StartBusinessKeine Luftschlösser für Claudia Weidenbusch

Keine Luftschlösser für Claudia Weidenbusch

Die Geschicke vom größten unabhängigen Unternehmen für Luftfrachtabfertigung am Flughafen München liegen in der Hand einer Frau. Claudia Weidenbusch ist Geschäftsführerin der Cargogate Munich Airport GmbH – einer 100prozentigen Tochter der Flughafen München GmbH. In Zeiten der Pandemie eine ganz besondere Herausforderung. Wir sprachen mit Claudia Weidenbusch.

Der Flugverkehr befindet sich gegenwärtig in seiner größten Krise. Einige Airlines haben den Flugverkehr ganz einstellen müssen, andere haben stark reduziert. Einige Nonstop-Flugverbindungen werden aufgrund mangelnder Nachfrage auf Seiten der Geschäftsreisenden wohl vorläufig ganz wegfallen. Und last but not least geht der Trend zu kleinerem Fluggerät. Über Mangel an Herausforderungen können Sie sich nicht beklagen. Wie gehen Sie damit um?

Der Flughafen München war immer in erster Linie ein Passagierflughafen. Luftfracht wurde vor allem den Passagierflugzeugen beigeladen. Der Wegfall so vieler Passagierflüge, bedingt durch die Pandemie, bringt eine Verschiebung im Luftfrachtmarkt mit sich; das kleinere Fluggerät bedeutet gleichzeitig eine Kapazitätsreduzierung. Bislang war die Relevanz von Luftfracht auf Kurz- und Mittelstrecken gering, da Luftfracht als schnelle Lieferoption für weite Strecken gilt. Kurz und Mittelstrecken werden meist über die Schiene oder die Straße bedient. Das führt im Gegenzug aber auch zu den hinlänglich bekannten Staus auf unseren Autobahnen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, brauchen wir zukünftig mehr Frachter-Verbindungen. Gerade in einer Zeit, in derder Online-Handel einen unglaublichen Aufschwung nimmt, müssen die Waren eben auch zuverlässig und schnell transportiert werden.

Was bedeutet das für unsere Verkehrsinfrastruktur? Wie sehen Sie die Zukunft der Frachtwege? Von der Straße auf die Schiene oder in die Luft? Oder müssen wir damit rechnen, dass unsere Straßen noch mehr Güterfernverkehr sehen werden.

Mein Credo ist: Die Fracht muss weg von der Straße. Die vorhandenen Luftfrachtkapazitäten müssen gefüllt werden, um die Straßen zu entlasten. Jedes Passagierflugzeug ist ein potenzielles „Fracht-Taxi“, das es zu nutzen gilt, damit die Heimfahrt nicht im Stau endet. Sie müssen verzeihen, ich arbeite für einen Flughafen und bin deshalb in dieser Frage zweifelsohne parteiisch – die Schiene ist eine gute, jedoch per se begrenzte Alternative zur Luftfracht.

Ist die Luftfracht durch die Pandemie und aufgrund der Situation im Luftverkehr signifikant teurer geworden?

Ja, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Die Pandemie hat zu einem Engpass geführt, was eine Teuerung der vorhandenen Kapazitäten zur Folge hatte. Leider können wir an diesem Preisanstieg nicht partizipieren, da wir ein von den Frachtraten unabhängiger Erfüllungsgehilfe der Fluggesellschaften sind.

Zu den wenigen erfreulichen Begleitumständen der Pandemie scheint zu gehören, dass die Digitalisierung einen gehörigen Schub bekommen hat. Wie weit berührt diese Entwicklung Ihr Geschäft?

Natürlich freut es uns auch, wenn wir mit unseren internationalen Kunden nun unkompliziert per Videochat in Verbindung treten können. Den persönlichen Kontakt kann das aber auf Dauer nicht ersetzen. Der Datentransfer innerhalb der Frachtlieferkette ist bislang nur zu einem geringen Teil digitalisiert. In dieser Lieferkette sind viele einzelne Stakeholder beteiligt, die über unterschiedliche Plattformen und Wege kommunizieren. Eine einheitliche digitale Lösung wäre hier ein gewaltiger Schritt nach vorne. Da im Vergleich zur Seefracht die Luftfracht nur einen kleinen Teil der Logistikbranche abdeckt, ist der Fokus zur Digitalisierung bislang nie gezielt auf der Luftfracht gelegen. Deshalb freut es mich umso mehr, dass wir nun mit dem Fraunhofer Institut in Projekten zur Digitalisierung und Automatisierung der Luftfracht zusammenarbeiten werden.

Ist die Pandemie in Ihrer Sicht der Dinge für Ihr Geschäftsfeld eine Art Wendepunkt der Geschichte – oder wird schon bald wieder alles so sein wie vor Ausbruch der Krise?

