Der Bruch war ebenso unerwartet wie abrupt. Von einer auf die andere Woche wurden Nicola Tiggeler die Bretter, die die Welt bedeuten, unter den Füßen weg- gezogen. Keine Auftritte mehr – Tournee gecancelt. Eine Schauspielerin im Home- Office? Geht so etwas? Ja, zumindest für Künstler, die vielseitig aufgestellt sind. Nicola Tiggeler – steht ihr ganzes Berufsleben lang schon vor der Kamera, dem Mikrofon und auf der Bühne. Neben langjährigen Theaterengagements und Tournee-Theaterproduktionen ist sie vielen aus verschiedenen Fernsehfilmen und -Serien bekannt, z.B. als Intrigantin in Europas erfolgreichster Telenovela „Sturm der Liebe“.
Als Schauspielerin, aber vor allem auch als Trainerin sind Sprechen und Stimme Ihre Passion. Von den Einschränkungen durch die Pandemie sind Sie beruflich quasi doppelt betroffen. Wie sieht Ihr Leben in diesen Tagen, Wochen und Monaten aus?
Als Schauspielerin bin ich in der Tat sehr eingeschränkt. Eigentlich hätte ich zu Jahresbeginn eine Wiederholungstournee unseres Erfolgsstücks „Eine Stunde Ruhe“ gespielt. Leider fällt die wie sämtliche anderen Kulturveranstaltungen aus. Das ist nicht nur finanziell bitter, sondern es fehlt tatsächlich die schöne und wichtige Berufsroutine, jeden Abend auf einer anderen Bühne zu stehen und zu spielen. Meine „Theaterstimme“ wird seit März letzten Jahres nicht gefordert. Da heißt es selber üben. Im Frühjahr ist eine Freilicht-Version geplant, und im Herbst werden wir mit einem neuen Stück auf Tour gehen. Ich hoffe sehr, dass Beides stattfinden kann. Immerhin hatte ich zwischendurch ein paar Drehtage und Synchronarbeiten.
Als Trainerin wurden natürlich auch bei mir fast alle Präsenztrainings innerhalb der Unternehmen abgesagt. Das wird sich hoffentlich in der zweiten Jahreshälfte wieder ändern. Umso dankbarer bin ich, dass manche Einzelcoachings auch in Präsenz in meinem Studio stattfinden und ich ansonsten online arbeiten kann. Das klappt wirklich erstaunlich gut und hat mir nochmal einen ganz neuen, weit über Deutschland hinausgehenden Kundenkreis erschlossen.
Rückblick: vor einem Jahr galten virtuelle Meetings eher als eine exotische Randerscheinung und waren eigentlich nur bei Konferenzen mit Partnern auf anderen Kontinenten akzeptiert. In nur zwölf Monaten scheinen virtuelle Meetings über ZOOM und andere gesellschaftlichen Video-Chats den Durchbruch geschafft zu haben. Was hat sich in dieser kurzen Zeit getan? Und wie verändert diese Entwicklung unsere Kommunikation?
Wenn ich bedenke, wie komplett anders meine Kommunikation aussieht, sowohl beruflich wie auch privat, bin ich immer wieder überrascht. Noch vor einem Jahr hätte ich gerade bei meinem Thema Stimme und Körpersprache nicht gedacht, dass diese Arbeit überhaupt in den digitalen Raum zu verlegen ist. Und jetzt gebe ich mit relativer Selbstverständlichkeit Online Coachings, Seminare oder halte Vorträge. Dabei hat geholfen, dass ich schon sehr bald gezwungen war, meine 1-1 Coachings digital anzubieten, sonst wäre ich arbeitslos gewesen. So habe ich meine Technik-Scheu oder auch Bequemlichkeit ablegen müssen. Und deswegen habe ich zusätzlich eine Ausbildung als eTrainerin gemacht. Trotzdem liebe ich und freue mich auf jede Live Situation.
Die Generation meiner Kinder, die jetzt beide online studieren, tut sich da natürlich leichter. Aber auch die vermissen den echten Austausch in der lebendigen Begegnung.
Praktisch gefragt: auf was ist zu achten, wenn sich frau mit ihren Geschäftspartnern vom Home-Office virtuell in Konferenzen einschaltet?
