Ein neues Kapitel der österreichischer Kunstgeschichte wird aktuell im dritten Wiener Gemeindebezirk geschrieben. Das Projekt Node Contemporary, gegründet von Ema Kaiser und Axel Walek, bezieht die Räumlichkeiten der Villa Mautner-Jäger und setzt neue Impulse für die Kulturszene in der Donaumetropole.
New Art Place To Be
Den Auftakt macht die Ausstellung „listings of dust“ (bis 24.Mai) der Künstlerin Michaela Schwarz-Weismann. Sie eröffnet eine Reihe an kulturellen Veranstaltungsformaten, die das historische Gebäude erneut zu einem Treffpunkt der Kreativszene machen sollen.„Mit der Vernissage von Michaela Schwarz-Weismann beginnt ein neues Kapitel der heimischen Kunstgeschichte“, erklärt Ema Kaiser, Initiatorin des Projekts und verweist damit auf die Zwischennutzung des historischen Gebäudes, das im kommenden Jahr wieder seinem einstigen Ruf gerecht werden soll.
„Das Meisterwerk der Belle Époque war Treffpunkt der Wiener Secession und wird nun durch ein vielseitiges Programm an außergewöhnlichen Ausstellungen, Panels, Literaturlesungen und Modeschauen wieder aus dem Dornröschenschlaf geweckt“, beschreibt Kaiser zu dem Projekt. Ausgestattet wird die großzügige Villa im dritten Wiener Gemeindebezirk dafür mit historischen Thonet-Möbeln und Lustern von J. & L. Lobmeyr, die den perfekten Rahmen für die vielschichtigen Arbeiten von Schwarz-Weismann bilden.
Verkehrte Frauenbilder
Kernstück der Ausstellung ist die Serie „verkehrte Frauenbilder“. Bislang malte Michaela Schwarz-Weismann ausschließlich anonyme Frauen – einzeln oder drapiert zu Gruppen, wie bei dem Finale einer Modeschau. Starke Persönlichkeiten, die auf dem Kopf stehend einmarschieren, der Welt als farbintensive Formation entgegentreten und sowohl formal als auch inhaltlich aufzeigen, wie und was alles nach wie vor widersprüchlich und unbefriedigend in der Gesellschaft ist, die sich zwar vordergründig genderkorrekt gibt, jedoch noch weit entfernt von Fairness ist. Für die Ausstellung „listings of dust“ sind es nun erstmals individuelle Frauen, starke Repräsentantinnen, die den Missständen auf ihre eigene Weise begegnen.
Darunter finden sich bekannte Gesichter wie etwa Eva Puchner, Sofie Royer, Elfie Semotan, Verena Altenberger, Ema Kaiser, Renate Bertlmann und Leni Charles wieder. Die verkehrte Hängung der Bilder ist bei Michaela Schwarz-Weismann von konzeptueller Notwendigkeit und aus dem Prozess gewachsen, wie die Welt anders erlebt wird.
Wenn das Patriarchat schläft
Zu der Serie der „verkehrte Frauenbilder“ gesellen sich Bilder der Schaffensreihe „sleeping men“. Auch hier wagt die Künstlerin erstmalig den Schritt vom Anonymen ins Individuelle, wie bei dem Bild „sleeping photographers“, auf dem die beiden Fotografen Eric Asamoa und Jork Weismann verewigt sind. Schlaf wird dabei als Lösungsidee interpretiert, als Moment, in dem der Mensch nicht konsumieren oder Kriege führen kann. Schlaf hat dabei nicht nur positive Auswirkungen auf den Menschen selbst, sondern auch die (Um-)Welt. Gerade schlafende Männer sind laut der Künstlerin ein Symbol für eine gedankliche Entschleunigung des hyperkapitalistischen Turbosystems, das längst entgleist ist.
Stille Zeitgenossen
Um ein Herunterfahren und ein Beruhigen geht es auch in der Serie „all I can offer is silence“, die um neue, großformatige Arbeiten ergänzt wird, die bei der Ausstellung Premiere feiern. Sie zeigen Menschengruppen, die sorgfältig gruppiert in ruhender Position auf der Leinwand verewigt wurden. Sie berühren sich dabei nicht – jeder ist in Gesellschaft und dennoch allein. Der Künstlerin geht dabei um den Moment der Pause und die Idee des „Überschlafens“ – den Moment der Stille in dem Raum für Neues entsteht. Aus der Serie entstanden in weiterer Folge die Bilder „turn“, bei denen die Künstlerin die Personen noch perspektivischer erfasst und dadurch ein Drehen der Bilder möglich macht. Abhängig von der jeweiligen Hängung entfalten sich so gänzlich unterschiedliche Wirkungen.
Abgerundet wird die Ausstellung durch die Serie „second thoughts“, die neu präsentiert wird. Jeweils 24 Portraits aus Interviews mit Simone de Beauvoir, Angela Davis und Hannah Arendt wurden zu einer Filmsekunde verdichtet, die in drei verschiedenen Loops erstmals überlebensgroß projiziert werden. Dem Betrachter wird dabei das Gefühl vermittelt, direkt in die Gemälde einzutreten und Teil des Kunstwerkes zu werden. Zuletzt erweitern die Malereien der Pflanzenserie „Atmosphären“ die Ausstellung um ein Stücken unserer Erde.