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Die To-do-Listen-Falle

To-do-Listen hindern uns daran, groß zu denken. Warum sie negativer behaftet sind, als wir annehmen und warum strategisches Denken die wahre Königsdisziplin der Selbstentwicklung ist, erklärt Julia Peglow in dieser Folge ihrer sheconomy-Kolumne.

In meiner abgeklärten, perimenopausalen und glamourösen zweiten Lebenshälfte habe ich einen radikalen Entschluss gefasst: nie mehr To-do-Listen zu schreiben. Denn heute weiß ich: To-do-Listen-Schreiben macht nicht nur eine schlechtgelaunte Projektmanagerin aus dir. Sie sind viel mehr noch eine versteckte Karrierefalle, die auf den ersten Blick zwar harmlos daherkommt, in Wahrheit aber ein alltägliches Tool ist, das uns davon abhält, groß zu denken.

In meinen wilden, schnellen Jahren, in denen ich Agenturchefin, Ehefrau und Mutter zweier Kinder war, gab es 24/7 tausende Dringlichkeiten, die auf mich einprasselten: Deadlines und Kuchenbuffets, Vertragsverhandlungen und Schulfeste, Fieberattacken und Kündigungen, Ausschreibungen und Wäscheberge, schlechte Quartalszahlen und fehlendes Klopapier. Alles, was zu tun war, habe ich online und offline, auf virtuellen und analogen Post-its notiert. Lange war mein Credo, bei zunehmender Belastung einfach das Level an Organisation und Projektmanagement hochzufahren – nicht nur Schritt halten, sondern immer einen Schritt voraus sein!

Und ist euch schonmal aufgefallen, dass Männer immer damit kokettieren, dass sie nicht multitaskingfähig sind?

Gönnerhaft sagen sie, das können nur Frauen. Wie in einem x-beliebigen Meeting etwa: Die Jungs lehnen sich zu-rück, reden über Strategie und Vision, während sich die Frauen, fleißige-Bienchen-mäßig, beflissen Notizen zur Umsetzung machen.

Diese ewige To-do-Listen-Schreiberei macht uns zu den perfekten Projektmanagerinnen für anderer Leute Probleme – so kommen wir nie in echte Führungspositionen, weil wir in Aufgaben denken statt in Strategien. Die Jungs schreiben Geschichte, und wir Frauen … ihr wisst schon. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass das System hat – irgendjemand muss sich schließlich um den ganzen Kleinkram kümmern, der die Familie/das Business/die Welt am Laufen hält. Wir Frauen stolpern mit dieser uns anerzogenen Kümmer-Mentalität dadurch in die nächste von vielen Fallen.

Ich selbst hatte mich irgendwann zwar nicht in einen Käfer verwandelt – wie der arme Gregor Samsa in Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ – aber dafür in einen superdurchstrukturierten, linksgehirnigen Listen-Roboter. In eine Maschine, die sämtliche Geschehnisse und Erlebnisse um sie herum danach scannte, was noch zu erledigen war; Die reibungslos nach ihren Bulletpoints performte, aber alles, was das Leben ausmacht, vergessen hatte. Erschrocken fragte ich mich:

Was für einen Menschen macht das im Laufe der Zeit aus dir?

Mir war der Sinn dafür, was wichtig ist, verloren gegangen, denn auf meinen To-do-Listen fehlten die Punkte: Verbindung und Beziehung mit Menschen. Inspiration. Groß Denken.

„You can have it all“ haben sie uns gesagt. Kinder und Karriere – alles nur eine Frage des Willens und der Organisation. Durch diese Doppelbelastung heimsen wir uns allerdings vor allem einen Haufen Arbeit ein. Arbeit, die wir zum Großteil selbst stemmen müssen, in Deutschland und Österreich leisten Frauen (Stand 2024) immer noch ca. 44 Prozent mehr unbezahlte Care- und Hausarbeit als Männer. Arbeit, die wir aufgrund des wahnsinnigen Workloads fleißig in To-do-Listen organisieren – und vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. Das Big Picture.

Deshalb: Blickt mal einen Augenblick von eurer Klebezettelsammlung auf und schaut euch selbst in die Augen. Und erinnert euch daran, dass wir selbst das Skript unseres Lebens schreiben.


Über die Autorin:

Die Designerin Julia Peglow hat zwanzig Jahre für internationale Branding- und UX-Agenturen gearbeitet. Als Speakerin ist sie außerdem für Themen zur Digitaslierung bekannt und hat 2021 ihr Sachbuch „Wir Internetkinder – Vom Surfen auf der Exponentialkurve der Digitalisierung und dem Riss in der Wirklichkeit einer Generation“ (Hermann Schmidt) veröffentlicht.

FotomaterialJulia Peglow

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