StartBusiness„Nicht müde, für Gleichstellung zu kämpfen“

„Nicht müde, für Gleichstellung zu kämpfen“

Wie man Geld- und Wirtschaftswissen lebensnahe an Menschen bringen kann, zeigt Gerda Holzinger-Burgstaller unter anderem in diesem Gespräch mit SHEconomy. Die neue CEO der Erste Bank Oesterreich über männliche und weibliche Finanzsprache, die Sinnlosigkeit eigene Finanzprodukte für Frauen herzustellen und Ihre ganz persönlichen Prioritäten 

SHEconomy: Erst kürzlich haben Sie eine höchst interessante Studie veröffentlicht zum Thema Frauen und Finanzen. Die Ergebnisse sind teilweise erschreckend: So sind 30 Prozent der österreichischen Frauen auf eine finanzielle Unterstützung angewiesen. Welchen Beitrag kann man als Bank dazu leisten, dass sich dies verbessert?

Gerda Holzinger-Burgstaller: Mit den Finanzen der Frauen steht es nicht zum Besten. Einerseits ergibt sich eine Abhängigkeit der Frauen dadurch, dass sie in Österreich noch immer rund 20 Prozent weniger verdienen als Männer. Das resultiert nicht zuletzt daraus, dass sie deutlich öfter als Männer in Teilzeit arbeiten, meist auch in schlechter bezahlten Branchen oder durch Karenzzeiten häufigere Karriere-Unterbrechungen haben. Das schlägt sich auf das Gehalt und nicht zuletzt auch auf die Pensionshöhe, die deutlich geringer ist, nieder. Andererseits setzen Frauen bei der eigenen Vorsorge zu sehr auf Sicherheit – und mit Sparbüchern allein lässt sich heute  kein Vermögen für das Alter aufbauen. Hier können wir als Bank einen Beitrag leisten, denn Finanzbildung ist eine zentrale Voraussetzung, wenn es darum geht, richtig vorzusorgen. Das wünschen sich die Österreicherinnen auch. Laut aktueller Studie würden 27 Prozent der Frauen mehr in Wertpapiere investieren, wenn sie mehr Wissen dazu hätten. 

Auch wenn man die restlichen Zahlen liest – etwa, dass 77 Prozent der Frauen sich eine finanzielle Unabhängigkeit wünschen, aber nur 64 Prozent der Männer diese als wichtig erachten – hat man das Gefühl noch mitten in den 1950-er Jahren zu leben. Warum hinkt Österreich hier so hinterher?

Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung hier die Gleichstellung der Geschlechter weiter zu forcieren. In der Erste Bank versuchen wir durch unterschiedlichste Maßnahmen wie MentorInnenprogramme, gleiche Bezahlung und gezielte Karriereförderungen für Frauen, diese Missstände zu beheben. Aber auch wir haben noch einen Weg vor uns. Ich werde nicht müde, hier für die Gleichstellung der Frauen in unserem Unternehmen zu kämpfen.

In Ihrer Studie steht weiter: 89 Prozent wollen Finanzbildung in der Pflicht- und weiterführenden Schulen, 82 Prozent auf den Universitäten. 67 Prozent wünschen, dass Banken und Sparkassen dieses Wissen vermitteln. Gibt es – zusätzlich zu FLiP- weitere Pläne seitens der Erste Bank in diese Richtung?

FLIP ist Europas größter Finanzbildungspark, den wir 2016 ins Leben gerufen haben. Mit der spielerischen und digitalen Wissensvermittlung haben wir Finanzbildung in die Gegenwart geholt und über 40.000 Jugendlichen die wichtigsten Basisfakten über Finanzen nähergebracht. Hier gibt es auch konkrete Pläne für spezielle Frauenführungen, die wir leider aufgrund der Pandemie bislang noch nicht durchführen konnten. Wir wollen Finanz- und Wirtschaftswissen lebensnah an die Menschen bringen.  Nur so schaffen wir es, die finanzielle Selbstverantwortung und das Risikobewusstsein der ÖsterreicherInnen insgesamt zu fördern. Zudem sollte auch die Ausbildung der LehrerInnen in puncto Finanzwissen unterstützt werden. Die ERSTE Stiftung mit ihrem Vorsitzenden Andreas Treichl engagiert sich hier gemeinsam mit den öffentlichen Vertretern sehr intensiv für eine Verbesserung der Lage in Österreich. Seit Mai 2020 läuft im Bundesministerium für Finanzen dieses Projekt zur Erarbeitung einer nationalen Finanzbildungsstrategie für Österreich.

Wie erreicht man überhaupt eine Frau mit dem Angebot, Wissen zu vermitteln?

Sich mit dem Thema Finanzen auseinander zu setzen, ist eine wichtige Investition in die Zukunft. Wer das macht, hat schon gewonnen. Hier gibt es einen großen Wandel und besonders junge Frauen sind an Finanzbildungsangeboten sehr interessiert. Das merken wir in der Bank, und es zeigt sich nicht zuletzt in den zahlreichen weiblichen Finanzblogs wie Madame Moneypenny, HerMoney oder Geldfrau, wo sich hunderttausende Frauen über Geldthemen austauschen. Was auffällt ist, dass Frauen sehr viel gewissenhafter Finanzentscheidungen fällen und genauer nachfragen, welche Vor- und Nachteile, aber auch Risiken gewisse Finanzprodukte bergen.

