Sie ist in Wien geboren, in Thailand aufgewachsen und lebt in Deutschland, wo sie für SKion Water, ein Beteiligungsunternehmen für innovative Wassertechnologien, den südostasiatischen Markt aufbereitet: Die Investmentmanagerin Anthea Viragh über Frauen in MINT-Berufen, das Zusammenwirken von Kulturen und die Wurzeln ihres Umweltengagements.
Die Überschwemmungen in Deutschland und Österreich im vergangenen Sommer haben eine Sache deutlich gemacht: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Zentraleuropa längst angekommen. Als Folge dieses Klimawandels wird sich der Wasserbedarf in den kommenden Jahren weltweit drastisch erhöhen, doch bereits heute ist die Verfügbarkeit von Wasser stark begrenzt, in vielen Regionen ist die unzureichende Versorgung mit Wasser Realität. Die Wassertechnikbranche beschäftigt sich mit Lösungen, um sauberes Trinkwasser in Zeiten der verschärften Wasserknappheit sicherzustellen, und mit Abwasserbehandlung. Anthea Viragh, 28, arbeitet als Investmentmanagerin bei der von der deutschen Unternehmerin Susanne Klatten gegründeten Firma SKion Water, die in Wassertechnologien sowie Wasser- und Abwasseraufbereitungsunternehmen investiert, die Lösungen für industrielle sowie kommunale Kund*innen auf der ganzen Welt anbieten. Im Gespräch mit SHEconomy erklärt Viragh, wie sie die Entwicklung der Wassersituation in den nächsten Jahrzehnten einschätzt und in welcher Hinsicht wir uns von Südostasien eine Scheibe abschneiden können.
SHEconomy: Frau Viragh, wodurch entstand Ihr Interesse für den Klimawandel und speziell für Wasser?
Anthea Viragh: Seit meinem zwölften Lebensjahr hatte ich Interesse an Umweltthemen. In bin in Thailand aufgewachsen, wo ich die Auswirkungen des Klimawandels hautnah mitbekommen habe: Überflutungen, Dürren, Abholzungen, Umweltverschmutzung. Ich hatte diese Katastrophen überall und jeden Tag vor mir und habe entschieden, dass ich mich mein Leben lang damit beschäftigen und in dieser Branche arbeiten möchte, um etwas zu verändern. Heute bin ich fokussiert auf Wasser, vielleicht wird es in Zukunft auch etwas anderes sein. Generell liegt mein Interesse im Bereich verschiedener Klimawandeltechnologien.
Steckte „nur“ die persönliche Betroffenheit dahinter oder wirkte auch die wirtschaftliche Relevanz des Themas mit?
Beides. Mit 16 Jahren bin ich für einen Sprachaufenthalt nach Peking geflogen, wo die Luftqualität so schlecht war, dass ich ein Jahr lang jeden Tag eine Maske tragen musste. Da ist mir klar geworden, dass die umweltschädlichen Aktivitäten der Industrie auch einen negativen Effekt auf unsere Gesundheit haben. Für mich war das damals sehr schockierend, und ich habe begonnen, mich dafür zu interessieren, was dagegen getan werden kann. Bei einem Praktikum bei der China Greentech Initiative habe ich schließlich verschiedene Klimatechnologien kennengelernt, die ökonomisch sinnvoll und sogar gewinnbringend sind. So hat mein Weg begonnen.
„China muss mit Europa zusammenarbeiten, um in Sachen Umweltschutz voranzukommen.“
Beim deutschen Unternehmen SKion Water sind Sie zuständig für Südostasien und China. Wie schätzen Sie die Wasseraktivitäten in Asien im Vergleich zu Europa ein?
