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Neue Serie: Im Gespräch mit Gerda Damböck

Gerda Damböck teilt nun regelmäßig auf SHEconomy.media ihre Interviews und Gedanken mit unserer Community. Die Kommunikationsexpertin beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Diversität. Ihr Interviewpartner Axel Kühner ist Vorstandsvorsitzender und CEO eines großen österreichischen Industrieunternehmens mit globaler Präsenz.

Herr Kühner, ich freue mich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview zum Thema Diversity nehmen. Was hat Sie dazu bewogen, meinem Aufruf zu folgen und Stellung zu beziehen?

Axel Kühner: Ich denke, dass Diversity eines der gesellschaftlichen Themen ist, wo wir in Österreich sehr großen Aufholbedarf haben. Da ich mit meiner Familie am Land lebe – im Speziellen in Kremsmünster, das doch sehr durch das Stift geprägt ist – nehme ich diese Kluft vermutlich noch stärker war. Für mich ist gelebte Diversität ein sehr wichtiges Thema, das viel Potenzial hat. Darum nehme ich gerne Stellung. Es ist mir ein Anliegen, Denkanstöße zu geben. Ich glaube außerdem, dass es uns als Unternehmen wichtig sein sollte, etwas zu unternehmen. Allerdings muss ich auch selbstkritisch sein: Wir haben bisher zu wenig Maßnahmen gesetzt und kaum Rahmenbedingungen geschaffen, die Diversität fördern.

In vielen theoretischen Abhandlungen wird immer wieder betont, dass die Geschäftsführung (wie bei anderen wichtigen Themen) unbedingt von den Vorteilen von Diversität überzeugt und bei allen Initiativen mit an Bord sein muss, damit Diversität bzw. Diversitätsmanagement gelingen kann. Wenn ich das richtig interpretiere, sehen Sie das Thema absolut als „Chefthema“ und wollen einen persönlichen Fokus darauf legen.

Ja, absolut. Diversität ist definitiv ein Ziel, das ich mit anderen gemeinsam verfolgen werde. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, das Thema auf die Agenda zu setzen. Allerdings zu halbherzig, denn meine Erfahrung ist, dass die Beharrungskräfte in diesem Thema sehr stark sind. Ich erlebe außerdem, dass viele Kolleginnen und Kollegen sich in meiner Nähe sehr viel Mühe geben und genau überlegen, was sie mir erzählen. Das macht es für mich schwieriger, ein realistisches Stimmungsbild des Unternehmens einzufangen. Dementsprechend habe ich auch lange kein Bedürfnis aus der Organisation heraus gespürt, das Thema Diversität auf den Tisch zu bringen. Mittlerweile bin ich aber so überzeugt von den Möglichkeiten, die durch diverse Teams entstehen, dass ich das Thema von mir aus vorantreiben werde.

Es gibt Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass Topmanager dann besonderes Interesse an Diversity entwickeln, wenn sie Töchter haben. Können Sie das als Vater von zwei Mädchen nachvollziehen?

Das ist ein ganz spannender Punkt, lassen Sie mich kurz reflektieren. Ich kann das schon nachvollziehen, aber ich denke nicht, dass das mein Motiv ist. Es ist zwar so: Wenn ich mir das Geschlecht unserer Kinder hätte wünschen können, hätte ich mir zwei Mädchen gewünscht – einfach, weil ich Jungs oft furchtbar finde. Aber was hinter meiner Motivation steckt, ist die Überzeugung, dass Frauen allgemein die besseren Führungskräfte sind. Allerdings differenziere ich hier, welche Art von Führung für eine konkrete Position von Vorteil ist.

Können Sie das näher beschreiben? Inwiefern differenzieren Sie hier?

Meiner Erfahrung nach sind Frauen in Führungspositionen sehr empathisch, in der Denkweise und in der Kommunikation viel klarer. Ich erlebe Frauen auch als nüchterner und pragmatischer. Wenn es allerdings um Managementrollen geht, bei denen schnelle Entscheidungen und Mut zum Risiko gefragt sind, wo man auch einfach mal springt und erst im Nachhinein genauer nachdenkt, da sehe ich Männer als idealere Besetzung. Ich vermute, dass es auch deswegen mehr Männer in CEO-Positionen gibt, weil diese eher männlichen Eigenschaften einen Mann überhaupt erst in eine solche Position bringen. Für mich sind Frauen im Management aber definitiv eine Bereicherung und ich habe auch immer versucht, Frauen in entsprechenden Rollen zu fördern.

Sie haben angesprochen, dass es in Ihrem Unternehmen Nachholbedarf gibt. Nachdem wir vor allem über die unterschiedlichen Karrierewege von Frauen und Männern gesprochen haben, vermute ich, dass Gender Equality dabei eine zentrale Rolle spielt. Haben Sie bereits konkrete Ansatzpunkte und Ideen, um hier eine Verbesserung zu etablieren?

