StartBusiness„Bier brauen ist ein urweibliches Handwerk“

„Bier brauen ist ein urweibliches Handwerk“

Seit Anfang März ist Mag. Dr. Gabriela Maria Straka Mitglied der Geschäftsführung in der Brau Union Österreich. Sie ist die erste Frau, die diese Position bekleidet. Schon neun Jahre zuvor arbeitete sie in der österreichischen HEINEKEN-Tochtergesellschaft im Bereich Nachhaltigkeit und Kommunikation. Im Gespräch mit SHEconomy spricht sie über gläserne Decken, CO2-neutrale Brauereien und natürlich Bier.  

SHEconomy: Männer trinken Bier, Frauen trinken Wein. Was sagen Sie zu solchen Klischees?

Das ist wirklich ein Klischee. Man muss nämlich wissen, dass Bier ursprünglich weiblich ist. Bier geht über 10.000 Jahre zurück, bis zu den alten Sumerer in Mesopotamien. Dort waren es stets die Frauen, die gebraut haben. Dieses hochentwickelte Volk der Sumerer kannte bereits vier verschiedene Methoden, aus vergorenem Brotteig Bier herzustellen. Die sumerischen Frauen bevorzugten etwa Bier aus Emmer, eine obergärige Biersorte. Emmer wurde bis ins hohe Mittelalter angebaut und diente zusammen mit Einkorn und Dinkel als Grundnahrungsmittel, entsprechend dem heutigen Weizen. Der Spruch aus dem Brüder Grimm Märchen Rumpelstilzchen „Heute brau‘ ich, morgen back‘ ich“ kommt daher, dass Bier damals flüssiges Brot war. Ein Grundnahrungsmittel damals und heute. Allerdings hatte das im Haushalt gebraute Bier wohl oftmals deutlich weniger Alkoholgehalt als heute. Weil es nicht überall sauberes Trinkwasser gab, war Bier quasi ein Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung. Und das war immer in Frauenhand, Jahrtausende von Jahren. Im Mittelalter beschäftigte sich dann Hildegard von Bingen, die eindrucksvolle Äbtissin im Benedektinerkloster, wissenschaftlich mit dem Lebensmittel Bier. Sie war es auch, die den Hopfen ins Spiel gebracht hat, die „Seele des Biers“.

SHEconomy: Ein geschichtlicher Exkurs.

Ja, Bier brauen ist wirklich ein urweibliches Handwerk.

SHEconomy: Dennoch gilt Bier teilweise immer noch als Männergetränk. Auch in der Brau Union Österreich sind hauptsächlich Männer tätig, Sie sind die erste Frau in der Geschäftsführungsetage. Wie war es für Sie, diese gläserne Decke zu sprengen?

Für mich war das ein ganz logischer Schritt in meiner Entwicklung und ein Zeichen wie relevant die österreichische Wertschöpfung in der HEINEKEN Familie ist. Durch die klare Verstärkung der Zielsetzungen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Unternehmenskommunikation, sowie Corporate Governance in der HEINEKEN Familie wird meine Rolle nun in der Geschäftsführung verankert. Das Geschlecht selbst stand nicht im Vordergrund. Es zeigt aber, dass es in Österreich noch einen Nachholbedarf gibt. Man sieht bei den Nachbarländern und vor allen in den osteuropäischen Ländern, dass im Brauwesen seit jeher viele Frauen am Werken sind. In der Technik, in der Lebensmittelproduktion, im Verkauf und auch im Management.

SHEconomy: Wie schwierig war es dort hinzukommen, wo Sie heute sind? Was waren die größten Herausforderungen?

Die Brau Union Österreich ist ja eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der HEINEKEN-Familie, dadurch bin ich natürlich bestens mit anderen europäischen Ländern und internationalen Märkten vernetzt. Und es ist so, dass diese Funktion, die ich jetzt bekleide – Unternehmenskommunikation, Nachhaltigkeit, Stakeholder Management – überall Teil des Managementteams ist. Diese organisatorische Maßnahme wird nun auch in Österreich umgesetzt.

SHEconomy: Ihre Themen sind Nachhaltigkeit und Bierkultur. Wie sieht nachhaltige Bierkultur aus?

Die nachhaltige Bierkultur ist der Teil der internationalen Nachhaltigkeitsstrategie „Brew a Better World“, die mein Team und ich in Österreich erfolgreich umsetzen. Da geht es um das Thema Rohstoffe, die soweit wie möglich lokal gewonnen werden, die soziale Wertschöpfung und im Fokus steht auch die CO2-Reduktion in allen Standorten.

Die Familie HEINEKEN ist federführend, ihr klares Ziel ist, die ersten Brauer weltweit zu sein, die bis 2030 CO2-neutral brauen. Das umfasst weltweit mehr als 160 Brauereien. 2040 wollen wir in der gesamten Wertschöpfungskette CO2-neutral sein. Damit sind wir sogar zehn Jahre vor dem Pariser-Klimaabkommen. In Österreich habe ich das Thema mit meinem Team von Anfang an, vor neun Jahren, aufgegriffen und gesteuert.

