Na? Wie stehen Sie eigentlich zur Macht? Keine leichte Frage. Denn: Macht ist kein Sympathieträger. Sie wirkt laut, eckig, fordernd. Wer will schon als „Machtfrau“ gelten, wenn’s nach Krawall und Kontrollsucht klingt? Frauen jedenfalls eher selten. Wir möchten zwar gestalten – aber nicht dominieren. Wir wollen führen – aber bitte ohne Kratzer am Image. Kurz: Wir wollen beliebt sein. Und Macht stört da nur.
Meine Managementerfahrung ist Folgende: ER sagt im Vorstellungsgespräch: „Ich sehe mich mittelfristig in der Geschäftsführung.“ Klingt nach Ambition und Zielstrebigkeit. SIE sagt: „Ich möchte im Team etwas bewegen.“ Das klingt nach Teamfähigkeit aber eben doch sehr bescheiden. Ist es auch. Blöd nur, dass damit bereits der nächste Karriereschritt klar versemmelt ist: ER bekommt den Top- Job, SIE nicht. Woran liegst? Am Willen zur Macht. Keiner nimmt uns die Macht ab, wenn wir sie nicht auch nehmen. Wer sich nicht positioniert, bleibt Randnotiz. Wer Macht scheut, wird gemanagt aber nicht Managerin.
Sozialisiert auf Harmonie, statt auf Einfluss
Macht ist unbequem. Macht fordert. Macht polarisiert. Und, ganz schlimm: Macht macht einsam. Frauen, sozialisiert auf Harmonie und Zustimmung, fürchten genau das. Und weil wir gemocht werden wollen, ducken wir uns schnell mal weg, wenn es um Einfluss geht. Lieber gut im Hintergrund als böse im Rampenlicht. Mädchen lernen, sich anzupassen: nicht zu laut, nicht zu bossy, nicht zu viel wollen. Die Autorin Sophia Fritz nennt das in ihrem Buch „Toxische Weiblichkeit“ (Hanser Berlin) das „Erbe der Selbstverkleinerung“. Und tatsächlich: Frauen dämpfen ihre Ambitionen oft selbst. Weil sie gelernt haben, dass Macht nicht nur unangenehme Nebenwirkungen hat kann – sondern auch irgendwie unweiblich ist, unschön halt.
Macht ist kein Wellnessprogramm
Konflikte, Verantwortung, Alleinentscheidungen. Macht verlangt Rückgrat – nicht Rücksicht. Und genau das macht sie für viele Frauen unattraktiv. Ich habe 2013 als Verlegerin bei MANZ mit der bekannten Soziologin und Wirtschaftstrainerin Christine Bauer-Jelinek das Buch „Business-Krieger“ herausgebracht. Darin schreibt sie deutlich: Wer in Führungsrollen überleben will, muss die Spielregeln der Macht kennen – und auch bereit sein, mitzuspielen. Soft Skills allein reichen nicht. Ein ungemütliches Buch, beunruhigend, seitenweise sogar beängstigend – leider vergriffen aber immer noch top-aktuell.
Schon der bulgarisch-britischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Elias Canetti erkannte: „Macht will Besitz sein.“ Wie fundamental wahr: Macht gibt es nicht zum Mitnehmen. Sie muss beansprucht, verteidigt, gelebt werden. Aber sie muss nicht nach altem Männerklischee und Pitralon der 80er riechen. Die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Linda M. Scott fordert in „Das weibliche Kapital“ (Hanser) eine neue ökonomische Realität: Frauen an der Macht sind kein Lifestyle, sondern ein wirtschaftlicher Vorteil. Für alle.
Fleiss und Ergebnisse allein bringen nicht weiter
Aber wie war das noch schnell mit Fleiß und Ergebnissen? Sind sie nicht die viel sympathischeren Karrierebooster? Schön wärs, aber dem ist nicht so. Sie können uns ganz schön den Aufstieg behindern.
Besonders in Konzernen kommen angepasste, smoothe Karrieristen, oft schneller voran, denn sie sind keine Gefahr für das natürliche Homöostase-Streben des Systems. „Deine Erfolge sind zu auffällig. Steig mal runter vom Gaspedal…“, war eine Aussage meiner langjährigen wohlmeinenden Mentorin, selbst eine bekannte Spitzenmanagerin bei Siemens. Das war augenönend und entscheidend für meine Kündigung.
Macht ist kein Charakterfehler
Wer gefallen will, kann nicht gestalten. Wer nur nickt, wird nie zur Entscheiderin. Nach 30 Jahren Management-Erfahrung erlaube ich mir zu sagen: Macht macht Spaß, weil Macht gestaltet und nicht verwaltet. Es ist höchste Zeit, dass Frauen sich trauen, die Komfortzone zu verlassen und Einfluss nicht als Risiko, sondern als Ressource zu sehen.
Macht ist nicht böse. Aber sie ist immer wirksam. Erfolg ist es dann, wenn er wirksam ist. Und dafür brauchen wir eben Macht. Denn Macht ist nichts anderes als das Vermögen seinen Willen gegen den Widerstand durchzusetzen. Und wer das Gute und Richtige gegen seine Feinde durchsetzen will, verzichtet doch gerne mal zwischendurch auf Beliebtheitswerte und Harmonie. Macht ist kein Charakterfehler. Sie ist ein Leadership-Werkzeug. Die Frage ist nur: Wer traut sich, es in die Hand zu nehmen? Frauen, die führen wollen, müssen endlich aufhören, sich zu entschuldigen, bevor sie überhaupt gesprochen haben.
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