Frau Salkic, woraus ist die Intention entstanden, #sheCodes zu gründen?
In der HTL waren wir nicht viele Mädchen, in meinem Studiengang Data Science auf der Montanuniversität Leoben sind von 30 Student:innen nur zwei Frauen und in meiner Funktion als Studentische Mitarbeiterin im Device Platform Development bei der AVL bin ich die einzige Frau in der Abteilung. Auch wenn ich es mittlerweile gewohnt bin, in einem männerdominierten Team zu arbeiten, frustriert es mich, dass wir so wenige Frauen sind. Und als Frau mit Kopftuch bin ich sowieso die absolute Ausnahme. Da habe ich beschlossen, ich muss etwas machen.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der IT-Branche dermaßen unterrepräsentiert sind?
Unternehmen bieten heute entsprechende Projekte und Rahmenbedingungen, um Frauen für die Tech-Branche zu begeistern und ihnen den Einstieg zu erleichtern, wie etwa eigene Women Weeks zum Schnuppern oder Home Office Regelungen für die Vereinbarkeit von Job und Familie. Mein Abteilungsleiter bei der AVL hat mir erzählt, dass er sogar intensiv nach Frauen für sein Team sucht, weil sie eine andere Perspektive und Ideen einbringen würden, und trotzdem bewerben sich zu wenige. Genau das hat mich zum Nachdenken gebracht.
Das Problem liegt also nicht bei den Unternehmen. Ist es fehlendes Interesse?
Meiner Meinung nach ist es nicht so, dass Frauen sich nicht für technische oder IT-Themen interessieren. Viele trauen sich einfach nicht, weil die Branche so männerdominiert ist. Vor allem trauen es sich viele selbst nicht zu oder glauben, sie seien nicht intelligent genug. Wir Frauen tendieren dazu, uns einzureden, ich kann das nicht, ich bin für technische Berufe nicht geschaffen. Die Sache ist aber: Niemand ist für Tech-Berufe geschaffen, jede:r muss und kann es lernen!
„Wenn man Mädchen für die Tech-Branche begeistern möchte, müssen Frauen diese Message überliefern.“
Was braucht es also, um mehr Mädchen und Frauen für technische Berufe zu begeistern? Wo muss man ansetzen?
Ich kenne viele Mädchen und junge Frauen, die das Potenzial und das Interesse dafür hätten, eine Karriere in der IT anzustreben. Was fehlt, ist eine Plattform, ein niederschwelliger Zugang, wo sie die ersten Schritte machen können. Sei es für Quereinsteigerinnen aus anderen Branchen oder für Schülerinnen, die sich für ein Studium entscheiden wollen. Es braucht jemanden, der ihnen zeigt: Du kannst das! Zusätzlich muss man auch schon viel früher ansetzen und spätestens in der Unterstufe Mädchen ermutigen, sich für beispielsweise eine HTL zu entscheiden. Und ganz wichtig ist: Wenn man Mädchen für die Tech-Branche begeistern möchte, müssen Frauen diese Message überliefern. Mädchen müssen sich identifizieren können, sie brauchen weibliche Vorbilder.
Ihr Projekt #sheCodes setzt nun genau dort an. Frauen können mit Ihnen als Tutorin das Programmieren erlernen und sich darüber hinaus sowohl mit Kolleginnen aus der Branche als auch mit Unternehmen vernetzen. Wie wird ihr noch sehr junges Projekt (Anm. gegründet am 1. August 2023) angenommen?
Einige meiner Teilnehmerinnen haben bereits versucht, sich mit diversen Unterlagen selbst das Programmieren beizubringen, was natürlich um ein Vielfaches schwieriger ist, als von einem Profi zu lernen. Von einer Frau zu lernen, die Möglichkeit zu haben, sich zu vernetzen und in ein Unternehmen zu schnuppern, sind die Gründe, warum sich schon zahlreiche Frauen für meinen Online-Kurs ab September angemeldet haben. Besonders freut mich, dass Frauen aller Altersgruppen teilnehmen, jede Frau ab 15 Jahren ist willkommen.
Was sind Ihre Ziele für die Zukunft und was möchten Sie mit #sheCodes erreichen?
In erster Linie möchte ich Frauen dazu ermutigen, den ersten Schritt zu wagen und an sich selbst zu glauben. Der sechsmonatige Programmierkurs ist für Anfängerinnen gedacht, man lernt die Grundlagen, die man für weiterführende Ausbildungen braucht. Man ist danach kein Profi und das möchte ich auch nicht vermitteln, sondern den Teilnehmerinnen den Einstieg erleichtern. Ich habe geplant, in Zukunft auch Fortgeschrittenenkurse anzubieten, aber mir zuerst einmal anzusehen, wie es mir und den Teilnehmerinnen bei den Anfängerkursen geht. Auf jeden Fall möchte ich ein Netzwerk schaffen, wo sich #sheCodes Teilnehmerinnen und Absolventinnen mit Frauen, die in der Branche bereits erfolgreich sind, sowie mit Tech-Unternehmen vernetzen und inspirieren lassen können.
Über #sheCodes
#sheCodes ist eine Initiative, die es sich zur Mission gemacht hat, Frauen in die Welt des Programmierens einzuführen. Die Gründerin Merisa Salkic (22) möchte die Ungleichheit in der Tech-Branche verringern, indem sie Frauen eine Plattform bietet, um in einer von Männern dominierten Industrie Fuß zu fassen. #sheCodes ist aber mehr als nur ein Lernprogramm: Es ist eine Gemeinschaft von Frauen, die sich gegenseitig ermutigen, unterstützen und inspirieren. Die Idee von #sheCodes ist es, nicht nur kurzfristig zu unterstützen, sondern den Teilnehmerinnen die Werkzeuge zu geben, die sie benötigen, um langfristig in der Technologiebranche erfolgreich zu sein.
Mehr dazu: https://www.shecodes23.com/