Meiner Erfahrung nach sind sich Viele immer noch zu wenig ihrer optischen wie akustischen Wirkung bewusst. Deswegen ist schon mal das Setting wichtig, also Licht und Ton. Eigentlich sollte das inzwischen eine Selbstverständlichkeit sein. Aber immer noch erlebe ich Gesprächsteilnehmer*innen, die sprichwörtlich ihr Licht unter den Scheffel stellen: also schlecht oder gar nicht ausgeleuchtet sind oder vor sehr merkwürdigen Hintergründen agieren und kaum verständlich sprechen. Die Investition in ein gutes Licht und ein anständiges Mikrofon lohnt sich meiner Meinung nach sehr. Dazu braucht es keine Profi-Ausstattung.
Welche Spielregeln sind zu befolgen, um bei virtuellen Meetings in jeder Hinsicht den richtigen Ton bzw. Aufmerksamkeit zu finden – welche Rolle spielen Kleidung, Körperhaltung – die non-verbale Kommunikation?
Neben den gerade genannten Faktoren spielt das berühmte Selbstbewusstsein eine große Rolle. D.h., ich nehme mich selbst nach innen und meine Wirkung nach außen wahr. Dazu gehört mit Sicherheit ein Äußeres – also Kleidung und Styling – mit dem ich mich selbst wohlfühle, aber auch im echten Leben gesehen werden möchte. Ebenso ist die Körperhaltung auch vor der Kamera entscheidend, im Sitzen wie im Stehen. Gut aufgerichtet fühle ich mich erstens besser, und zweitens kann ich besser atmen. Also sehe ich schöner aus und klinge angenehmer. Ein großer Gewinn für alle Beteiligten. Ich selber arbeite übrigens fast ausschließlich im Stehen.
Gestik und Mimik sollten auch vor der Kamera lebendig mitsprechen dürfen, und das Sprechverhalten dynamisch bleiben: gute Pausen, Betonungen und Variabilität.
Lässt sich die Stimme entsprechend trainieren?
Da ist das Training nicht anders als für die Präsenz im echten Leben. Es geht immer um Körperwahrnehmung, Atemtraining und Klang- und Artikulationsübungen. Im Kontext mit der Kamera sprechen wir zwar nicht so groß wie auf einer Rednerbühne, aber das berühmte Senden und Empfangen – also echte Kommunikation – findet bitte auch hier unbedingt im dialogischen Sinne statt.
Was ist Ihre persönliche Einschätzung: wird die über Jahrzehnte gelernte Kultur unserer analogen Geschäftsmeetings nach Beendigung der Pandemie wieder zurückkehren? Oder werden wir uns darauf einzustellen haben, auf Dauer einen Großteil unserer beruflich bedingten Gespräche über eine Kamera zu führen?
Ganz ehrlich: ich hoffe Beides! Nach dieser langen Zeit der Beschränkung der persönlichen Kontakte und des gemeinsamen Erlebens braucht es all das, was uns Menschen und unsere Kommunikation ganz ursprünglich ausmacht. Ich denke, die Sehnsucht nach dem erlebbaren, also unmittelbar hör-, sicht- und fühlbaren Austauschs ist da, vielleicht mehr denn je und mit größerer Wertschätzung. Und trotzdem haben wir alle sicher auch die ganz vielen Vorteile der digitalen Kommunikation verinnerlicht. Ich freue mich auf „alte“ Begegnungsformen im Training und auf der Bühne. Und ich bin dankbar für alle „neuen“ Kommunikationsformen. Ohne diese aktuelle Notwendigkeit hätte ich zumindest eine Menge zu lernen verpasst.
Welche Netzwerke empfehlen Sie persönlich?
Ich für mich habe entschieden, dass ich nicht auf allzu vielen Hochzeiten tanzen kann. Deswegen schätze ich ganz viele Netzwerke wie beispielsweise fim, F.i.d.AR u.a. Als Interessentin bin ich dort auf vielen Veranstaltungen dabei und halte auch immer wieder Vorträge. Für mich besonders wichtig sind die WOMAN’s von Monika Scheddin und auch das Nettwerk von Christiane Wolff. Tolle, persönliche und unterstützende Netzwerke. Außerdem verbindet mich mit beiden Frauen eine wunderbare Freundschaft.
Links von Nicola Tiggeler
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