Ich denke, dass Bewusstseinsbildung als erster Schritt ein sehr wichtiger Aspekt ist. Wie oft ich im Unternehmen erlebe, dass z. B. junge Frauen nicht für einen Job berücksichtigt werden, weil man fürchtet, dass sie Kinder bekommen. Das ist eine Einstellung, die ich nicht toleriere. Einerseits müssen diese Bedenken aus dem Weg geräumt werden und dann braucht es andererseits auch entsprechende Instrumente, um Frauen speziell zu fördern. Wir haben da z. B. Mentoring-Programme geplant. Meiner Meinung nach müssen wir Frauen so lange bevorzugt behandeln, bis wir eine Gleichstellung erreicht haben. Es ist klar, dass Frauen ausfallen, wenn sie Kinder bekommen. Die Frage ist aber, wie man den Wiedereinstieg gestaltet. Hier habe ich klar das Ziel, dass wir neue Rahmenbedingungen schaffen.

Es gibt einige Role Models in Ihrem Unternehmen. Wie nehmen Sie allgemein die Bestrebung von Frauen wahr, zeitnah nach der Geburt in den Job zurückzukehren?

Um kurz auszuholen: Ich komme zwar aus Westdeutschland, aber was ich in Ostdeutschland immer perfekt organisiert fand, war das Angebot an Kinderbetreuung. Natürlich war der Hintergrund dort, dass alle Frauen aus finanziellen Gründen gleich nach der Geburt wieder arbeiten gehen mussten. Wozu das allerdings geführt hat, war ein ganz anderes Level an gesellschaftlicher Akzeptanz. Da mussten Frauen sich nicht rechtfertigen, wenn sie ihre Kinder bereits nach einigen Monaten in eine Betreuung gaben. Bei uns erlebe ich es oft so, dass Frauen, die Karriere machen wollen, durch die gesellschaftliche Erwartung in Bezug auf ihre Mutterrolle enorm unter Druck gesetzt werden. Es ist meines Erachtens nach unmöglich, gleichzeitig die eigene Karriere zu verfolgen und Vollzeitmama zu sein. Man kann Beruf und Familie natürlich gut kombinieren, aber nicht beides zu 100% erfüllen. Es gibt Studien, die bestätigen, dass sich berufstätige Frauen viel mehr aktive Zeit mit ihren Kindern nehmen. Aber das kann für eine Frau nur dann erfüllend und auf Dauer tragbar sein, wenn sie einerseits nicht das Gefühl hat, trotzdem immer zu wenig Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, und andererseits Unternehmen die Möglichkeit zu Teilzeitbeschäftigung bieten.

Wenn wir das Thema flexible Arbeitszeitmodelle nicht nur Richtung Frauen denken, sondern allgemeiner: Sind Sie der Meinung, dass sich Unternehmen hier bewegen müssen, um auch in Zukunft die besten Talente für sich zu gewinnen?

Auf jeden Fall. Einerseits in Punkto Stundenausmaß. Hier liegt mein Petitum bei 30 Stunden, auch für Führungsaufgaben. In meiner Zeit bei Mercedes vor etwa 25 Jahren hatten wir dafür schon einige erfolgreiche Beispiele. Andererseits natürlich in Bezug auf flexible Arbeitszeitmodelle. Da haben wir durch die Pandemie erlebt, was alles möglich ist. Hier haben sich neue Standards etabliert, die man nicht mehr ignorieren kann. Wir werden diesbezüglich neue Wege gehen, um der Vielfalt in unserem Unternehmen gerecht zu werden. Denn ich bin fest entschlossen, dass Diversity einer der Faktoren wird, mit denen wir uns von anderen Unternehmen abheben.

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Worüber ich nachdenken werde…

Axel Kühner hat im Interview angesprochen, dass er es nicht für realistisch hält, dass beide Partner in einer Beziehung, wo es auch (kleine) Kinder gibt, aktiv an ihrer Karriere arbeiten können. Beide können erfüllende Berufe haben, aber nicht gleichzeitig eine womöglich sogar internationale Karriere betreiben. Wie oft wird suggeriert, dass sich Beruf und Familie wunderbar vereinbaren lassen – aber hört dieses Versprechen dort auf, wo verlangt wird, für die Karriere eine Extrameile zu gehen? Muss man für Karriere immer die Extrameile gehen?

Wie geht es euch mit dieser Herausforderung? Musstet ihr eine Entscheidung treffen, wer von beiden für die Familie zurücksteckt und wer vollen Einsatz im Job zeigen kann?

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