Ich würde gerne mit einer kurzen Begriffsklärung starten und nachfragen, was Social Entrepreneurship eigentlich bedeutet und wovon man es abgrenzen muss? Schließlich gibt es viele Unternehmen, die sich als »soziale Unternehmen« bezeichnen…

Social Entrepreneurs haben den Anspruch, gesellschaftliche Themen und Probleme wirtschaftlich zu lösen. Weil sich dadurch oft auch soziale Innovationen ergeben, wird häufig auch der Begriff »Impact Economy« verwendet. Der Begriff ist auch mir persönlich lieber. Impact Economies können zum Beispiel auch Start-ups sein, die profit-orientiert arbeiten, den sozialen Impact aber voranstellen. Bei ABZ*Austria arbeiten wir gemeinnützig. Das bedeutet, dass wir, wenn wir Gewinne machen, das Geld wieder ins Unternehmen investieren.

Wie ging es Anfang der neunziger Jahre eigentlich mit dem ABZ*Austria los? Können Sie uns ein bisschen etwas zu den Anfängen erzählen?

Begonnen haben wir zu dritt in einem ganz kleinen Büro mit einem riesengroßen PC und einem Festnetztelefon. Es ging in erster Linie um Regionalentwicklung im Süden Wiens, konkret darum, die Frauen in diesem Stadtgebiet dabei zu unterstützen, Jobs zu finden. Dadurch, dass dort viele große Betriebe und Industrien angesiedelt waren, wurden die Arbeitskräfte auch gebraucht. Vor allem in traditionellen Berufen, wie in der Buchhaltung oder im Sekretariat, war großer Bedarf vorhanden. Uns war es wichtig, dass die Frauen vor Ort Jobs finden und keine sehr langen Anfahrtszeiten haben. Darüber hinaus waren aber nicht nur die Unternehmen auf der Suche nach Mitarbeiterinnen, sondern auch die Familien waren, aufgrund steigender Mieten, plötzlich damit konfrontiert, dass es sich mit nur einem Familienmitglied, das Geld verdient, nicht mehr ausgeht. Vor allem im Süden von Wien waren damals sehr viele Familien von diesen Veränderungen betroffen.

Es ging also vor allem darum, den Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben zu unterstützen?

Ja, genau. Es war uns wichtig, Frauen zurück auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Dafür haben wir uns ein Modell überlegt, das wir »Arbeiten und Lernen« genannt haben. Die Frauen waren also ein Jahr lang in unserem Unternehmen angestellt, hatten die Möglichkeit sich weiterzubilden und wurden mit Unternehmen, die Bedarf an neuen Mitarbeiterinnen hatten, zusammengebracht. Weiterbildung und Praktika gingen im Idealfall also Hand in Hand. Die Frauen wurden von den Firmen dann größtenteils auch übernommen. Wir wussten also schon sehr früh wie wichtig es ist, dass der unternehmerische Rahmen so gestaltet wird, dass diese Frauen sich wohlfühlen. Für uns hat Bildung immer sehr viel mit Empowerment zu tun. Wir schauen auf die Ressourcen der Frauen, nicht auf ihre Defizite. Und wir wissen, was die Unternehmen brauchen.

Konzentrieren Sie sich heute auch noch vor allem auf die Wiedereinsteigerinnen?

Es ist nach wie vor ein wichtiges Thema und ja wir arbeiten bis heute mit Wiedereinstiegerinnen, allerdings gab es damals einen entscheidenden Unterschied: Die Frauen waren zu dieser Zeit sehr viel länger vom Berufsleben weg, im Durchschnitt sogar 12 Jahre. Das ist heute ganz anders. Dafür sind wir gegenwärtig mit anderen Problemen konfrontiert. Mit dem Fachkräftemangel zum Beispiel. Oder mit der hohen Fluktuation in Unternehmen. Es ist wichtig, das Thema Digitalisierung mitzudenken, damit auch Frauen von den neuen Jobmöglichkeiten, die gerade entstehen, profitieren können.

Geht es bei ABZ*Austria, neben der individuellen Beratung für Frauen, auch darum, Unternehmen im Bereich Diversity Management zu unterstützen?

Ja. Wir haben zum Beispiel die »Road Map Neues Arbeiten« entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Online-Tool, das wir Unternehmen zur Verfügung stellen. Aktuell werden die Themenbereiche Elternkarenz von Schwangerschaft über Mutterschutz bis Elternteilzeit mit Väterkarenzmodul, Pflegekarenz/Pflegeteilzeit ­– mit zahlreichen Servicelinks für pflegende Beschäftigte, Bildungskarenz/Bildungsteilzeit abgedeckt. Neue Themen wie Generationenmanagement, neue Führungsmodelle und Diversity werden folgen. Das Tool unterstützt die Unternehmen und auch die MitarbeiterInnen dabei diese Themen proaktiv anzugehen.

Haben Sie das Gefühl, dass sich immer mehr Unternehmen mit diesen Themen auseinandersetzen?