Durch die Pandemie und die damit verbundene Reduzierung der Passagierzahlen, erhält der Bereich Luftfracht deutlich mehr Aufmerksamkeit als vorher. Die Systemrelevanz dieser Branche ist nun nicht mehr länger zu bestreiten. Zudem kann eine Steigerung der Luftfracht gleichzeitig zur Entlastung unserer Straßen führen. Dies ist eine Herausforderung, der sich Politik und Wirtschaft stellen müssen.

Ganz unabhängig von der schwierigen Situation, die uns zweifellos noch einige Zeit begleiten wird: wird die Globalisierung Ihrer Meinung nach in dem Tempo weiter fortschreiten. Und in der Konsequenz: wird der weltweite Handel weiterhin zunehmen?

Die Globalisierung ist längst nicht mehr zu verlangsamen und ist auch für die deutsche Wirtschaft keine Einbahnstraße. Weltweit verlangt der Endkundemittlerweile, auch durch die Versprechen der Unternehmen gefördert, extrem kurze Lieferzeiten. Heute bestellt, morgen da – die online Handelsplattformen machen es vor und locken die Endkunden mit diesem Versprechen. Ob das Produkt nun aus Amerika, Asien, Europa oder Afrika kommt ist dem Endverbraucher in diesem Augenblick völlig egal. Er will es schnell, am besten sofort, haben. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass der weltweite Handel, und damit meine ich vor allem den Online-Handel, weiterhin zunehmen wird. Kleine Sendungen, die über Expressdienste verschickt werden, werden das zukünftige Bild der Luftfracht explizit mitbestimmen.Die Fracht wird kleinteiliger, was für uns zu einem erhöhten Aufwand in der Abfertigung führen wird.

Über eine schwächelnde Nachfrage nach Ihren Dienstleistungen in der Luftfrachtabfertigung werden Sie sich dennoch sicher nicht beklagen können – sicherlich profitieren Sie auch vom globalen Boom im Online-Handel?

Das sollte man meinen. Gerade der Online-Boom hat einen starken Einfluss auf die berühmte „letzte Meile“, d.h. der Transport auf der Straße zum Endverbraucher. Die geflogene Luftfracht konzentriert sich aber seit dem Ausbruch der Pandemie vor allem auf Flughäfen wie Frankfurt und Leipzig, die sich auf reine Frachtflüge fokussieren.

Wie hat sich das Frachtaufkommen am Flughafen München in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt?

Das Frachtvolumen liegt mit knapp 60% Minus zum Vorjahr (2019), im Vergleich zu Passagierzahlen und Flugbewegungen, deren Reduzierung deutlich höher ausgefallen ist, noch in einem überdurchschnittlichen Rahmen. Auf Dauer ist diese jedoch keine zufriedenstellende Entwicklung. Unsere infrastrukturelle Aufgabe ist es, der Metropolregion München Mobilität zur Verfügung zu stellen, weil dies ausschlaggebend für die wirtschaftliche Stärke und Prosperität Bayerns ist. Wir müssen deshalb schnell umsetzbare Angebote entwickeln, um dieser Aufgabe nachkommen zu können.

Das Cargo-Business scheint in der allgemeinen Wahrnehmung nach wie vor eine Männer-Domäne zu sein? Ist das so? Und wenn ja: welche Maßnahmen werden von Ihrer Seite unternommen, um verstärkt Frauen von dieser Branche zu überzeugen und zu gewinnen?

Die Luftfracht im Allgemeinen bietet etliche Herausforderungen. In einem multikulturellen Umfeld ist viel Integrationsleistung gefragt. Ein 24/7 Business, bei dem kein Tag wie der andere ist, bietet lösungsorientierten Menschen, egal welchen Geschlechts, die Möglichkeit sich zu entfalten und nach neuen Lösungswegen zu suchen. Ein Plus für Frauen, die die Fähigkeit von Generalisten mitbringen und ein breites Spektrum an Talenten und Qualifikationen vorweisen können. Im Gegensatz zu den männlichen Kollegen neigen Frauen oft dazu gründlich zu hinterfragen, ob sie einer Herausforderung gewachsen sind. Mein Rat ist: nicht mit Fragen aufhalten, einfach tun.

Eine persönliche Frage zum Schluss: in welchen Netzwerken sind Sie unterwegs?

In der Branche bin ich sehr gut vernetzt. Selbstkritisch muss ich aber anmerken, dass meine Netzwerkaktivitäten über Social-Media und die M-Stars des Flughafen Münchens hinaus deutlich ausbaufähig sind.

www.munich-airport.de/cargogate

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