StartInnovationNew WorkNew Work: Neue Treffpunkte und "dritte Orte" statt Konzernzentrale

New Work: Neue Treffpunkte und „dritte Orte“ statt Konzernzentrale

Innovative Co-Working-Projekte im ländlichen Raum schaffen für Unternehmen und Kommunen neue Perspektiven für Arbeit und Leben. Zwei New Work-Beispiele mit Pioniercharakter.

 

Lagerfeuer und Grillen – danach fragen die meisten Gäste, wenn sie nach Neuhof an der Zenn kommen. Doch hier geht es nicht um Urlaubs-Romantik. Die anreisenden Gruppen kommen aus Unternehmen und suchen auf dem „Hammerhof“ oder dem „Gutshof Neun“ Inspiration für neues Arbeiten und Weiterbildung im ländlichen Raum.

„Die Konzernzentrale hat als einziger Arbeitsort ausgedient. Wir brauchen neue Treffpunkte und dritte Orte“, weiß Sabine Sauber. Sie ist die Geschäftsführerin der „Neue Höfe GmbH“, die sie mit ihrem Bruder Michael O. Schmutzer in der Nähe der fränkischen Stadt Fürth aufgebaut hat. Die beiden denken Arbeit schon seit Jahren neu. 2008 gründete Schmutzer mit den Design Offices das deutsche Pionierstück für Co-Working und flexible Arbeitsräume in Metropolen, Sabine Sauber machte die Marke groß. Seit drei Jahren und nach ihrem Ausstieg bei den Design Offices zieht es die beiden aufs Land.

Die Gegend rund um die alten Gutshöfe, die sie als neue Eigentümer wieder zum Leben erwecken, kennen die Geschwister aus ihrer Kindheit. Hier haben sie mit ihrer Großmutter auf deren Streuobstwiese Zwetschgen genascht. Den Hammerhof, damals ein Wirtshaus mit Biergarten, entwickeln sie jetzt gemeinsam zu einem Campus für New Work. In der „Macherscheune“ bilden Treppen und Vitra-Möbel ein Auditorium, mobile Tische, Wände und Displays ermöglichen Workshops und die Arbeit mit agilen Methoden. Draußen ist Platz für Brainstormings zwischen Feuerstelle und Kräutertöpfen. Im kleinen Ort, knapp einen Kilometer weiter, kommen weitere Objekte hinzu. In der Scheune des „Gutshof Neun“ mit Auditorium und Nebenräumen fiel früher über der großen LED Wand von oben das Heu aus der Luke. Im Garten unter dem Kirschbaum steht das Gewächshaus mit Konferenztisch.

„Die Teams, die zu uns kommen, wollen sich nicht zwischen Alpenhütte und Luxushotel für ein Offsite entscheiden. Hier gibt es vom Workshop in der Macherscheune über den Spaziergang im Grünen bis zum Grillabend mit Lagerfeuer einen großen Blumenstrauß an flexiblen Arbeits-, Denk- und Kommunikationsräumen“, so Sabine Sauber. Sogar ein schickes Dinner ist möglich: Das Restaurant „Schwarzer Adler sorgt für edle Gastronomie, im ersten Stock ist Platz für Workshops.

„Wir machen gern Dinge zum ersten Mal“, sagt die New Work-Expertin, die auf dem Areal Raum für nachhaltige Begegnungen und frische Gedanken schaffen will. Sie bringt derzeit nicht nur mit ihrem Bruder die Neue Höfe GmbH als Dachmarke voran, sondern berät weiterhin in Großstädten Unternehmen zu neuen Arbeitsräumen. Schon vor 2019 haben die beiden erkannt, dass sich die Ansprüche an Arbeitsorte wandeln, weil sich auch die Organisationen verändern. Wie groß der Wandel nach der Pandemie-Erfahrung ist, hätten sie nicht erwartet. „Corona hat uns zunächst hart getroffen. Jetzt entstehen riesige Chancen.“

 

 „Anders denken, als im Büro“

 

Denn: Die Pandemie hat auch den Wunsch nach flexiblerer Arbeit und weniger Pendeln verstärkt. Dritte Orte sind gefragt, also Räume jenseits von Unternehmenszentrale und Homeoffice. „Wenn sich Arbeitgeber Gedanken machen und auch alternative Räume anbieten, steigern sie die Zufriedenheit und die Bindung der Beschäftigten und die Attraktivität für künftige Talente“, so Sauber.

