Als jemand, der sich an die 90er Jahre noch sehr gut erinnern kann, war für mich der Start der Supermodel-Serie auf Apple+ ein Fixtermin. Cindy, Linda, Naomi und Christy: Wir alle kannten diese Namen und sie bedeuteten Glamour, Glanz und Geld. Wir kannten sie aus Magazinen, weil es noch kein Internet und erst recht nicht soziale Medien gab. Photoshop gab es, aber vor allem wurde die perfekte Schönheit durch Licht und Make Up inszeniert. Von Linda Evangelista blieb ein Satz für die Ewigkeit in der Fashion History: „Für unter 10.000 Dollar am Tag stehe ich nicht aus dem Bett auf.“
Damals war die Empörung enorm. Was bildet sie sich ein? Nur fürs Hübsch sein und lächeln will sie wie ein Top-Managerin bezahlt werden?
Evangelista gibt in der Serie eine gute Antwort: „Wenn ein Mann seinen Anteil an einem Geschäft verlangt hätte, wäre es akzeptiert worden.“ Mit dem Image der Supermodels wurden Kampagnen gefahren, die ein Tausendfaches ihrer Tagesgage ausmachten. Die Umsätze in der Luxusindustrie sind in den 1990ern explodiert. Bernard Arnault, der mittlerweile konstant unter den Top 5 der reichsten Menschen rangiert, legte damals durch den Kauf von Dior den Grundstein für sein Imperium LVMH.
Die Welt hat sich in den vergangenen 30 Jahren verändert. Die Mädchen von damals sind nun erwachsene Frauen, die sich nun in ihren 50ern befinden und noch immer als Models arbeiten. Sie sind aber auch Unternehmerinnen, Mentorinnen, Mütter und Aktivistinnen.
„Als wir angefangen haben, hat man uns gesagt, Schönheit ist nicht nachhaltig. Das stimmt nicht. Alter ist nicht nachhaltig, Schönheit ist es“, sagt Linda Evangelista weiter. Sie ist diejenige, deren Körper sich mit der Zeit am deutlichsten verändert hat. Sie bereut ihre Schönheitsoperationen und lässt sich ohne Make Up und Styling in ihrem Alltag filmen. Dazu gehören auch die Behandlungen, mit denen sie gegen den Brustkrebs kämpft. Viele Jahre hat sie sich vor der Öffentlichkeit versteckt, weil sie sich für ihr Aussehen geschämt hat. Nun steht sie stolz da und wird von den Fans gefeiert.
„Die Industrie hat sich verändert, weil wir uns auch verändert haben“, sagen die Models zum Abschluss. Für die Vielfalt, die wir wollen, müssen wir auch einstehen.
Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne Woche, auch wenn der „Altweibersommer“ – so nannte man diese Jahreszeit im Volksmund – bereits vorbei ist. Die Bezeichnung zeigt mir, dass man leider den Wert von Reife und Lebensfülle eher geringschätzig behandelt. Feiern wir lieber selbstbewusst die Schönheit der Herbstsonne und freuen uns über die Ernte unserer Bemühungen.
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