Rolls-Royce zu fahren, ist immer ein Erlebnis. Eines, das überwiegend von Daumen hoch, einigen, aufgeregten car spottern und gelegentlichem Stirnrunzeln („Womit die wohl ihr Geld verdient…?!”) begleitet wird. Ist auch noch eine Produkt-Insiderin mit an Bord, dann wird die Testfahrt durch München im Spectre (dem ersten vollelektrischen Modell der Marke) darüber hinaus zu einer Fortbildungsreise in Sachen Automobildesign und -produktion.
Die Co-Pilotin ist Juliane Blasi, Chefin fürs Exterieur-Design beim englischen Luxuskarossenhersteller und in der Branche keine Unbekannte: Vor 15 Jahren „schockte”
sie die Automotive-Welt mit ihrem Design für den BMW Z4. „It’s Macho, without the Men” titelte die New York Times damals, sprach von einer „gender-bending suprise”, die Fachpresse war ganz verdattert, dass diesen „aggressiven, maskulinen” Roadster eine, huch, Frau entworfen hatte.
Wie hat sie damals diese Aufregung empfunden? „Fakt ist,dass es bis heute wenige Frauen im Exterieur-Design gibt. Ich habe mich diesbezüglich aber nie als was Besonderes gefühlt, deshalb war ich eher über den Wirbel erstaunt”, erklärt die Fränkin, die in Pforzheim „Transportation Design” studiert hat.
Und woran liegt ihrer Meinung nach die schlechte Frauenquote? „Einer der vielen Gründe könnte sein, dass Designer-innen die kompetitiven Einzelwettbewerbe, die wir durchlaufen müssen, bis ein Entwurf in Produktion geht, nicht mögen. Ich entwerfe, ehrlich gesagt, auch lieber im Team”, sagt sie. Und weiter: „Und dann fühlen sich viele, vor allem junge Designerinnen, mit denen ich spreche, von dem Wissen der männlichen Kollegen über Fahrzeughistorie, Motoren, Rennstrecken etc. eingeschüchtert. Denen sage ich: Nein, ihr müsst keine Petrol Heads sein, um unseren Beruf auszuüben. Somit versuche ich, ihnen ein Vorbild zu sein.”
Apropos: Wie vorbildlich ist Rolls-Royce denn, wenn es um Nachhaltigkeit geht? „Von unserer Handwerkskunst bis hin zu unseren Beziehungen zu Mitarbeitern, Lieferanten und lokalen Gemeinschaften – wir sind bestrebt, die Umweltauswirkungen unserer Entwicklungs- und Fertigungsprozesse zu reduzieren. Im Design arbeiten wir in einem kleinen Team sehr fokussiert und zielorientiert und verbrauchen weniger Ressourcen”, erklärt die Mutter von drei Kindern.

„Außergewöhnliche Handwerkskunst hat stets Vorrang vor hohen Produktionsmengen. In unserem Hauptsitz in Goodwood beschäftigen wir unter den 2500 Mitarbeitern viele hochqualifizierte Fertigungs- und Handwerksspezialisten. Wir bilden dort auch aus und produzieren ausschließlich vor Ort”, fügt Juliane Blasi hinzu. Und bringt noch eine Zahl ins
Spiel, die deutlich macht wie hoch die Wertschätzung für das Produkt auf beiden Seiten, Hersteller wie Kunde, ist: Etwa „80 Prozent aller jemals gebauten Rolls-Royce Fahrzeuge sind heute noch auf der Straße. Das liegt an unserem herausragendem Provenance-
und Serviceprogramm, das die kontinuierliche Nutzung und Erhaltung von Rolls-Royce
Fahrzeugen unterstützt. Außerhalb von Rolls-Royce wächst der Sekundärmarkt für Luxusgüter heute viermal schneller als der Primärmarkt. Wir haben das bereits vor Jahren festgestellt.” Mit dem Spectre hat vor zwei Jahren dann endlich auch der Weg zur Elektrifizierung begonnen. Für 40 Prozent der Käufer*innen ist es übrigens der erste
Rolls-Royce, man geht davon aus, dass der Spectre das Durchschnittsalter der Kund*innen von aktuell 43 Jahren noch senken wird.
Was macht ihn denn aus Sicht der Exterieur-Chefin so attraktiv für die neue Zielgruppe? „Der Spectre ist für mich ein athletisches, Super Luxus Coupé mit sehr gut ausbalancierten Proportionen – elegant, ruhig, dennoch modern. Er hat eine anmutige Silhouette, ist absolut reduziert auf das Wesentliche, daher zeitlos”, erläutert Juliane Blasi. Und so paradox das klingen mag, ist das für die Kund*innen vermutlich ein besonders nachhaltiges Kaufargument: sich keinen Kopf machen zu müssen. Echter Luxus.