Sie haben eine sehr einschlägige Karriere im Mobilitätssektor – woher kommt ihr großes Interesse an der Automobilbranche – die traditionell eher männerdominiert ist – oder war das Zufall?
Nach dem Abschluss meines Studiums bin ich eher zufällig in der Mobilitätsbranche gelandet. Die Vielfalt dieser Branche hat mich jedoch von Beginn an fasziniert und ich bin sehr froh in dieser Branche tätig zu sein. Mobilität ist ein Grundbedürfnis und Grundrecht für alle und das Thema Nachhaltigkeit steht mehr im Vordergrund denn je.
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie sich in dieser Branche stärker beweisen mussten als männliche Kollegen?
Nein. Ich hatte immer viele männliche Kollegen, Mitarbeiter und Kunden, habe es aber nie als negativ empfunden. Eine offene und moderne Unternehmenskultur spielt dabei eine wichtige Rolle.
Sie sind nun seit fast zwei Jahren Geschäftsführerin von smart Austria – Was waren bisher Ihre größten Herausforderungen?
smart hat sich in den letzten Jahren komplett neu aufgestellt. Die Marke smart ist bereits sehr bekannt, jetzt konzentrieren wir uns vor allem darauf smart als eigenen Autohersteller im Markt zu etablieren. In solch einem Start-up zu arbeiten ist eine spannende Herausforderung. Alles wird von Beginn an gestaltet, Prozesse definiert, Partnerschaften gebildet, Mitarbeiter ongeboarded und vieles mehr. Unseren ersten großen Meilenstein haben wir mit dem Start der Vorbestellungen in Österreich im März geschafft. Nun liegt der Fokus in den Vorbereitungen zum Verkaufsstart.
Was sind aktuell die spannendsten Entwicklungen in der Branche und welchen Beitrag leisteten hier Frauen und diverse Teams?
Die großen Trends in der Automobilindustrie sind – abgesehen vom klaren Weg hin zur mehrheitlichen E-Mobilität – alle auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet: das individuell bestmögliche Mobilitätserlebnis zu bieten. Beispiele dafür sind unter anderem die zunehmende Konnektivität der Fahrzeuge, die Möglichkeiten der Individualisierung sowie die Integration alternativer Nutzungsmodelle. Der Beitrag von Frauen ist maßgeblich, denn Diversität ist die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung von zukunftsfähigen Produkten und Diensten, die allen Nutzer:innen das Leben erleichtern.
2020 wechselte smart als erste Automarke mit ursprünglich Verbrennungsmotoren auf vollelektrische Antriebe. Mit der neuen Fahrzeug-Generation will smart Elektromobilität für die Stadt anbieten. Inwiefern ist das gelungen und was sind die nächsten Ziele?
smart hat erfolgreich als erste Automarke komplett auf elektrische Antriebe umgestellt. Eine derartige Pionierstellung zeichnet smart aus und es ist erfreulich zu sehen, dass sich der Trend in der Branche fortsetzt. Die Elektromobilität hat sich über die Jahre gut etabliert, die Nachfrage steigt, das Angebot an Elektrofahrzeugen in verschiedenen Segmenten erweitert sich, die Ladeinfrastruktur wird kontinuierlich ausgebaut. Ziel ist es, Kunden Elektromobilität einfach zugänglich zu machen, vom Fahrzeug bis hin zur Wallbox und einer Ladekarte für öffentliches Laden. smart Kunden erhalten das volle Paket für einen einfachen Einstieg in elektrisches Fahren.
Mit dem Ziel der Dekarbonisierung hat sich smart verpflichtet, bis zum Jahr 2045 klimaneutrale Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen. Wie wollen Sie dieses erreichen bzw. was ist Ihnen hier bereits gelungen?
Nachhaltigkeit ist zentraler Bestandteil der Werte und der Geschäftsstrategie von smart. Im Einklang mit den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung haben wir daher unsere Nachhaltigkeitsstrategie mit fünf strategischen Säulen aufgebaut, zu denen auch Klima & Kohlenstoff gehören. Um den Erfolg unserer Dekarbonisierungsmaßnahmen im Blick zu behalten, hat smart eine Ökobilanz-Methode zur Erfassung der Emissionen während des gesamten Lebenszyklus der Produkte entwickelt.
