Insolvenz statt Innovation: Der einst 47 Milliarden Dollar schwere US-amerikanische Co-Working-Gigant WeWork meldete Ende vergangenen Jahres Konkurs an. Zwei gewichtige Gründe dafür sind der gescheiterte Börsengang 2019 und zu hohe Mietverträge. Resultat: In Deutschland wurden – und werden – Standorte nach und nach geschlossen. Nun berichten Medien, Adam Neumann habe sich daran gemacht, das von ihm vor rund 15 Jahren gegründete Unternehmen WeWork zurückzukaufen. Und was war zwischenzeitlich mit den Co-Workerinnen und -workern, die aus prominenten Adressen ausziehen mussten, geschehen?
Die haben ihre Laptops längst andernorts aufgeschlagen. Anlaufstellen gibt es schließlich genug, und die wirtschaftliche Situation von Co-Working Spaces hat sich gegenüber dem Vorjahr tatsächlich verbessert, wie ein zentrales Ergebnis der „Coworking Trends Survey“ zeigt.
Das Onlinemagazin Deskmag führte die Studie wurde von März bis April dieses Jahres durch. Blickt man auf ganz Deutschland, so sind die Kapazitäten aller Co-Working Spaces derzeit im Schnitt fast zu zwei Dritteln ausgelastet. Die Mehrheit der deutschen Co-Working Spaces erwirtschaftet unterm Strich ein Plus; doch im internationalen Vergleich liegen deutsche Co-Working-Unternehmen seltener in der Gewinnzone.
Empathie und Authentizität statt Wertung
Dabei sind räumliche Arbeitsgemeinschaften längst mehr als Zimmer oder Hallen, in denen sich Schreibtische aneinanderreihen, die digitale Nomadinnen und Nomaden dann tage-, wochen- oder monatsweise mieten. Schnellstes Internet, ein Drucker und eine zuverlässige Kaffeemaschine sind Grundbausteine. Wer der Kundschaft heute etwas Besonderes bieten will, legt Wert auf Design. Verfügt über Rückzugs- und Gruppenräume. Bespielt Meeting- sowie Event-Spaces. Und baut mit vollem Einsatz eine eingeschworene Gemeinschaft auf, in der sich die Menschen an ihrem Arbeitsplatz vernetzen, austauschen, miteinander arbeiten, lernen und wachsen.
Schauplatzwechsel nach Salzburg. Mit Jahresbeginn hat Ina Täubl die Tore zu La Vie geöffnet, einem stylishen Co-Working Space im urbanmodernen Andräviertel nahe der vielfrequentierten Linzergasse. „Diese Art zu arbeiten ist längst kein Trend mehr. Sie ist gekommen, um zu bleiben, und ein fixer Bestandteil unserer Gesellschaft“, sagt die Interior Designerin. Für das Konzept Co-Working habe sie sich entschieden, weil sie selbst aus dem Homeoffice während und nach der Pandemie unbedingt raus wollte. Dafür gab es drei intensive Gründe, berichtet sie: „Ich bin Mama von zwei kleinen Kindern. Den visuellen und psychisch-physischen Abstand zu meiner Mamarolle und zu meinem Zuhause brauche ich. Außerdem bin ich es mir und meiner Arbeit schuldig, dass wir aus den eigenen vier Wänden hinauskommen. Und ich brauche in meiner Selbstständigkeit Menschen, um kreativ zu sein.“ Die Menschen, die Täubl nun um sich hat, sind alle weiblich. „La Vie“ nimmt nur Frauen auf. Sie weiß, wie viele Frauen zwischen Familie und Karriere stehen.
Da es oft unmöglich ist, mit Kind und Kegel in Führungspositionen zurückzukehren, machen sich viele selbstständig, um beide Teile ihres Lebens zu vereinen. „Daher konzentriere ich mich auf Frauen, weil ich ihnen ihre Karriere ermöglichen will“, sagt Täubl. Plus: „Ich lieb‘ es, die weibliche Energie zu spüren. Unter Frauen herrscht am Arbeitsplatz eine andere Offenheit, niemand muss sich profilieren, wir spüren Empathie und Authentizität statt Wertung und Profilierungssucht.“
Interaktiver Arbeitsplatz für Frauen
Nicht zuletzt, weil Ina Täubl Design-Expertin ist, gerät ihr Co-Working zu einem Augenschmaus für Farbfreundinnen. Die Tapete ist übersät mit pinken, gelben und blauen Pinselstrichen. Im Raum stehen locker verteilt die Schreibtische. Manche sind besetzt, einige Plätze warten gerade auf neue Mieterinnen. Moderne Deko-Objekte sorgen für eine Wohlfühl-Atmosphäre und verwandeln den Co-Working Space beinahe zum Showroom.
