Kaitlyn Chang schrieb vergangenen Herbst einen Beitrag auf der Jobplattform LinkedIn, der großen Anklang fand: Unter #MomToo spricht sie über Motherhood Penalty und die Herausforderungen beim Thema Vereinbarkeit. Lesen Sie im Interview mit sheconomy Kaitlyn Changs Tipps und ein Beispiel dafür, wie Firmen werdende Eltern unterstützen können.
Sheconomy: Frau Chang, Ihr LinkedIn Post zum Thema Motherhood Penalty unter dem Hashtag #MomToo hat viele Reaktionen ausgelöst. Darin sprechen Sie von fluiden Grenzen zwischen Familie und Arbeit, Home und Office. Was genau meinen Sie damit und wie kann dieser Ansatz in der Praxis gelebt werden?
Kaitlyn Chang: #MomToo hat mit knapp sechs Millionen Views sehr viele Personen erreicht, ich habe dazu zahlreiche Nachrichten von Frauen aus der ganzen Welt erhalten. Es hat aufgezeigt, dass alle mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen, die durch die Pandemie noch verstärkt wurden: die Grenzen zwischen Familie und Beruf sind durch Home-Office, Lockdowns und ähnlichen Maßnahmen stark verschwommen, was zu doppelter Belastung geführt hat. Frauen stehen vor der Herausforderung, immer noch diskriminiert zu werden, wenn sie zum Beispiel den Arbeitsplatz pünktlich verlassen, um ihre Kinder abzuholen. Diese Problematik nennt man Motherhood Penalty. Sie führt dazu, dass Frauen oft versuchen, ihr Muttersein zu verstecken, um keine Nachteile dadurch im Job zu erfahren, wodurch ein Teufelskreis entsteht, dem man entgegenwirken sollte, sowohl als Arbeitgeber als auch gesellschaftlich.
Welche Folgen kann dieses Verstecken des eigenen Mutterseins haben?
Die doppelte Belastung durch Job und familiäre Aufgaben, Stichwort Mental Load, erhöht den Druck auf Frauen. Ich denke es ist wichtig im Arbeitsumfeld weibliche und männliche Rolemodels zu haben, die klare Grenzen für Privates, unter anderem die Kinderbetreuung, setzen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Unternehmen konkrete Maßnahmen setzen, um auch in Leadership-Positionen einen 50:50 Frauenanteil zu haben und die Wirksamkeit der Maßnahmen regelmäßig zu prüfen. Accenture tut dies bereits seit vielen Jahren.
Was hat Ihnen in Ihrer Karenzzeit in beruflicher Hinsicht geholfen?
Als ich in Karenz gegangen bin, wurde mir von meinem Arbeitgeber Accenture aktiv angeboten, geringfügig weiterzuarbeiten. Accenture bietet diese freiwillige Option für alle Mütter an. Ich konnte dadurch mit meinem Team und meinen Projekten im Austausch bleiben, was für mich mich eine Bereicherung war, da ich trotz Mutterrolle im Arbeitsumfeld integriert war. Aktuell arbeiten sowohl mein Mann als auch ich Teilzeit. Mit dem Kindergartenstart werden wir beide wieder Vollzeit einsteigen und profitieren dabei von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Accenture bietet Mitarbeitenden durch ein Gleitzeitmodell die Möglichkeit, die Arbeitsstunden flexibel einzuteilen, was ein enormer Benefit ist.
Es gibt Beispiele aus der Praxis, die aufzeigen, wie Arbeitgeber*innen positiv zu diesem Thema beisteuern können. Bei Accenture gibt es ein Tool, das Karenz- und Teilzeitansuchen zugänglicher macht. Wie funktioniert das in der Praxis und wie können werdende Eltern davon profitieren?
Das angesprochene Tool, myContract, habe ich auch selbst für die Umstellung auf Teilzeit in Anspruch genommen. Es ist ein Onlinetool, das transparent aufzeigt, wie sich das Gehalt bei einer Stundenumstellung ändert. Die simple Handhabung und Transparenz durch das Tool macht das Thema flexible Arbeit und Teilzeit sehr niederschwellig und zugänglich für alle Mitarbeiter*innen. Das Angebot wird bei Accenture von Mitarbeiter*innen aller Levels in Anspruch genommen. Mitarbeiter*innen reduzieren Stunden für Weiterbildungen, andere Kolleg*innen nutzen das Angebot beispielsweise für die Pflege ihrer Angehörigen. Dadurch sind Frauen, die Teilzeit arbeiten nicht mehr die Ausnahme. Ich bin davon überzeugt, dass diese Zugänglichkeit zu flexibler Arbeit allen Kolleg*innen entgegenkommt. Persönliche Bedürfnisse können sich im Laufe der Zeit ändern, dafür sind Tools wie myContract enorm hilfreich. Wir haben viele Rolemodels bei Accenture und positive Beispiele quer durch die Bank. Ohne Vertrauen und Rücksicht funktioniert es aber natürlich nicht.
Was sind Ihre persönlichen Tipps für die Vereinbarkeit und den Einklang zwischen Familie und Beruf?
Ich denke, die beste Lösung muss für jede Familie individuell gefunden werden. Was für mich eine gute Lösung ist, könnte eine schlechte Variante für eine andere Familie sein. Auch meine eigenen Bedürfnisse und Ansprüche daran könnten in ein paar Monaten ganz anders aussehen. Es ist deswegen wichtig, ein agiles Mindset zu entwickeln und darauf vorbereitet zu sein, dass sich alles kurzfristig ändern kann und man immer wieder optimieren muss. Die häufigste Frage in der Vereinbarkeit von Familie und Job ist jene der Balance. Für mich persönlich war von Anfang an klar, dass mir die Weiterführung meiner Karriere sehr wichtig ist – das mag aber bei einer anderen Frau ganz anders sein – auch hier sollte man versuchen, den für sich besten Weg zu finden. Leider ist es immer noch so, dass Frauen sich oft mit der Doppelbelastung alleingelassen fühlen. Unterstüzung ist wahnsinnig wichtig, sowohl von dem*der Partner*in beziehungsweise von der Familie, als auch von dem*der Arbeitgeber*in durch die Normalisierung von New Work und flexible Arbeitsmodelle für alle.
Zur Person
Kaitlyn Chang ist Impact Architect bei Accenture und beschäftigt sich mit Themen wie New Work und Innovation und verfügt über 18 Jahre Erfahrung in den Bereichen Werbung und Kreativ- sowie Marketingstrategieberatung. In Seoul geboren und in den USA aufgewachsen, derzeit lebt sie in Wien. Kaitlyn Chang ist Speakerin auf verschiedenen europäischen Konferenzen sowie Gründungsmitglied der NPO Women of Vienna. Am 11. Oktober wird sie beim balanceUP Summit ebenfalls als Speakerin vertreten sein.