Wohin entwickeln sich Arbeitswelten aktuell? Wie sehen Sie diese
Entwicklung? Und wie kann man sie – positiv – beeinflussen?
Sophie Melzer: Unsere Arbeitswelten befinden sich in einem laufenden Wandel. Bereits zu Beginn der 1980er befasste Frithjof Bergmann sich in den USA aufgrund von zunehmender Automatisierung mit „New Work“: Die Freiheit der Arbeitnehmenden, neue, bedeutungsvollere Tätigkeiten auszuführen. Diese ursprünglich von Angst ausgelöste Chance findet sich auch in der heutigen Arbeitswelt wieder. Die Digitalisierung ermöglicht es uns, einen höheren Grad an Autonomie auszuleben, zum Beispiel in Form von Arbeitszeit- und -ortsflexibilität – ein zentraler Aspekt für die Entstehung intrinsischer Motivation. Diese Veränderung geht Hand in Hand mit dem Festigen sozialer Fähigkeiten, denn digital entsteht Verbundenheit zwar anders als in physischer Präsenz; sie bleibt aber mindestens genauso wichtig für Motivation, Wohlbefinden und Gesundheit. HR-Abteilungen können hier unterstützende „Leitplanken“ setzen (zum Beispiel in Form von Gleitzeit-Richtlinien, Technologie-Schulungen und Team-Buildings), innerhalb derer die Selbstverantwortung und Potenzialentfaltung von Mitarbeitenden ermöglicht und gefördert wird.
Was sind die wichtigsten Skills, die man heute im HR-Bereich braucht? Welche Rolle spielt digitales Know-how? Und welches Konkurrenzpotenzial hat die KI?
Xenia Bossowa: HR-Fachkräfte brauchen heutzutage mehr Datenaffinität, Analysefähigkeit und nicht zuletzt Veränderungsbereitschaft, um die erstgenannten Skills erfolgreich erwerben zu können. HR-Abteilungen hinken leider in vielen Unternehmen den anderen Funktionen wie Marketing hinterher und müssen noch eine Transformation durchleben, um mehr datengestützte und evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Die Digitalisierung erleichtert uns den Weg dorthin, aber wir müssen uns den Tools gegenüber öffnen und keine Angst vor der IT und/oder Zahlen haben. Wir müssen Vertrauen gewinnen in uns und unsere Selbstwirksamkeit. Da kann KI uns vor allem helfen, anstatt unsere größte Konkurrentin zu werden: In Zukunft werden wir mit einer Selbstverständlichkeit komplexe Reportings generieren, Automatisierungen eventuell sogar selbst programmieren können und noch viele weitere Dinge tun, die uns mehr Zeit für das eigentlich Sinnstiftende in der HR freiräumen: den intensiven Austausch mit dem Menschen, um eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die uns erfüllt, fördert und wachsen lässt.
Diversität ist in aller Munde. Welche Herausforderungen bringt das für die HR? Was gilt es bei der Zusammenstellung diverser Teams zu beachten?
Marion Roßhap: Diversität ist zuallererst einmal eine Chance: Diverse Teams beziehungsweise Unternehmen erzielen laut zahlreichen Studien bessere Resultate, sind kreativer und können als Treiber von Innovation fungieren. Darüber hinaus können sie die Bedürfnisse von diversen externen Stakeholdergruppen besser adressieren und als attraktive Arbeitgeber:innen, insbesondere für jüngere Generationen, punkten. Für HR-Abteilungen gilt es, das Thema Diversität in allen Prozessen entlang des Employee-Life-Cycle mitzudenken: angefangen vom Recruiting-Prozess, beispielsweise mit zielgruppenspezifischer Ansprache oder barrierefreien Bewerbungsmöglichkeiten, über diversitätsgerechtes Talent- und Performance-Management sowie Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Bei allen Chancen, die Diversität in Organisationen bringt, gibt es auch einige Herausforderungen zu beachten: gerade bei der Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichem Alter, Herkunft oder kulturellem Hintergrund ist es wichtig, Bewusstsein für Unterschiede und ihre Potenziale zu schaffen und damit eine Grundlage für die produktive Nutzung von Vielfalt zu legen.