Warum sich die Wahl-Salzburgerin für den Standort in Mezzaninlage in der Wolf-Dietrich-Straße entschieden hat? „Wenn ich mein Zuhause verlasse, dann möchte ich beim Arbeiten nicht am Rande der Stadt hocken sondern in mein Lieblingsviertel, das Andräviertel, gehen.“ Eine Immobilie zu finden, sei freilich eine Herausforderung gewesen, allein wegen der Preise. Ohne einen Schwung Eigenkapital keine Chance, so ihr Fazit. Förderungen? Fehlanzeige. Durchhaltevermögen? Ja. Davon reichlich, bitte.
Den Community-Aspekt hebt Ina Täubl stark hervor. Sie bezeichnet sich als leidenschaftliche Gastgeberin, die Menschen gerne zusammenbringt. So wolle sie in Salzburg eine Anlaufstelle an einem interaktiven Ort sein, wenn Frauen ihr Business starten und in eine bereits gut geformte Community einsteigen möchten, die Wissen und Erfahrung gerne teilt. „Es ist nicht mehr die Zukunft, eine Immobilie einfach nur mit Schreibtischen auszustatten. Ein gutes Angebot und Programm sind wichtig. Dafür muss vorne eine Persönlichkeit stehen, die diese Community trägt und zusammenhält, die Vorbildfunktion und Ahnung hat.“ Täubl übernehme diese Rolle gerne, denn sie kenne die täglichen Herausforderungen von Frauen und Müttern – „wobei wir die Business- und nicht die Kinderthemen am Tisch haben“.
Raus aus der Homeoffice-Falle
Gleich zwei Frauen – Barbara Pacejka und Marie Menz – leiten Cosima in der Neubaugasse im siebten Wiener Gemeindebezirk. Die beiden Freundinnen und Fotografinnen wollten sich ursprünglich einen gemeinsamen Arbeitsplatz mieten; das wovon sie träumten, war jedoch „nicht ganz leistbar“. Also haben sie kurzerhand groß geträumt, mehr Frauen ins Boot geholt und im Frühjahr 2021 ihren eigenen Co-Working Space gegründet. „Den Schritt hätten wir auch ohne die Pandemie gemacht, weil wir beide als Selbstständige das Homeoffice kennen und nicht unbedingt lieben“, sagt
Pacejka.
Zwischen Waschmaschine und Wäscheständer Aufträge abzuarbeiten sei schlichtweg keine Option mehr gewesen. Alternativen zum Arbeiten daheim gehörten heutzutage ohnehin zur Landschaft, vor allem im urbanen, zunehmend aber auch im ländlichen Raum. Warum nur Frauen bei „Cosima“ einen Tisch bekommen? „Der Gedanke kam uns in der Planungsphase, weil der Austausch unter Frauen für uns eine andere Qualität und Offenheit hat. Wir mögen Männer, aber sind für Frauen.“ Ein derartiges Konzept war vor rund dreieinhalb Jahren in Wien noch neu.
Wirtschaftlich ist der Plan jedenfalls aufgegangen. „Wir hatten kaum Leerstände an den Schreibtischen. Aktuell arbeiten 17 Frauen bei uns, und wir führen eine Warteliste. Von dem frischen Wind, wenn ein Wechsel bei den Mieterinnen passiert, profitieren wir alle und bekommen neue Aspekte und Themen präsentiert“, erzählt Marie Menz. Das Kommen und Gehen gehöre dazu, mit den ersten Mieterinnen sei man nicht alt geworden und habe damit gleich gar nicht gerechnet. Und auch in Wien wird schnell klar: Der Community-Aspekt ist zentral. Die Betreiberinnen vergeben Tische nicht spontan oder tageweise, sondern setzen auf eine fixe Einmietung ihrer Kundinnen, meist auf mehrere Monate. „Das Arbeiten bei uns ist nicht anonym, sondern immer ein Stück weit Gemeinschaft.“
Co-Working-Pleiten wie die von WeWork in Deutschland beobachten die „Cosima“-Betreiberinnen ebenso wie Neugründungen mit unterschiedlichen Konzepten. Was den beiden in ihrer eigenen Gründungsphase half, war das genaue Überlegen, auf welche Zielgruppen sie sich spezialisieren wollten. Mütter, Junge, Kreative? Ein 0815-Büro aufzusperren, kam für sie nicht infrage. Auch das Design musste stimmen; Hilfe aus ihrem Netzwerk, genauer aus dem Freundeskreis, holten sie sich von Ina Täubl, der „La Vie“-Betreiberin in Salzburg.
Mit ihr stimmen die Wienerinnen auch in dem Punkt überein, dass es essenziell sei, die richtige Immobilie für das Vorhaben zu finden. Viele, viele Besichtigungstermine inklusive. Einmal entschieden, gründeten die Frauen eine OG und unterschrieben ihren Mietvertrag. Menz: „Unsere Arbeit machen wir im Zweier-Team, das hilft ungemein. Ich kann in Karenz sein, und Barbara, die mit mir auf einer Wellenlänge ist, macht weiter, bis ich wieder da bin.“ Die Erfahrung in Wien zeigt ebenfalls, dass es ein Role Model im Co-Working braucht, das präsent ist und sich um die Frauen kümmert. Nur so entstehe ein menschlicher, positiver Wohlfühl-Raum zum Arbeiten für alle.