StartBusinessKarriereRaus aus den "Pink Ghettos"!

Raus aus den „Pink Ghettos“!

In der Finanzbranche gibt es Abteilungen, die fast ausschließlich weiblich besetzt sind. Auf den Führungsetagen sieht das allerdings noch anders aus. Warum Unternehmen nun verstärkt an Frauen interessiert sind und was die tun können, um schneller voranzukommen.

Zahlen sagen mehr als tausend Worte – besonders, wenn es um Finanzen geht. Hier die erste: 48 Prozent Frauen arbeiten laut dem Statistikportal „Statista“ in der deutschen Bankenbranche. Das klingt nach Ausgeglichenheit zwischen den Geschlechtern, zumindest auf den ersten Blick. Doch lässt man die Augen entlang der Hierarchieleiter weiter nach oben wandern, löst sich dieser Eindruck in (sehr dünne) Luft auf: In den Vorständen der großen deutschen Banken liegt der Frauenanteil nämlich nur bei 14,4 Prozent. Und selbst bei dieser niedrigen Zahl müsste man eigentlich zu Luftsprüngen abheben. Es ist der Höchstwert seit Erhebung der ersten Statistik im Jahr 2006.

Hoher Gender-Pay-Gap in der Finanzbranche

Aber nach Luftsprüngen ist einem so gar nicht zumute, wenn noch eine dritte Zahl ins Spiel kommt. Bei 24 Prozent liegt der Gender-Pay-Gap in der Finanzbranche – und ist damit im Vergleich mit elf weiteren Wirtschaftszweigen der höchste. Das ergab der Gehaltscheck 2023, den die Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu.de durchführte und dafür 560.000 Gehälter in Deutschland auswertete. Zahlen wie diese befeuern Regina Lindners Leidenschaft für ihren Job. Sie ist Managing Partnerin bei Hunting/Her, einer auf das Recruiting von hochqualifizierten Frauen spezialisierte Personalberatung mit Sitz in Hamburg. „Im europäischen Vergleich der Frauen in Vorstandsetagen liegt Deutschland abgeschlagen auf Platz 24, sodass es hier noch viel zu tun gibt.


„Wir verzeichnen eine deutlich gestiegene Nachfrage im Female Executive Search.“ Regina Lindner, Managing Partnerin bei Hunting/Her

Das Thema Chancengleichheit ist bei uns viel zu langsam fortgeschritten“, sagt die 55 Jährige. Immerhin: „In meinen acht Jahren bei Hunting/Her hat sich viel getan. Wir verzeichnen eine deutlich gestiegene Nachfrage im Female Executive Search quer durch alle Branchen. Abgesehen von demographischen und gesellschaftlichen Gründen für die Nachfrage nach passenden Führungsfrauen freut uns besonders das authentische Interesse am Aufbau gemischter Führungsteams.“

Neue EU-Richtlinie mit Frauenquote in Aufsichtsräten

Motivierend für Arbeitgeber*innen wirkt sicher auch eine neue Richtlinie, die das Europäische Parlament Ende 2022 beschloss: Bis 2026 müssen alle großen börsennotierten Unternehmen in der EU dafür sorgen, dass mindestens 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt sind. Ob es diesmal klappt? „2001 gab es eine Vereinbarung der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft zur Erhöhung des Frauenanteils. Aber mehrere Studien haben ergeben, dass sich die Chancen für Frauen seither kaum verbessert haben“, betont Regina Lindner.

Mehr Frauen auf der Führungsebene – das sei eine Entwicklung, die nicht von heute auf morgen passieren könne, sagt Nadine Lemor, 45. Sie selbst bekleidet einen führenden Posten in der Finanzbranche: Die Wahl-Bayerin ist Senior Client Executive bei der schwedischen Bankengruppe Skandinaviska Enskilda Banken (SEB) und kümmert sich vom Münchner Büro aus um Kund*innen der Bank. Zu diesen zählen Unternehmen wie DHL, Mercedes-Benz und die Rewe Group. Lemor, die zu Beginn ihrer Karriere eine Lehre zur Bankkauffrau machte, dann Betriebswirtschaft studierte und unter anderem in Luxemburg und London für Banken arbeitete, beschäftigt sich heute mit einer Vielzahl von Finanzprodukten, darunter Working Capital Management, Anleihen, Schuldscheine und Risikomanagement. „Ich muss unsere Kund*innen in Sachen Finanzentscheidungen bestmöglich beraten. Eine verantwortungsvolle Rolle.“

Erst Elternzeit, dann Karriereknick

Damit sitzt Nadine Lemor nicht in einem der sogenannten „Pink Ghettos“ der Finanzbranche. So werden Abteilungen wie Personal, Marketing und Compliance bezeichnet, die laut einer aktuellen Umfrage der Beratungsgesellschaft KPMG, dem Netzwerk Fondsfrauen und der Universität Mannheim größtenteils weiblich besetzt sind. Im Portfoliomanagement haben Frauen dagegen nur ein Fünftel der Stellen inne.

Nadine Lemor sagt, sie habe es in diesem Business nie als Nachteil empfunden, eine Frau zu sein. „Ich hatte manchmal das Gefühl, dass ich mehr rödeln muss als mancher Kollege. Aber prinzipiell gilt: Frauen können in Banken genauso Karriere machen wie Männer.“ Ein schwieriger Punkt – und einer der Gründe für fehlende Frauen in den oberen Etagen – sei die Familienplanung. „Wenn Frauen nach der Elternzeit nur noch Teilzeit arbeiten, kommt es oft zum Karriereknick.

