StartMoneyDer Gehaltscoach: Was, wenn unsere Vorbilder nicht mehr Gehalt fordern?

Der Gehaltscoach: Was, wenn unsere Vorbilder nicht mehr Gehalt fordern?

Diese Woche erklärt uns Gehaltscoach Martina Ernst, warum auch Role Models immer noch dazu lernen können.

Letzte Woche schlugen die Wellen hoch, als die ehemalige PepsiCo CEO Indra Nooyi in einem Interview mit The New York Times sagte, sie habe ‚niemals, nicht ein einziges Mal nach einer Gehaltserhöhung‘ gefragt und hinzugefügt, sie fände es ‚beschämend‘ „Ich kann mir nicht vorstellen, für jemanden zu arbeiten und zu sagen, meine Bezahlung ist nicht genug“.

Und das aus dem Munde einer Ikone weiblichen Empowerments, die, ursprünglich aus Indien stammend, in doppelter Hinsicht Minoritäten vertritt, denn nur 30 aller Fortune 500 CEOs sind Frauen und nur 10% sind nicht weiß. Und dieser Sager, obwohl sie mit ihrem neuen Buch “My Life in Full: Work, Family, and Our Future,” versucht, Frauen zu ermutigen, Karriere zu machen.

In einem darauffolgenden Interview in Forbes, hat Indra Nooyi revidiert, und sogar betont, sie wolle, dass ihre Töchter sich für equal pay vehement einsetzten und bekräftigt, dass Frauen sehr wohl aktiv nach einer Gehaltserhöhung fragen sollten.

Worum geht’s dann eigentlich?

  1. Tabuthema Gehalt

Über Gehalt zu reden – geschweige denn mehr zu fordern – ist noch immer in vielen Kulturen tabu. Indra Nooyi erklärte Forbes, Forderungen zu stellen sei in Indien völlig tabu.

78% der von Randstad USA kürzlich befragten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bestätigten, sie möchten lieber nicht mit anderen über ihr Gehalt sprechen – und das in den USA! Diesem Land eilt der Mythos voraus, jeder frage bereits beim Kennenlernen die Gesprächspartnerin nach ihrem Karriere- und Gehaltsstatus.

„Um die Gehälter gibt es eine riesengroße Geheimniskrämerei“, sagt Gehaltsexperte und Deloitte-Partner Christian Havranek schon 2018, was in einem Land wie Österreich, das in Bezug auf private Daten sehr reserviert ist, nicht verwundert.

57% der Amerikanerinnen geben in der Randstad-Befragung an, niemals ihr Gehalt verhandelt zu haben und 51% würden eher die Firma wechseln.

Und laut Stepstone 2019 fragen auch nur 39% aller österreichischen Frauen alle zwei Jahre nach mehr Gehalt, obwohl 45% glauben, ihre Kollegen verdienten mehr.

  1. Nur Frauen müssen die Folgen ihres Verhandelns bedenken

Harvard Business Review zitiert 2018 eine spannende Studie, dass Frauen wohl genauso oft wie Männer nach einer Gehaltserhöhung fragten, aber seltener eine bekämen. Warum, weil Vorgesetze diese Forderung bei Frauen eher als unangemessen empfänden und danach weniger gerne mit ihr zusammenarbeiten würden als vorher – während das bei Männern nicht der Fall sei.

Kein Wunder also, dass so viele Frauen sich beim Thema Gehalt lieber passiv verhalten.

Die Forscherinnen sprachen in diesem Zusammenhang von den ‚social cost of negotiation‘. Umgehen könne man dieses negative Ergebnis, in dem Sheryl Sandbergs (COO Facebook) Strategie befolgt wird: “think personally, act communally”: Frauen sollten betonen, dass sie nur dieses einzige Mal nicht auf derselben Verhandlungsseite stünden wie ihre Arbeitgeberin, und sie sollten die gute Arbeitsbeziehung und den Nutzen für die Firma in den Vordergrund stellen, warum es zum Beispiel gut sei, dass sie ihre Verhandlungskünste bewiesen, denn wie sollten sie sonst im Einkauf das für die Firma beste Ergebnis erzielen können.

  1. ‚Geld ist mir nicht wichtig‘ und die Folgen für Equal Pay

Zahlreiche Studien und Umfragen belegen nicht nur, dass Frauen kulturbedingt bzw. des sozialen Friedens willen ungern über Geld reden, geschweige denn mehr Gehalt einfordern (können), sondern sie zeigen auch auf, dass Frauen generell das Thema Geld und Finanzen lieber den Männern überlassen, weil Geld ihnen nicht so wichtig ist wie menschliche Beziehungen und erfüllende Tätigkeiten.

So weit, so gut – jede darf schließlich das machen, was sie für richtig hält.

Fast jede: denn wenn Indra Nooyi betont, sie verhandle nicht, weil sie ohnehin als CEO sehr gut bezahlt werde, dann hat das fatale Folgen für die Causa ‚Equal Pay‘ – und reduziert sicher um keines der circa 100 Jahre, die wir noch benötigen, um den Pay Gap zu schließen.

Was ist die Lösung? Sollen wir eher Geld-fixiert werden??

Wichtig ist, dass Frauen in Vorbildfunktion sich ihrer Rolle bewusstwerden und alles daransetzen, gemeinsam den Gender Pay Gap zu schließen. Und wenn sie finden, sie verdienten bereits genug in ihrer Position, dann sollten sie trotzdem das Gehalt anstreben, dass die Männer im Mittel verdienen und die Differenz jungen Frauen spenden, die viel schwerer Zugang zu Bildung und beruflichen Chancen haben. Denn bei Equal Pay geht es darum, das zu verdienen, was wir wert sind. Und deshalb mein Fazit: Verhandeln wir, wir sind es uns wert!

Martina Ernst hat nach ihrer Tätigkeit als Personalchefin der Erste Bank die Gehalts-und Karriere-Beratungsfirmen www.salarynegotiations.at und www.colourfulcareer.com gegründet, ist Career Partnerin der WU Executive Academy und Präsidentin des WU EA Female Leaders Netzwerks mit 1500 Alumnae.

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