Die „Grüne Brauerei GÖSS“ in Leoben ist bereits seit 2016 weltweit die erste Großbrauerei mit einer 100% CO2 neutralen Bierproduktion. Das hat Spaß gemacht und gezeigt, dass es das kleine Land Österreich mit lokalen Partnern an die Spitze geschafft hat. Gemeinsam mit einem steirischen Partner wurde eine Biogasanlage realisiert, die ausschließlich den biologischen Reststoff des Brauens, den „Biertrebern“ vergärt. Daneben werden nachhaltige Energie aus der Abwärme eines benachbarten Holzverarbeitungsbetriebs erzeugt und Solarstrom eingesetzt. Die Solaranlage, die rund 1.500 m² Fläche am Brauereigelände umfasst, erzeugt einen Teil der im Sudhaus benötigten Wärme für den Brauvorgang. Für dieses clevere Energiesystem wurde die Brauerei Göss mehrfach ausgezeichnet: Unter anderem mit dem Energy Globe Austria, dem EU Sustainable Energy Award inkl. EU Citizens Choice Award oder dem IEA SHC Solar Award.

Mein Team und ich bekennen uns stets zu den 17 Development Goals der United Nations und setzen diese gemeinsam mit unseren Stakeholdern um. Die Grüne Brauerei Göss steht gleich für sieben dieser United Nations Goals. Für die hervorragenden Leistungen wurde ich als Sustainability Leader in London ausgezeichnet. Mittlerweile haben wir in Schladming eine zweite CO2 neutrale Brauerei und nützen unsere biogene Abwärme aus dem Sudhaus, um 2000 Nachbarwohnungen in Schwechat vor den Toren Wiens und im Brauquartier Puntigam in Graz zu beheizen.

SHEconomy: Wie hat sich bei Ihnen das Interesse für nachhaltige Bierkultur entwickelt?

Die Kombination Ökonomie und Ökologie hat mich immer schon interessiert. Es ist nicht nur überlebensnotwendig, langfristig rechnen sich viele ökologische Projekte. Ich sehe das nicht losgelöst vom wirtschaftlichen Erfolg. Und das zweite war etwas ganz Persönliches: ich liebe Essen, ich liebe Trinken, ich bin ein Genussmensch. Deshalb hat es mich immer schon interessiert, wo die Rohstoffe herkommen, welche Inhaltsstoffe in meinem Essen und Trinken stecken und wie viele Aromen etwas hat. Da war Bier immer besonders spannend, weil es deutlich mehr Aromen als beispielsweise Wein hat. Und so bin ich meinem Interesse nachgegangen und von den Rohstoffen bei der Produktion gelandet.

SHEconomy: Wie müssen sich Unternehmen an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen?

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist trotz der Coronavirus-Pandemie weiter gestiegen. Wissenschaftler:innenn zufolge handelt es sich um den höchsten Stand seit Millionen von Jahren. Im Pariser Klimaschutzabkommen war 2016 vereinbart worden, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber auf weniger als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die Erderwärmung betrifft alle – das Individuum genauso wie das Unternehmen. Der Klimawandel birgt viele Risiken, so begünstigt er nicht nur die Verbreitung von Seuchen und Viren, es werden sich auch Völker verschieben, der Meeresspiegel steigt, so kommt es zu Flucht und Migration. Die Unternehmen sind gefragt in jedem einzelnen Bereich zu schauen: wie können sie Treibhausgase verringern? Es wird nicht zu 100 Prozent gehen, das wissen wir. Darum sprechen wir zunächst von netto und erst dann von der gesamten Wertschöpfungskette. Jedes Unternehmen muss sein Geschäftsmodell nach diesen Kriterien untersuchen. Erst dann können wir einen sinnvollen Beitrag leisten, sonst wir es eng auf unserem Planeten und wir haben keinen Plan B.

SHEconomy: Wir haben keinen Planeten B.

Genau! In Österreich gibt es aber schon sehr viele Unternehmen, die innovativ sind: Wasserkraft, Windkraft, Fotovoltaik. Auch einzelne Haushalte sind in Zukunft gefragt, sich zu überlegen, wie sie an Energie kommen. Das sind völlig neue Herausforderungen, aber Österreich hat das Potenzial mit vielen flexiblen mittelständischen Unternehmen im Energiemanagement, die Lösungen anzubieten.

SHEconomy: Welche drei Eigenschaften haben ihnen persönlich dabei geholfen, erfolgreich zu sein?

Ich war immer schon ein sehr bodenständiger, erdiger Mensch. Wenn mich etwas interessiert, dann will ich in die Tiefe gehen. Das zweite ist: ich recherchiere alles, vernetze Menschen und arbeite mit den besten Teams zusammen. Und das Dritte ist: einfach sehr konsequent zu sein. Ich sage immer, man muss schon viel arbeiten, um erfolgreich zu sein, geschenkt bekommt man nichts. Manche sagen, Frauen müssten doppelt so viel arbeiten.

