emotion auslöst, ist für das Gehirn wertlos“.
Das ist eine ziemlich bittere Pille für alle, die dem patriarchalen Führungsstil frönen. Dabei sprechen nicht nur Wissenschaft, sondern auch unser aller Menschenverstand und nicht zuletzt ein sich veränderndes Wertesystem für einen ganzheitlicheren Ansatz aus. Ein Miteinander, statt Gegeneinander – in allen Belangen.
Emotional Leadership als Gegenentwurf zum patriarchalen Stil
Unter emotionaler Führung versteht man eine individuelle und wertschätzende Führung, die Stärken stärkt, die Fähigkeiten des Einzelnen in den Vordergrund stellt, um als Kollektiv zu gewinnen. Es geht darum, Mitarbeiter:innen für ein gemeinsames Ziel zu begeistern und eine nachhaltige Vertrauenskultur zu etablieren, die auf Respekt und Wertschätzung fußt. Wiederholt positive Erfahrungen, Transparenz und Ehrlichkeit zahlen so auf eine Währung ein, die für kein Geld der Welt zu erwerben ist: Vertrauen.
Emotional Leadership kombiniert Führungsqualitäten mit emotionaler Intelligenz. Für eine klare und humanistische Wertschöpfung. Denn Wertschöpfung entsteht auch durch Wertschätzung. Die Basis für emotionale Führung bilden immer die eigenen Gefühle – und davon besitzt jeder Mensch welche – die Kenntnis darüber sowie der kontrollierte Umgang mit ihnen sind elementar. Erst wenn wir uns darüber im Klaren sind, können wir mit unserem Gegenüber bewusst in Verbindung treten und die Macht der Emotionen effektiv nutzen.
„Wertschöpfung entsteht auch durch Wertschätzung“
Es ist wichtig zu verstehen, dass emotionale Führung nicht als alleiniger Führungsstil verstanden wird, sondern vielmehr als Ergänzung mit anderen resonanten Führungsstilen seine Anwendung findet. Verantwortliche müssen immer wieder zwischen kognitiver und emotionaler Intelligenz wechseln und vor allem erkennen, wann welche Art von Intelligenz gefordert ist – um je nach Situation adäquat agieren und reagieren zu können. Leadership bedeutet also mehr als das bloße Führen von Mitarbeiter:innen. Denn 100% der Mitarbeiter:innen sind Menschen. Und, um es in Simon Sineks Worten zu sagen: „If you don´t understand people, you don´t understand business“.
Unternehmen gewinnen mit Emotionen
Der gekonnte Umgang mit Emotionen wird für Unternehmen und Organisationen der entscheidende Faktor für Effizienz, Motivation und Erfolg sein. Es geht um mehr als Employer oder Corporate Branding. Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz, der alle miteinschließt und positive Akzente setzt. Denn gerade in Krisenzeiten kommt es nicht nur auf gute Führung an, sondern in besonderem Maße auf emotionale Intelligenz, um Motivation und Leistung zu sichern. Immer im Dialog, konstruktiv und mit Respekt – dann ist Führung lebendig und nachhaltig.
Eine einfach Gleichung zum Schluss: je höher die emotionale Bindung, desto engagierter und loyaler und desto produktiver. Win-win-win also. Oder, in Gen-Z Speech : Rekordumsatzziele erfüllen und gleichzeitig einen erfüllten Lifestyle leben.
Vier Tipps für erfolgreiches Emotional Leadership
1. Fundament schaffen
Eigene Emotionen wahrnehmen und verbalisieren. Konkrete Ziele festsetzen und benennen.
2. Emotion und Ratio vereinen
Führen Sie mit Herz und Verstand, es ist der Schlüssel zum Erfolg.
3. Visionen entwickeln
Schaffen Sie eine Unternehmenskultur mit gemeinsamen Zielen und Werten. Ein Zugehörigkeitsgefühl, das verbindet. You can sit with us – die Grüppchenbildung überlassen wir dem Schulhof.
4. Vertrauen aufbauen
Vertrauen ist die härteste Währung der Welt und für kein Geld der Welt zu erwerben. Etablieren Sie eine Vertrauenskultur und investieren Sie in Respekt, Wertschätzung und Transparenz im täglichen Umgang.
Über die Autorin
Julia Heinz ist Volkswirtin, Kommunikationsexpertin und Gründerin der Strategieberatung communique. Sie berät Unternehmen, Personen und NGO´s hinsichtlich ihrer strategischen Positionierung, relevanter Zielgruppenanalyse und der ganzheitlichen Kommunikation. Mit ihrem wertebasierten Ansatz baut sie Brücken und setzt nachhaltige Impulse, um Haltung medienübergreifend sichtbar zu machen.
Zudem setzt sie sich für mehr Diversität ein und spricht u.a. auf den Medientagen München darüber, wie Meinungen mit Bildern beeinflusst werden und welche gesellschaftliche Verantwortung wir alle tragen.
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