Nach einem auch für die österreichische Medienlandschaft ziemlich turbulenten Jahr stand beim 22. Journalistinnenkongress alles unter dem Motto »Neues Spiel – neue Regeln«. Ideen und Ansätze für einen diversen und innovativen Journalismus kamen dabei viele zur Sprache.
»Neues Spiel – neue Regeln« lautete das übergeordnete Thema des diesjährigen Journalistinnenkongresses, der in diesem Jahr online abgehalten wurde. Dass die Spielregeln, die den österreichischen Journalismus auch in diesem schwierigen Jahr bestimmt haben, nach wie vor zum Großteil von Männern gemacht werden, erwähnte Alexandra Wachter, Journalistin und Vorsitzende des Frauennetzwerks Medien, gleich zu Beginn der Veranstaltung. Um immer wieder darauf hinzuweisen und bestenfalls auch gleich entsprechende Schritte in die Gegenrichtung zu setzen, brauche es viele starke Frauenstimmen und Veranstaltungen wie den Journalistinnenkongress. Der Blick in die immer noch stark männlich dominierten Chefredaktionen der österreichischen Medienhäuser bestätigt dieses Bild sofort. Obwohl die Digitalisierung gerne mit einer Art Gleichstellungsmotor verglichen wird, hat sich auch durch die Krise nichts daran geändert, dass Männerstimmen in den österreichischen Medien immer noch um ein Vielfaches präsenter sind. Im Gegenteil: Untersuchungen zeigen ganz deutlich, dass in der Krise hauptsächlich Männer ihre Erklärungen dazu abgaben. Außerdem war schnell klar, dass Kinderbetreuung und Homeschooling in erster Linie bei den Frauen landen würden.
Mit der Digitalisierung befasste sich auch die Keynote von Carla Hustedt von der Bertelsmann Stiftung. In ihrem Vortrag »Alexa, bist du Feministin?« hielt sie die Zuseher*innen dazu an, sich immer wieder selbst vor Augen zu führen, dass Algorithmen in vielerlei Hinsicht zur Benachteiligung von Frauen führen können. »Algorithmische Systeme sind nicht neutral, sie entscheiden über gesellschaftliche Teilhabe«, so Hustedt. Im anschließenden Gespräch diskutierten Nana Siebert (Der Standard) und Iris Rauskala, Sektionschefin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, darüber, wie Kinder und Jugendliche heute auf sinnvolle Weise Medienkompetenz erlernen können. Gemeinsam wurde ein Magazin entworfen, das Schülerinnen und Schülern dabei helfen soll, sich kritischer mit Medien auseinanderzusetzen. Ein »Herzensprojekt«, wie Siebert erwähnte. Die Journalistin betonte unter anderem die wichtige Frage hervor, wie es denn gelingen könnte, Jugendliche dazu zu bringen »seriöse« Medien und nicht nur auf Social Media publizierte Inhalte zu konsumieren. »Außerdem sollte es uns gelingen, dass sie nicht nur die Schlagzeile, sondern den ganzen Artikel konsumieren«, so Siebert. Iris Rauskala erwähnte noch, dass es wichtig wäre, Schülerinnen und Schüler dazu zu motivieren sich auszudrücken und ihre Meinung, Wahrnehmungen und Gefühle auszudrücken.
Im DACH-Talk diskutierten Alexandra Wachter (PULS 4), Daniela Kraus (GF Presseclub Concordia), Martina Madner (Frauennetzwerk Medien) , Edith Heitkämper (ProQuote Medien) und Nadja Rohner (Co-Präsidentin Verein Medienfrauen Schweiz) über jene acht Forderungen, die im Frühjahr länderübergreifend aufgestellt wurden und für mehr Gleichberechtigung in den Medien sorgen sollen. Auch hier war die aktuelle Krisensituation wieder Thema. So erwähnte Martina Madner unter anderem, dass es nach wie vor eine »Präsenzdiktatur« in vielen Medienhäusern gäbe, es gleichzeitig aber auch vielen Frauen gelänge, sich in Online Meetings mit ihren Themen mehr Gehör zu verschaffen. Unter dem Titel des 22. Journalistenkongresses, »Neues Spiel – neue Regeln« sprachen im Anschluss daran Wiebke Loosen vom Leibniz-Institut für Medienforschung, Maria Pernegger von Media-Affairs, Eva Konzett (Falter), Katharina Mader vom Institut für Heterodoxe Ökonomie der WU Wien und Martina Madner (Wiener Zeitung) darüber, auf welche Weise die Coronakrise den Journalismus verändert hat. Dabei wurden die prekären Bedingungen, unter denen viele Journalist*innen heute arbeiten, immer wieder erwähnt und diskutiert. Im Abschlusspanel tauschten sich Christina Mutenthaler (AMA Österreich), Romy Seidl (ORF, Salzburg), Antonia Gössinger (Kleine Zeitung), Maria Jelenko-Benedikt (CR Regionalmedien Österreich) und Laila Docekal (Kurier, Lebensart) noch zum Thema Regionaljournalismus aus.
»Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und Frauensolidarität zeigen.«
In den darauffolgenden Workshops ging es unter anderem um Vorurteile, »digitale Selbstverteidigung«, Wissenschaftsjournalismus und innovative Formen des Journalismus. Unsere Redakteurin Anna Trost hat am Workshop »Wissenschaftsjournalismus – Männer erklären uns einmal mehr die Welt. Wie kann (Fach-)frau besser Gehör finden?« teilgenommen und konnte einige wertvolle Inputs mitnehmen.Eva Stanzl (Vorsitzende des Clubs der Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten) stellte gleich zu Beginn der Session fest, dass der Wissenschaftsjournalismus in weiblicher Hand ist, weibliche Expertise aber kaum sichtbar ist. Dem trat Edith Heitkämper (ProQuote Medien) gleich mit möglichen Vorschlägen entgegen: »Ich persönlich glaube, da müssen wir Journalistinnen ganz bewusst nach Frauen suchen. Wir dürfen es uns selbst nicht zu leicht machen, indem wir zitierte Männer erneut heranziehen. Wir müssen quasi eine extra Meile laufen.« Mit folgender Aussage, die mit großer Sicherheit für den ganzen Kongress gilt, beendete Heitkämper den Workshop: »Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und Frauensolidarität zeigen.«
Der Kongress ist noch nicht ganz vorbei! Bei den LIVING NEWS gibt es noch zwei Mal die Chance mit namhaften Journalistinnen in Kontakt zu treten.
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