Was den Unterschied ausmacht, sind die Vorschriften vor Ort. In Europa sind die Regulierungen in Bezug auf die Wasserqualität und Abwasserbehandlung viel strenger, Firmen müssen viele Auflagen erfüllen. In Südostasien muss die Qualität noch nicht ganz so hoch sein. Das liegt vor allem daran, dass Südostasien rechtliche und regulatorische Herausforderungen mit sich bringt, die strengere Regeln verhindern. In China fördert die Regierung die Erhöhung der Wasserqualität hingegen sehr stark und reguliert streng.
China emanzipiert sich ja immer stärker von Europa und der Welt. Wie schätzen Sie diese Entwicklung im Bereich der Klimatechnologien ein?
China macht sehr große Fortschritte in Umweltthemen. In anderen Bereichen wollen sie zwar nicht mit Europa und anderen Regionen zusammenarbeiten, aber sie merken, dass beispielsweise Deutschland unglaublich gute Technologien hat und ihnen vielleicht einen Schritt voraus ist. Sie brauchen diese Technologien. Das bedeutet nicht, dass China abhängig ist, aber sie wissen, dass sie mit Europa zusammenarbeiten müssen, um in Sachen Umweltschutz voranzukommen.
Wie schätzen Sie die Wasserentwicklung in den nächsten 30 Jahren ein?
Es werden, meiner Einschätzung nach, zwei große Themen im Vordergrund stehen: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Alle Unternehmen werden in den nächsten 30 Jahren auf Wasser fokussieren müssen, denn der Klimawandel ist voll im Gange. Katastrophen wie Überschwemmungen wie sie im vergangenen Sommer in Deutschland passiert sind, können wir nicht mehr verhindern. Aber wir können sicherlich Zerstörungen abwenden, indem wir beispielsweise Sensortechnologien oder Early Warning System-Technologien einsetzen, um besser darauf vorbereitet zu sein. Außerdem hoffe ich, dass wir in den nächsten 30 Jahren viel im Bereich Wasseraufbereitung und Hygiene verbessern können. In vielen Ländern Afrikas und Südostasiens sehen wir immer noch, dass nicht genügend Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen haben.
Was zieht Sie als junge, karriereorientierte Frau, die schon in vielen Ländern gelebt hat, eigentlich nach Deutschland?
Ich frage mich das auch immer wieder (lacht). Nach Deutschland haben mich vor allem die Möglichkeiten, die ich bei SKion Water habe, gebracht. Ich arbeite in einem kleinen Team, mit einem großartigen Chef und Mentor und habe viele Möglichkeiten, zu wachsen und zu lernen. Außerdem wollte ich mein Deutsch verbessern und lernen, meine europäischen Wurzeln besser zu verstehen. Obwohl ich Halb-Österreicherin bin, habe ich nie wirklich Deutsch gelernt, erst vor dreieinhalb Jahren als ich aufgrund meines Jobs hierhergekommen bin. An Europa reizt mich auch, dass hier die Umweltfortschritte am größten sind, es ist sehr spannend, mittendrin zu sein. Ich glaube aber nicht, dass ich für immer in Deutschland sein werde. Mein langfristiges Ziel ist es, die Technologien und das vorhandene Wissen in südostasiatische Länder zu bringen.
In Österreich und Deutschland ist der Arbeitsmarkt eher konservativ. Blickt man in die hiesigen Vorstände und Aufsichtsräte, findet man deutlich weniger Frauen als etwa in den USA. Warum ist das so?
Auch in Asien gibt es immer mehr Frauen im Management und in technischen Positionen! Generell sind Frauen in Managementpositionen in Amerika üblicher, weil sie früher damit angefangen haben sich mit Gender Equality-Themen auseinanderzusetzen. Ich bemerke auf jeden Fall, dass die Wasserbranche sehr männerdominiert ist. Deshalb sollte man meiner Meinung nach schon in der Schule damit anfangen, Mädchen für MINT-Fächer und -Berufe zu begeistern. Und auch die Firmen müssen sich überlegen, wie sie bessere Arbeitgeber*innen für Frauen werden – dieser Impuls muss zwingend von Top-down kommen.
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