Es tut sich definitiv etwas und es werden immer mehr. Das hat damit zu tun, dass sich die nächsten Generationen viel stärker mit diesen Themen auseinandersetzen und auch entsprechende Forderungen stellen bzw. Ansprüche an potentielle ArbeitgeberInnen haben. Vielen Unternehmen wird momentan bewusst, dass sie die Leute nicht bekommen, die sie für Führungspositionen gerne hätten, wenn sie nicht stärker auf diese Bedürfnisse eingehen. Unternehmen müssen sich einfach überlegen, warum sie nicht mehr die Besten am Arbeitsmarkt bekommen und warum sie vielleicht auch gute MitarbeiterInnen verlieren. Prinzipiell gibt es in Österreich ja gute Grundlagen, aber die müssen auch genützt werden. Wir beraten deshalb zum Beispiel auch Vorstände, wenn es darum geht nachhaltige Entscheidungs- und Führungsmodelle durchzudenken. In diesem Zusammenhang empfehlen wir Unternehmen, nicht auf die Politik zu warten, sondern lieber selbst aktiv zu werden.

Manuela Vollmann und Daniela Schallert teilen sich die Geschäftsführung.

Sie selbst teilen sich ja die Geschäftsführung mit Ihrer Kollegin?

Ja, genau. Wir haben uns schon zu einer Zeit für dieses Modell entschieden, als der Begriff »Topsharing« noch vollkommen unbekannt war. Ich finde es sehr schön, wenn man die Verantwortung miteinander tragen kann und ich glaube auch, dass Entscheidungen nachhaltiger sind, wenn sie zu zweit getroffen werden. Es würde uns heute so nicht geben, wenn wir uns die Geschäftsführung nicht aufgeteilt hätten.

Wir befinden uns ja gerade in einer Phase der Regierungsneubildung. Welche wichtigen Aufgaben wird die Frauenpolitik in den nächsten Jahren meistern müssen? Welche sind für Sie die dringlichsten?

Uns ist die Neuverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und das Aufbrechen stereotyper Rollenbilder ein großes Anliegen, deshalb sind wir für eine Wochenarbeitszeit 30h/30h für Mütter und Väter bei nahezu vollem Lohnausgleich. Wir wissen nämlich, dass gerade junge Väter sehr viele Überstunden machen. Außerdem würden sich festgefahrene Rollenbilder dadurch ändern und es käme Bewegung in die Unternehmen. Wichtig wäre einfach, dass es Rolemodels gibt, der vor den Vorhang geholt werden können. Wenn das Vereinbarkeitsthema endlich als unternehmerisches Thema wahrgenommen wird, dann würde sich in der Arbeitswelt schon sehr viel ändern.

Außerdem wünschen wir uns, dass sich mehr Frauen für technische Berufe entscheiden, weil wir die Frauen als Gestalterinnen der Digitalisierung brauchen. Bei diesem Thema sollte man nicht erst bei den Unis und FHs ansetzen, sondern schon in den Kindergärten.

Was die Arbeitsmarktpolitik angeht, habe ich einen sehr konkreten Wunsch: Das von Martin Bartenstein eingeführte Gender Budgeting, das vorsah, dass 50 Prozent des AMS-Budgets für Frauen ausgegeben werden, sollte wieder eingeführt werden. So eine Zielquote bewegt nämlich sehr viel. Mein letzter Punkt betrifft den Fachkräftemangel, vor allem in den sogenannten MINT-Fächern. Um hier etwas zu bewirken, hätten wir, in Anlehnung an das freiwillige soziale Jahr, gerne ein freiwilliges technisches Jahr für Frauen. Als strukturelle, politische Intervention für HBLA-Absolventinnen und Maturantinnen.

Ich habe kürzlich von einer Studie gelesen, bei der herauskam, dass sich 13 Prozent der befragten Frauen gar nicht so sehr an der Einkommensschere stören. Es handelte sich dabei allerdings um eine Studie aus den USA. Bestätigt diese Studie Ihren Eindruck?

Ich glaube nicht, dass das in Österreich auch so ist. Es gibt zwar immer noch Menschen, die es abstreiten, aber im Großen und Ganzen würde ich das nicht unterstreichen. Was sehr viel mehr kommuniziert werden sollte, ist der Gender Pension Gap, denn der ist noch viel zu wenig in den Köpfen der Menschen verankert. Altersarmut bei Frauen muss thematisiert werden. Insgesamt ist mein Eindruck, dass Frauen schon zusammenhalten, sofern die Rahmenbedingungen im Unternehmen auch so sind, dass es möglich ist gemeinsame Interessen zu artikulieren. Dann sind Frauen auch bereit, andere Frauen im Unternehmen und auch jene Strukturen, die Frauen fördern, zu unterstützen.

Ich glaube, dass Frauennetzwerke dabei auch eine große Rolle spielen können. Sind Sie selbst auch in einem Frauennetzwerk?

Wir haben sogar selbst eines, den ABZ*Circle. Wir haben den Circle gegründet, um Frauen miteinander zu vernetzen, die Gleichstellung vorantreiben, sich aber nicht in einer Partei engagieren wollen. Unser Motto lautet: »Es gibt nichts Gutes, außer Frau tut es«.

Manuela Vollmann war eine der vielen interessanten Vortragenden beim NPO Kongress, der von 23. bis 24. Oktober in Wien stattgefunden hat.

www.neuesarbeiten.at

www.abzaustria.at

© Volker Hoffmann