Was kann unternommen werden, um das Vertrauen der Menschen, speziell aber von Frauen in Wertpapiere zu stärken?

Wertpapiere sind ganz klar ein Finanzbildungsthema. Leider besteht insgesamt in Österreich noch zu viel Unwissenheit zu diesem Thema. Doch genauso wie man sich bei einem neuen Fernseher oder auch Waschmaschine umfassend bei einem Neukauf informiert, sollte man auch beim Thema Geldanlage Zeit investieren, sich umfassend zu informieren. Man muss sich vor Augen halten, dass sich das wirklich lohnen kann. Natürlich ist ein Sparbuch ein sicheres und einfaches Produkt, aber aufgrund der niedrigen Zinsen lässt sich mit einem Sparbuch allein kein Vermögensaufbau erzielen. Das zeigt ein Vergleich. Bei einer zehnjährigen Veranlagung von 10.000 Euro auf einem Sparbuch mit einer Verzinsung von 0,28 Prozent kommen am Ende der Laufzeit nominell 10.282 Euro heraus. Berücksichtigt man dabei auch die durchschnittliche Inflation von 1,64 Prozent über die vergangenen zehn Jahre, dann ist der reale Wert am Sparbuch nur noch 8.633 Euro. Einen Inflationsschutz oder Erträge, die darüber hinausgehen, dürfen AnlegerInnen heute nur mit anderen Instrumenten wie beispielsweise Wertpapieren erwarten. Es gibt eine breite Palette von Wertpapieren, in die man investieren kann – von sehr sicher bis sehr dynamisch. Bei jeder Veranlagung sind natürlich die individuelle Situation, der Risikoappetit und die Laufzeit jeder Kundin ganz wesentlich. Wir haben hier auf eine spezielle Ausbildung unsere weiblichen Beraterinnen gesetzt, da wir gelernt haben, dass die finanztechnische Fachsprache für viele zu männlich ist und daher Frauen absolut nicht anspricht. 

Bietet Sie eigene Fonds für Frauen an? Beziehungsweise auf welche Form von Wertpapieren reagieren Frauen besonders positiv?

Eigene Produkte für Frauen zu konzipieren, erscheint uns wenig sinnvoll und würde die Ungleichbehandlung der Geschlechter nur weiter befeuern. Zudem lässt sich für jeden Anlegertyp mit den unterschiedlichsten Risikoneigungen auch ein entsprechendes Portfolio zusammenstellen. Gleichzeitig haben zum Beispiel Forscher der Universität Berkeley in psychologischen Tests festgestellt, dass Männer anfälliger für Selbstüberschätzung sind als Frauen. Das gelte besonders in männlich dominierten Bereichen wie Finanzen. Die Folge: vorschneller Aktionismus. Männer kaufen und verkaufen ihre Aktien schneller.  Das sei an der Börse oft kontraproduktiv:  Die Erträge der Männer reduzieren sich so mehr als bei Frauen. Ein weiterer Grund: Wenn Frauen am Kapitalmarkt teilnehmen, schätzen sie vor allem Fonds. Während Männer mehr Geld in Einzelaktien anlegen, streuen Frauen das Risiko stärker.

Stichwort: Bargeld-Abschaffung. In Österreich ein ungeliebtes Thema – wie stehen Sie dazu?

Seit Ausbruch der Corona-Krise hat die Kartenzahlung einen regelrechten Boom bei den Österreichern erlebt. Erstmalig in der Geschichte wurden im Jahr 2020 in Österreich mehr als 1,2 Mrd. Transaktionen mit Debitkarten abgewickelt. Trotzdem lieben die ÖsterreicherInnen Bargeld; das zeigt auch eine aktuelle Studie der Erste Bank. 48 Prozent könnten sich vorstellen, dass sie wieder verstärkt zum Bargeld zurückkehren. 49 Prozent hingegen sehen die verstärkte Nutzung von Karten als dauerhaft an. Durch die Pandemie sind vielen die Vorteile von digitalem Geld vor Augen geführt und auch Berührungsängste abgebaut worden. 

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), macht sich für die Einführung eines E-Euro stark. Droht da nicht Gefahr, dass die Banken ausgeschaltet werden? 

Es gibt hier von einigen Marktteilnehmern bedenken, die EZB selbst befindet sich hier noch in einer sehr frühen Phase und diskutiert gerade allfällige Vor- und Nachteile. Es bleibt abzuwarten, wie ein solcher E-Euro letztendlich aussehen würde.

Ein paar Fragen zur allgemeinen, aktuellen Lage: 

Stichwort drohende Pleitewelle von KMUs und den damit drohenden Kreditausfällen. Wie wappnet sich die Erste?