Eine konkrete Maßnahme, um diese Bilanz stetig zu verbessern, ist die zunehmende Nutzung recycelbarer und nachhaltiger Rohstoffe in der Produktion. Ein erheblicher Anteil des Stahls und des Aluminiums, die in smart Autos der neuen Generation verbaut werden, besteht aus recycelbarem Material. Zudem arbeitet smart derzeit am Aufbau einer Logistikkette mit Partnern, die sich ebenfalls zum Ziel gesetzt haben, den Weg zur CO2-Neutralität zu beschreiten. Um gemeinsam an effektiven Lösungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu arbeiten, ziehen die Mitarbeitenden aus über 30 Nationen bei smart Europe an einem Strang.
Was kann die Branche von Frauen und diversen Teams lernen und gewinnen?
Nicht nur bei der Vermarktung eines Produktes oder einer Dienstleistung, auch bei der Entwicklung fehlt es manchmal an einer spezifischen Bedarfsanalyse für die definierten Zielgruppen. Ist ein Produkt beispielsweise gleichermaßen für Männer und Frauen angedacht, muss sichergestellt sein, dass das Produkt auch wirklich für beide Geschlechter gleichermaßen nutzbar ist und den individuellen Anforderungen entspricht.
Aus diesem Grund ist es wichtig diverse Teams besonders im Produktmanagement und in der Produktentwicklung einzusetzen. Damit ist sichergestellt, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung entsprechend den Kundenwünschen konzipiert wird, was sich positiv auf die Nachfrage auswirkt.
Wie könnte man mehr junge Frauen für technische Berufe sowie für Führungspositionen gewinnen?
Aus meiner Sicht beginnt es bereits im Kindesalter. Es ist wichtig, dass man allen jungen Menschen frühzeitig Einsicht in alle Bereiche gewährt und hier keine Silos bildet. Männer und Frauen haben unterschiedliche Betrachtungsweisen, unterschiedliche Handlungsweisen und genau diese Diversität ist eine Stärke, die jede Branche und jedes Unternehmen anstreben sollte.
Wenn es um die berufliche Ausrichtung geht, muss sichergestellt sein, dass junge Frauen verschiedene Perspektiven kennenlernen, und keine Scheu haben in eine Männerdomäne einzutreten. Es gibt schlichtweg keinen Grund es nicht zu tun.
Haben Sie bestimmte Initiativen für mehr Frauen in Ihrem Unternehmen gestartet?
Mit einem Frauenanteil von über 50 Prozent in Management Positionen bei smart Europe und einer 50-50 Besetzung bei smart Österreich haben wir generell kein Problem damit, Frauen für unser Unternehmen zu begeistern. Bestes Beispiel ist unser Product Management Team, das bis auf zwei Kollegen rein weiblich ist – das ist besonders für die „männerdominierte“ Automobilbranche und macht uns stolz.
Für mich ist es außerdem selbstverständlich, dass wir flexible Arbeitszeiten und Home Office anbieten oder darauf achten vor neun und nach 17 Uhr keine Termine einzustellen – Kleine aber wichtige Maßnahmen, durch die smart als Arbeitgeber eine flexible Gestaltung des Familien- und Privatlebens ermöglicht.
Außerdem hat smart Learning und Development-Spezialist:innen eingestellt, die für das Coaching von Mitarbeitenden, die Führungspositionen anstreben, ausgebildet sind. In diesem Zusammenhang unterstützen wir unter anderem auch spezielle Seminar-Angebote für junge Frauen z.B. „women in leadership”.
Welche Tipps geben Sie jungen Frauen, die im Sektor Mobilität Karriere machen möchten?
Die Mobilitätsbranche ist extrem vielfältig und in stetigem Wandel. Jeder von uns bewegt sich Tag für Tag von A nach B und hat dabei unterschiedliche Bedürfnisse. Es ist essentiell, dass in der Zukunft alle Blickwinkel berücksichtigt werden. Nachhaltige Mobilität, Diverse Mobilität, Mobilität für Personen mit Behinderung. Ich möchte jeden, der die Zukunft der Mobilität aktiv mitgestalten möchte, ermutigen in die Mobilitätsbranche einzusteigen. Jungen Frauen möchte ich mitgeben, dass nicht jeder Bereich der Mobilität männerdominiert ist, wenn wir auch gleich besonders diese Bereiche aufbrechen sollten, um mehr Diversität sicherzustellen. Es liegt an uns in diesen Bereichen Fuß zu fassen.
Über welche Entwicklung würden Sie sich 2023 besonders freuen?
Generell wünsche ich mir eine diverse und nachhaltige Zukunft in der Gleichberechtigung und nachhaltiges Denken zum Alltag gehören. Es findet mehr und mehr ein Umdenken statt und wir alle können und müssen unseren Beitrag leisten.