„Ich habe es nie als Nachteil empfunden, eine Frau zu sein. Prinzipiell gilt: Frauen können in Banken genauso Karriere machen wie Männer.“ Nadine Lemor, Senior Client Executive, Bankengruppe Skandinaviska Enskilda Banken (SEB)

Ab und zu liegt das sogar an den Frauen selber: Manche haben Bedenken, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen und bewerben sich von vornherein nicht für bestimmte Managementpositionen“, sagt Nadine Lemor. Aus Arbeitgebersicht sei der Wunsch nach Teilzeitarbeit lange als Makel betrachtet worden. „Aber da hat sich viel getan. Unternehmen in der Finanzbranche tun viel, damit sich die Familie ins Berufsleben integrieren lässt. Mittlerweile teilen sich sogar Führungskräfte Stellen.“ Dazu komme die Möglichkeit des Homeoffice sowie flexible Arbeitszeiten.

Nadine Lemor hat selbst zwei Töchter im Teenageralter. „Als die beiden klein waren, war Homeoffice nur im Notfall möglich.“ Nach ihren Schwangerschaften kehrte Lemor Vollzeit in den Beruf zurück. „Wir haben unseren Alltag mithilfe von Au-pairs organisiert. Das war noch eine andere Zeit. Umso mehr freue ich mich über das, was heute möglich ist. Das hätte ich mir damals schon gewünscht.“ Mit Flexibilität und gutem Willen auf beiden Seiten sei „nahezu alles“ möglich, sagt Lemor. „Meine Erfahrung mit Teilzeit-Mamas ist, dass sie alles perfekt erledigen, weil sie froh sind, ihr Modell leben zu können. Umso mehr das funktioniert, desto mehr Frauen trauen sich, es nachzumachen. Wir Frauen müssen uns unterstützen und gut zusprechen. Da geht noch mehr!“

Aktiv Ausschau halten

Netzwerken sei für sie ein wichtiger Aspekt. „Gerade bei uns Frauen, da wir nicht so gut darin sind, Fäden zu spinnen wie Männer. Ich hatte immer eine Mentorin an der Seite, die mich auf positive Weise aus meiner Komfortzone geholt hat.“ Ihr Rat an den weiblichen Finanznachwuchs: Nicht (vielleicht vergeblich) darauf warten, dass man entdeckt wird. „Aktiv Aus schau halten! Mich hat mal eine junge Mitarbeiterin angerufen und gefragt, ob ich mich nicht mit ihr austauschen wolle. Wer sagt da schon nein? Unsere Gespräche waren bereichernd für beide Seiten.“

Wie andere Banken hat auch die SEB ein Mentoringprogramm für Frauen initiiert: „Finance is Female“ bringt Berufseinsteigerinnen mit Entscheider*innen aus der Branche zusammen und unterstützt sie so dabei, ihr eigenes Netzwerk aufzubauen. Auch beim Recruiting spreche man gezielt weibliche Kandidatinnen an. „Wenn wir uns in Hochschulen vorstellen, kommen inzwischen immer Frauen mit, damit die Studentinnen sich wohler fühlen“, erklärt Nadine Lemor. Manchmal ist Überzeugungsarbeit nötig, denn nach Finanzskandalen und -krisen haben Banken ein Image-Problem, das sie potenzielle Bewerber*innen kostet. Die Deutsche Bank gab kürzlich dem „Handelsblatt“ preis, dass derzeit jeder fünfte Ausbildungsplatz offen bleibe.

Ob dazu auch der Serien-Hit „Bad Banks“ von 2018 beigetragen hat, in dem sich alles um Gier, Sex, Macht und Drogen dreht? Nadine Lemor muss lachen, als dieser Titel im Gespräch fällt. Sie habe die Serie gesehen. „Aber“ – und das ist die letzte Zahl in diesem Text – „95 Prozent aller Bankangestellten werden so etwas nie erleben. Früher war’s vielleicht mal ein bisschen so. Heute herrscht ein respektvolles Miteinander ohne Anzüglichkeiten.“ Die Finanzbranche wandelt sich, wenn auch langsamer als erhofft. „Aber es geht in die richtige Richtung“, sagt Nadine Lemor zuversichtlich.


Wann ist die Zeit reif für eine Frauenbank?

In ihrem Business-Podcast „Fast & Curious“ verrieten die Investorinnen Lea-Sophie Cramer und Verena Pausder, dass sie 2021 die Idee hatten, eine Frauenbank zu gründen. „Aber jede Bank, die wir interviewten und jede FinTech-Firma, mit der wir sprachen, sagte: ,Wirklich? Wir können die Frauen nicht knacken. Die investieren nicht‘“, erzählt Cramer. Es gebe einfach nicht genug Kundinnen, die ihr eigenes Vermögen anlegen würden.

„Noch ist es kein Business Case“, fügte Pausder hinzu. „Wir ließen die Idee nach drei Monaten wieder fallen.“ In Deutschland gab es schon einmal eine Bank von Frauen für Frauen: die 1910 in Berlin gegründete „Genossenschaftsbank selbständiger Frauen“, die ihre Kundinnen bei der Tätigung von Finanzgeschäften unterstützte. Doch das Projekt scheiterte, 1915 meldete die Frauenbank Konkurs an. Alle guten Dinge sind ja bekanntlich drei. Wann startet wohl jemand den nächsten – hoffentlich erfolgreichen – Anlauf?


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