Wir gehen davon aus, dass nach dem Auslaufen der staatlichen Hilfsmaßnahmen zwar mit einem Anstieg von Insolvenzen zu rechnen ist, aber eine große Pleitewelle sehen wir derzeit nicht. Die Erste Group hat für drohende Kreditausfälle nach der Pandemie knapp 1,3 Milliarden Euro an Vorsorgen gebildet. Hiermit sehen wir uns für mögliche Ausfälle gut gerüstet.

Nach 1 Jahr Corona droht vor allem Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen bzw. Teilzeit Arbeitslosigkeit. Das hätte auch Folgen für eine Kundenschicht der Erste, plant man da spezielle Maßnahmen?

Wir haben im vergangenen Jahr Kredite in der Höhe von XX Millionen Euro gestundet. Das war für alle KundInnen eine große Hilfe. Seit Februar ist das gesetzliche Kreditmoratorium ausgelaufen und nun sollten die Kreditraten wieder bedient werden. Wer dadurch in Schwierigkeiten gerät, sollte mit seiner Kundenbetreuerin oder seinem Kundenbetreuer Kontakt aufnehmen, und wir bemühen uns um gemeinsame Lösungen. 

Zum Schluss zu Ihnen persönlich: Wie wollen Sie der Bank Ihren Stempel, aufdrücken – wohin wollen Sie die Erste führen?

Eine wichtige Priorität hat noch immer die Pandemie. Nach der Gesundheitskrise gilt es nun auch die wirtschaftlichen Folgen im Auge zu haben und die Zeitspanne bis möglichst viele Menschen geimpft sind bestmöglich zu nutzen. Ich werde unsere beiden wichtigsten Faktoren – Mensch und digitale Kompetenz – in den Dienst der Absicherung der finanziellen Gesundheit unserer KundInnen stellen. Ganz im Sinne unseres 200 Jahre alten Gründungsgedanken. 

Wie stehen Sie zu einer verpflichtenden Quote für ATX-Konzerne, wie sie etwa in Deutschland nun bei DAX-Unternehmen eingeführt wird? 

Der Mangel an weiblichen Führungskräften in Österreich ist auffällig und ich bin davon überzeugt, dass es nicht an der Qualität der Frauen liegt. Von insgesamt 88 Vorstandsmitgliedern der ATX-Unternehmen sind nur sechs weiblich. In 15 Vorständen sitzt gar keine Frau. Aber die Frauen in Spitzenpositionen werden allmählich mehr und das ist gut so. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, Diversität in all ihrer Vielfalt im eigenen Haus zu fördern. Wir waren in der Erste Bank hier immer Vorreiter und haben bereits eine 40Prozent-Quote. Diverse Teams sind einfach erfolgreicher und ohne Quote wird es in einer Übergangsphase nicht gehen.

Wie haben Sie das Krisenjahr 2020 erlebt? Gibt es auch positive Aspekte? 

Im vergangenen Jahr wurde ich zur Vorstandsvorsitzenden der Erste Bank  berufen, und das war für mich persönlich mit Sicherheit eine sehr positive Erfahrung, die aber gerade in einer Phase, wie wir sie derzeit erleben, auch eine große Verantwortung ist. Ich freue mich darauf, meinen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten und dass ich in dieser Position natürlich auch entsprechende Möglichkeiten habe. Eine positive Erfahrung 2020 war, dass die Menschheit, unsere Gesellschaft und unsere Familien wieder mehr zusammenstehen und wir, trotz kleineren Querelen, alle unser Bestes geben, aus dieser schwierigen Phase wieder schnellstmöglich herauszukommen. Zum Beispiel wurde in nur einem Jahr ein Impfstoff entwickelt. Vor einem Jahr wäre das noch undenkbar gewesen. Aber durch eine internationale Zusammenarbeit der Staaten, Forschung, Industrie und Wirtschaft ist der Menschheit dieses Meisterstück geglückt. 

Sie sind seit 2006 im Bankenbusiness – Berufung?

Es war nicht mein ursprünglicher Plan, aber was mich an der Idee in einer Bank zu arbeiten wirklich begeistert und schlussendlich überzeugt hat, ist die Möglichkeit der Bank als Multiplikator in viele Wirtschaftszweige hineinzuwirken und Wirtschaft mitzugestalten. 

Timeline:

Die Karriere von Gerda Holzinger-Burgstaller

2021 – CEO der Erste Bank Oesterreich

2019 – CFO und CRO im Vorstand der Erste Bank Oesterreich

2016  Leiterin des Gruppensekretariats

2013 – Gruppensekretariat, Stellvertretender Leiterin des Gruppensekretariats, Leiterin der Gruppe Prudential Affairs

2012 – Gruppenstrategie & Partizipationsmanagement, Senior Manager

2011 – Büro des Vorsitzenden, Leiterin der Unterstützung des Vorsitzenden

2010 -– University of Economics and Business, Vienna, Austria Master of Business Law (Magisterium) 

2006 – Eintritt Erste Bank im Generalsekretariat der Gruppe

2003 – University of Economics and Business, Vienna, Austria Master of Business Administration (Magisterium) 

Fotomaterial© Marion Payr

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