 

 

„Wir sind jetzt in einem Zeitfenster, das wir nutzen sollten“, unterstreicht Rainer Schubert, Leiter Entwicklung neuer Arbeitswelten beim Softwarehaus Datev eG. Der IT-Dienstleister mit Hauptsitz in Nürnberg hat auf dem Gutshof Neun ein Studio und eine Büro-Garage angemietet, zunächst für einige Monate. Laut einer aktuellen Umfrage wollen viele Beschäftigte nicht zurück in den bisherigen Büro-Alltag. „Homeoffice ist jedoch nicht die einzige Lösung“, weiß Schubert. „Wir müssen Arbeitsumgebungen neu denken und sollten die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ernst nehmen. Diese können bei jedem Team unterschiedlich sein.“ Die Datev erprobt deshalb ein Konzept, möglichst wohnortnah den Zugang zu einem Netz an Co-Working-Spaces zu öffnen. „Den Bedarf für so ein Netz können wir als ein Unternehmen allein jedoch nicht allein wecken“, meint Schubert, der wie die Neuen Höfe mit der Initiative CoWorkLand zusammenarbeitet. Die verbindet CoWorking-Space-Betreiber:innen im ländlichen Raum mit Unternehmen und Einzelmietern. Mit mobilen Co-Working-Containern und einer Buchungsplattform bringt CoWorkLand neue Räume und die Community-Idee aufs Dorf.

So eine Zusammenarbeit könne auch Kommunen fördern, sagt Sabine Sauber, die froh ist über die Unterstützung der örtlichen Bürgermeisterin Claudia Wust. Denn mit der regelmäßigen Kundschaft der Coworking-Spaces könnte die ländliche Infrastruktur wieder wachsen.

Dieses Zusammenspiel wünschen sich auch Architekt Ike Ikrath und seine Frau, Hotelmanagerin Evelyn Ikrath. Das geschichtsträchtige Bad Gastein in Österreich neu zu beleben, ist für das Paar seit Jahren Mission und Vision zugleich. Die Hoteliers führen in ihren beiden Häusern eine alte Tradition fort – das Zusammenbringen von kreativen Köpfen. Waren hier früher das private Kurhaus oder der Salon dafür das passende Umfeld, ist heute Co-Working der moderne Hebel. Im Hotel Miramonte, das die beiden konstant weiterentwickeln, bieten sie etwa vom Studio über offene Arbeitsräume bis hin zur Steckdose im Restaurant neue Workspaces und Treffpunkte. Zwar warten die Unternehmer noch auf leistungsfähigere Glasfaser, doch für Ike Ikrath bedeutet Co-Working ohnehin eher eine persönliche Vernetzung der Gäste für Austausch und Kooperationen – ob unter Artists in Residence, Handwerker:innen oder Wissensarbeiter:innen.

Gerade nach Corona gebe es veränderte Bedürfnisse, vor allem bei den Jüngeren, beobachtet Ikrath. Die will das Hotelier-Paar gemeinsam mit weiteren Partnern im Ort gezielt anziehen und dabei langfristig kreatives Potenzial heben. Unterstützt werden deshalb auch Projekte, wie etwa das ehemalige Kraftwerk mit Kunst und Makerspace zu bespielen. „Körperoffice“ nennt Ikrath den Ansatz dort zu arbeiten, wo man sich inspiriert fühlt – „hier lässt es sich ganz anders denken, als im Büro“.

 

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