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Wünschen wird man sich was dürfen

Die beruhigende Nachricht zu Jahresbeginn: Vergessen Sie das mit den Neujahrsvorsätzen! Denn um solche einzulösen, braucht es ein stabiles Rundherum, das man umgestalten oder verwerfen kann – 2024 lässt bislang wenig in diese Richtung erahnen. Aber es gibt Hoffnung und feine Wünsche. Damit spätestens 2025 wieder ein gutes Vorsatzjahr wird.

Beginnen wir das Jahr mit den guten Nachrichten. Die erste gute Nachricht setzte schon am Vormittag des 1. Jänner ein, als auf Twitter, Facebook und Instagram eine höchst engagierte Dirigentinnen-Diskussion in Zusammenhang mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker losging. Die Debatte ist nicht neu, aber so engagiert wie in diesem Jahr wurde sie überhaupt noch nie geführt; sie füllte tagelang Kulturseiten und Feuilletons. Welch schönes und wichtiges Signal!

Denn das Neujahrskonzert ist nicht irgendein aus der Zeit gefallenes TV-Spektakel – es wird nach wie vor in knapp 100 Ländern ausgestrahlt und erreicht an die 50 Millionen Zuseher:innen. Da ist es nun mal nicht irrelevant, welche Botschaften über die Musik hinaus ausgesandt werden. Selbstverständlich wäre es endlich an der Zeit, den Dirigentenstab einer Frau zu überlassen. Namen gäbe es genug, Erfahrungswerte einige ganz wenige. So spielte das weltberühmte Orchester, in dessen Reihen erst seit 1997 Instrumentalistinnen zugelassen sind, einige Male unter der Leitung von Simone Young; mit Joanna Mallwitz wird man bei der Salzburger Mozartwoche zusammenarbeiten. Orchestervorstand Daniel Froschauer betonte in den vergangenen Tagen, man suche die Zusammenarbeit mit Dirigentinnen, führe konkrete Gespräche, nun sei es aber nicht so leicht… In der Klassikwelt ist es eben wie in den deutschen und österreichischen Vorstandsetagen: Die Mühlen des Wandels mahlen langsam, doch das Tempo legt unüberseh- und hörbar zu. Also dranbleiben!

Was die schlechten Nachrichten betrifft, hat sich im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls nichts bewegt, jedenfalls nicht zum Guten hin. Die Kämpfe in der Ukraine und rund um Gaza gehen weiter; ein Ende der Kriege ist nicht in Sicht. In China betonte Staatsoberhaupt Xi Jinping in seiner Neujahrsrede, mit Blick auf Taiwan: „Die Wiedervereinigung des Mutterlandes ist unvermeidlich“ – keine besonders beruhigende Aussage. Und mit seinem vor drei Tagen geposteten Wahlkampf-Spot „God made Trump“ öffnete Ex-US-Präsident Donald Trump die Tür zu einer neuen Dimension politischen Irr-Sinns (sic!). Jedenfalls in der westlichen Welt, jedenfalls in diesem Jahrhundert. Und wie läuft es hier so bei uns? Die Rezession hält den meisten Prognosen zufolge 2024 an. Inflation, Zinsen und Energiepreise sind immer noch hoch (vor allem in Österreich). Der Facharbeiter:innen- , Ärzt:innen- und Pfleger:innenmangel bleibt ein Dauerthema. Corona hat uns alle weiterhin im Griff; die Krankenstände der vergangenen Wochen waren so hoch wie nie. Also durchtauchen. Stark bleiben.

Doch es gibt auch Beruhigendes an solchen Situationen: Wir sind den Stress mit den guten Neujahrsvorsätzen los. Denn um gute Vorsätze zu fassen, braucht man ein stabiles Rundherum, das man umgestalten oder verwerfen kann. Man benötigt ein Setting, Pläne und einen festen Willen, der einen in die Gänge bringt und mit dem man Veränderung bewirkt. 2024 lässt bislang wenig in diese Richtung erahnen. Nicht wir bewirken Veränderung, sondern Veränderung wirkt auf uns – und zwar im Dauermodus. Unvorhersehbarkeit, Irritation, Wankelmut und Brüchigkeit scheinen die Begleiter unserer Zeit zu sein.

Aber wünschen wird man sich etwas dürfen: Resilienz, Gesundheit, Ideenreichtum, Beweglichkeit und Zusammenhalt sollen die guten Geister sein, die uns durchs Jahr begleiten. Damit es 2025 auch wieder mit den guten Vorsätzen klappt.


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