SHEconomy: Und was sagen Sie dazu?

Dazu kann ich sagen: ich schlafe nur fünf Stunden, da habe ich einen Vorteil. (lacht) Und damit habe ich sehr viel Zeit, um zu genießen, zu lernen, zu arbeiten und Dinge zu erledigen. Und es macht mir auch Spaß, ich bin an ein hohes Arbeitspensum gewöhnt. Dadurch ist es mir auch möglich ein Buch nebenbei zu schreiben, Symposien zum Klimaschutz oder meine Vorträge vorzubereiten, weil das kann man natürlich erst nach Dienstschluss machen.

SHEconomy: Wo sind Sie derzeit vortragend tätig?

Ich selbst bringe mich regelmäßig im Führungskräfteprogramm „Zukunft.Frauen“ ein, um Einblicke in das Nachhaltigkeits- und Kommunikationsmanagement zu geben. Da gebe ich Impulse in Richtung Crisis Communications. Der Lehrgang richtet sich nur an Frauen, ein bewusstes Frauennetzwerk. Besonders gerne bin ich auch auf der Executive Academy der Wirtschaftsuniversität Wien, wo ich Kolleg:innen unterrichte, die schon lange Führungskräfte sind und nebenbei einen Master of Business Administration machen. Ich bin berufstätig, sie sind berufstätig, deshalb ist der Austausch immer sehr wertvoll. Ich engagiere mich als Coach an der WU Executive Academy und im WU INAMERA Cross Mentoring Entwicklungsprogramm für Führungskräfte und High Potentials.

SHEconomy: Stichwort Frauennetzwerk. Sind Sie selbst in einem bestimmten Netzwerk?

Ich bin tatsächlich in mehreren Netzwerken groß geworden. Ich glaube auch, dass man mehrere unterschiedliche Netzwerke für seine persönliche Entwicklung und Reife braucht. Es braucht Netzwerke für Frauen genauso wie Netzwerke für Männer. Aber es gibt Themen, die kann man nur in den einen oder anderen Netzwerken besprechen, das basiert auf Vertrauen, das man sich zuerst erarbeiten muss.

Und ich glaube, dass gemischte Netzwerke für die meisten beruflichen Organisationen nach wie vor das Beste sind.  Der größte Erfolg für mich ist mit unterschiedlichen Menschen arbeiten zu dürfen. Als Ökonomin freue ich mich ganz besonders mich auch mit Biolog:innen, Ärzt:innen, Mathematiker:innen und Naturwissenschaftler:innen in meinem Netzwerk auszutauschen. Sich mit diesen Menschen auseinanderzusetzen ist für mich die wichtigste und zutiefst menschliche Bereicherung in einem Netzwerk.  Daraus ergeben sich tiefe Freundschaften, und immer wieder neue, spannende Kontakte. Nach meiner Ausbildung zur Stiftungsvorständin und Aufsichtsrätin bei der Incite Akademie vor elf Jahren habe ich das Führungskräfteprogramm für weibliche Aufsichtsräte absolviert: „Zukunft.Frauen“, dort sind wir ausschließlich Frauen, die sich gegenseitig fordern und fördern. Bis heute bin ich als Alumnae aktiv und unterstütze aktuelle und zukünftige Mitglieder von Aufsichtsorganen.

 

Gabriela Maria Straka ist seit 1. März 2021 Mitglied der Geschäftsführung der Brau Union Österreich tätig. Bereits seit 2013 arbeitet sie für die HEINEKEN-Gruppe, zuvor als Director Corporate Affairs Communications & CSR und Sprecherin der Brau Union Österreich. Nach ihrem Wirtschaftsstudium bekleidete die diplomierte Biersommeliere unterschiedliche Positionen im Bereich Unternehmenskommunikation, strategisches Marketing und Corporate Social Responsibility, dabei sammelte sie mehr als 20 Jahre Erfahrung als Führungskraft. Straka ist außerdem Autorin, Lektorin und Mitglied in diversen Kommunikationsverbänden wie dem österreichischen Presse Verband und Journalisten Club, Zukunft.Frauen, Vorständin im Verein zur Förderung des Wirtschaftsjournalismus, Landeskoordinatorin OÖ bei Respact und dem Lenkungskreis „Biodiversität“ und Mitglied im Steering Committee des UN United Nations Global Compact Austria und engagiert sich in ehrenamtlichen Projekten. Über letzteres sagt Straka: „Ich bin sehr froh, dass wir es geschafft haben endlich ein überstaatliches Agreement zu erreichen und die 17 SDGs (Anm.: Sustainable Development Goals) zu entwickeln. Ich bin in diesem Komitee in Österreich aktiv, um einen sinnvollen Beitrag zu leisten und eine bessere Welt zu b(r)auen!“

Fotomaterial© Georg Wilke

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