Ihr Forschungsgebiet kennt sie selbst nur zu gut aus eigener Erfahrung: Die Volkswirtin Claudia Goldin, Professorin in Harvard, wird als dritte Frau mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Die 77-Jährige erhält die renommierte Auszeichnung für ihre Forschungen rund um das Thema Genderökonomie. Sie habe das Verständnis verbessert, welche Rolle Frauen im Arbeitsmarkt spielen, sagte Generalsekretär Hans Ellegren bei der Bekanntgabe. Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften wird den Preis im Dezember in Stockholm übergeben.
„Als ich anfing, mich mit diesem Thema zu beschäftigen, wurde mir klar, dass sich die meisten Wirtschaftshistoriker mit Kinderarbeit oder der Arbeit von Männern befassten“, erklärte Goldin bei einer Pressekonferenz. „Aber sie wussten nicht wirklich, was Frauen taten. Und genau das habe ich herausgefunden.“ Damit sei sie eine Pionierin auf dem Gebiet der Ökonomie, so Harvard Präsidentin Claudine Gay.
„Für die Gesellschaft ist es wichtig, die Rolle der Frau auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen“, sagte Jakob Svensson, Vorsitzender des Komitees für den Preis für Wirtschaftswissenschaften. „Dank der bahnbrechenden Forschung von Claudia Goldin wissen wir jetzt viel mehr über die zugrunde liegenden Faktoren und darüber, welche Hindernisse in Zukunft möglicherweise angegangen werden müssen.“ Die Jury hob hervor, dass ihre Arbeit „die erste umfassende Darstellung des Verdienstes und der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen über die Jahrhunderte hinweg darstellt“.
Eine der zentralen Veröffentlichungen Goldins ist „Understanding the Gender Gap: An Economic History of American Women“ (1990). Die Professorin hat hier Daten aus mehr als 200 Jahren Wirtschaftsgeschichte untersucht. Mit dieser und weiteren Arbeiten habe Goldin den ersten umfassenden Beitrag über das Einkommen und die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Jahrhunderte geliefert und die wichtigsten Treiber der immer noch bestehenden Kluft aufgedeckt, so das Komitee.
Die wissenschaftliche Beschäftigung des Themas durch Claudia Goldin hat auch für Europa eine hohe Relevanz. So lag der geschlechtsspezifische Lohnunterschied in der EU im Jahr 2021 bei 12,7 % und hat sich im letzten Jahrzehnt nur minimal verändert. Frauen verdienen im Durchschnitt 13,0 % weniger pro Stunde als Männer. In Deutschland und Österreich liegt der Wert laut Eurostat über dem EU-Wert bei mehr als 18 %.