Das vergangene Jahr war für Anlegerinnen herausfordernd. Der Ukrainekrieg heizte die Energiepreise, allen voran in Europa, kräftig an, und damit auch die Inflation. Auf solch ungünstigen Entwicklungen mussten die Notenbanken freilich reagieren. Sie hoben die Zinsen erstmals nach Jahren der Tiefzinspolitik wieder an. Die Entwicklungen belasteten sämtliche Anlageklassen. Selbst Anleihen blieben nicht verschont, deren Kurse verloren kräftig an Wert.
„Prozentual betrachtet war die Schwankungsintensität der Anleihemärkte stärker ausgeprägt als die der Aktienmärkte“
zeigt Roswitha Klein, Direktorin Wien der Hypo Vorarlberg, auf. Klein geht auf die Hintergründe ein: Bei einer steigenden Inflation oder einem höheren Inflationsniveau als ursprünglich angenommen sinkt der reale Wert einer Anleihe. „Das führt zu einem Kaufkraftverlust.“ Dann nämlich wird die jährliche Verzinsung, die Anlegerinnen erhalten, zunehmend entwertet. Selbst solide Staatsanleihen aus Europa blieben von dem Abverkauf dabei nicht verschont und boten somit erstmals seit Jahrzehnten keinen stabilen Anker in einem breit gestreuten Portfolio.
Höhere Anleiherenditen
Doch es gibt auch eine positive Seite zu all den Entwicklungen: Aufgrund der Kursverluste sind zumindest die Anleiherenditen gestiegen. Denn Anlegerinnen können Bonds nunmehr zu niedrigeren Preisen kaufen und kommen umso günstiger an die fixen Kupons heran. Unter dem Strich winkt somit eine höhere Rendite.
Wie aber könnte es mit den Zinsen weitergehen? Mitte März hob die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 3,5 Prozent an, da die Inflationsrate von 8,5 Prozent im Februar noch weit über der EZB-Zielmarke von zwei Prozent lag. Zu allem Überfluss ist die Kerninflation weiter angestiegen. Bei der Berechnung der Kerninflation werden Preisveränderungen von Energie, Nahrung und Tabak ausgelassen, da sie besonders schwankungsanfällig sind.
„Die Kerninflationsrate bleibt trotz einer Abschwächung der Gesamtinflation hoch“
verweist Sandra Straka, Executive Director bei Goldman Sachs, auf die divergente Entwicklung.
Zinsen steigen weiter
Die EZB setzt ihren Pfad der Zinsanhebungen deshalb fort, um die Teuerung insgesamt in den Griff zu bekommen. „Jedoch ist davon auszugehen, dass die Zinsschritte kleiner werden, um der Wirtschaft weniger Schaden zuzufügen“, sagt Klein von der Hypo Vorarlberg. Wie weit die Zinsen noch angehoben werden, lässt sich zwar nicht genau sagen. Bei der Kathrein Capital Management (KCM) schätzt man ein Ende des Straffungszyklus bei einem Leitzins von 3,75 Prozent im Juli. Je nachdem, wie sehr die Maßnahmen im Kampf gegen die Inflation fruchten, könnte es weitere Anhebungen geben, meint KCM-Geschäftsführerin Andrea Otta.
Doch schon jetzt könne man einen Blick auf europäische Staatsanleihen werfen, findet so manche Expertin. Otta sagt, „sie haben zuletzt stark an Attraktivität gewonnen, insbesondere als Sicherheitspolster zu den Aktienmärkten“. Solch eine Eigenschaft konnten europäische Staatsanleihen etwa kurz nach der Zwangsschließung der US-Bank SVB unter Beweis stellen. Auch ein weiterer Faktor sollte nicht unterschätzt werden: Falls die geopolitischen Spannungen sich verschärfen, dürften solide Staatsanleihen als Krisenschutz wieder gefragt, sein. Anlegerinnen sollten jedoch breit gestreut auf solche Anleihen setzen, um unterschiedliche Chancen zu nutzen.
So bildet etwa der Kathrein Sustainable Euro Bond Fonds (AT0000779772) unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien den Euro-Staatsanleihenmarkt ab. „Spanische und italienische Staatsanleihen sind neben jenen aus Deutschland strukturelle Schwergewichte“, präzisiert Otta. Freilich, bei einem Investment in Anleihen aus der Peripherie lukrieren Anlegerinnen eine bessere Verzinsung als Ausgleich für das höhere Risiko. Sorgen zu möglichen Länderrisiken rund um Italien und Spanien macht sich die Expertin keine. „Italien und Spanien sind mit der dritt- beziehungsweise viertgrößten Wirtschaftsleistung in der Eurozone wesentliche Wirtschaftsfaktoren in Europa.“ Die Eurokrise von 2011 habe gezeigt, dass die EZB über einen Handlungsspielraum zur Unterstützung des Eurosystems und damit der Eurostaaten verfügt.
Chancen mit ETFs
Auch mit ETFs (Exchange Traded Funds) gibt es Chancen. Solche Fonds bilden in der Regel einen Index kostengünstig ab. Zohra Asef, Vice President bei BlackRock in Österreich, verweist auf eine weitere Eigenschaft:
„ETFs können auf der Börse gehandelt werden. Die Preise sind zudem innerhalb eines Tages verfügbar und machen den Wert der zugrundeliegenden Anleihen transparent.“
Der iShares Core Euro Government Bond UCITS ETF (IE00B4WXJJ64) etwa bildet die Wertentwicklung eines breiten Korbs an Staatsanleihen von qualitativ höher bewerteten Emittenten ab. Das umfasst derzeit mehr als 400 Anleihen aus 18 Ländern. Anlegerinnen, die jüngste Kurskorrekturen zum Einstieg nutzen wollen, müssen Folgendes beachten: Sollte die Inflation in der Eurozone stärker als erwartet zulegen – etwa weil sich die Energiekrise wieder zuspitzt – droht Euro-Staatsanleihen ein weiterer Wertverlust.