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Kommunikation an der Spitze: Das Diskretions-Dilemma

Frauen in Aufsichts- und Beiräten stehen vor einer besonderen Herausforderung: Sie sollen sichtbar sein – und gleichzeitig die Vertraulichkeit der Gremienarbeit wahren. Eine aktuelle Studie von 2TOP, Christiane Wolff Communications und sheconomy zeigt erstmals, wie Mandatsträgerinnen dieses Spannungsfeld erleben und welche Strategien sie nutzen, um Wirkung zu entfalten.

Frauen sind in Aufsichtsräten und Beiräten so präsent wie nie zuvor. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt ein Spannungsfeld: Wie viel Sichtbarkeit ist für Mandatsträgerinnen richtig – und wie gelingt sie, ohne die notwendige Diskretion der Gremienarbeit zu verletzen?

Kristin Hanusch-Linser, Geschäftsführende Gesellschafterin & Herausgeberin von sheconomy

Genau darin liegt der Kern der aktuellen Debatte, betont Kristin Hanusch-Linser: „Sichtbarkeit ist kein Zufall – sie ist Führungsaufgabe. Wer ein Mandat will, braucht mehr als Kompetenz: Es braucht Bühne, Botschaft und Bereitschaft zur Positionierung.“

Eine neue Studie von sheconomy, 2TOP und Christiane Wolff liefert erstmals fundierte Antworten. Wolff, die seit über 20 Jahren Vorstände und Geschäftsführer*innen bei ihrer Positionierung begleitet, wollte es genau wissen: „Viele Frauen spüren das Spannungsfeld zwischen Diskretion und Sichtbarkeit – und wünschen sich mehr Klarheit in ihrer Kommunikation. Sichtbarkeit entsteht nicht von allein, sie ist das Ergebnis einer bewussten, strategischen Entscheidung.“

Netzwerke öffnen Türen, LinkedIn prägt die Bühne

Für die Studie wurden im Sommer 2025 insgesamt 49 aktive Mandatsträgerinnen befragt. Alle verfügen bereits über ein oder mehrere Mandate – ihre Erfahrungen spiegeln also die Realität an der Spitze.

Christiane Wolff, Initiatorin der Studie

Das Ergebnis: Netzwerke bleiben der wichtigste Hebel. Rund 30 Prozent der Mandate entstehen über persönliche Kontakte, weitere 19 Prozent über Empfehlungen. LinkedIn, das meistgenutzte Social-Media-Tool der Befragten, führt hingegen nur in acht Prozent der Fälle direkt zu einem Mandat.

Und doch: Im Alltag dominiert die Plattform. 29 Prozent der Befragten nennen LinkedIn als ihren wichtigsten Kommunikationskanal, gefolgt von Paneldiskussionen (24 Prozent) und Fachmedien (17 Prozent). Gleichzeitig bewerten die Mandatsträgerinnen ihre strategische Kommunikation nur mit 5,8 von zehn Punkten – ein Hinweis darauf, dass Aktivität und Strategie oft auseinanderklaffen.

Das Diskretions-Dilemma

Am stärksten aber beschäftigt die Befragten die Frage, wie sich Vertraulichkeit mit Sichtbarkeit vereinbaren lässt. 21 Prozent nennen die „zurückhaltende Unternehmenskultur“ als größte Barriere, noch vor unklaren Kommunikationsstrategien (20 Prozent).

„Ein Aufsichtsratsmandat fällt nicht vom Himmel“, sagt die erfahrene Aufsichtsrätin Ursula Radeke-Pietsch. „Es setzt Expertise, Erfahrung, Integrität, Weitblick und eine starke Positionierung voraus.“ Doch genau diese Positionierung muss so formuliert sein, dass sie die Vertraulichkeit der Gremienarbeit nicht verletzt.

Aktiv, aber mit Luft nach oben

Die Vorstellung, Frauen in Aufsichtsgremien hielten sich grundsätzlich zurück, widerlegt die Studie klar. 92 Prozent der Befragten kommunizieren bereits extern, 41 Prozent davon regelmäßig und strategisch. „Kompetenz ist die Eintrittskarte ins Aufsichtsratsmandat – doch erst durch klare Kommunikation, echtes Netzwerken und eine souveräne Positionierung entsteht Wirkung“, betont die Stella Circle-Geschäftsführerin und Aufsichtsrätin Stefanie Salata.

Wo sehen die Frauen selbst das größte Entwicklungspotenzial? 24 Prozent wünschen sich mehr Medienpräsenz, 18 Prozent eine strategischere Kommunikation, weitere 18 Prozent eine effizientere Nutzung von Netzwerken. Gleichzeitig attestieren sich 20 Prozent, bereits gut positioniert zu sein – ein Hinweis darauf, dass die Ausgangslagen sehr unterschiedlich sind.

Unterstützung gefragt

Besonders deutlich wird der Wunsch nach professioneller Begleitung: 29 Prozent der Befragten wünschen sich strategische Positionierungsberatung, 26 Prozent mehr Unterstützung durch das eigene Unternehmen, weitere 16 Prozent Trainings in Medien- und Kommunikationsarbeit.

Elke Benning-Rohnke und Dr. Christine Vistzthum, Gründerinnen von 2TOP

„Frauen bringen heute schon viel Erfahrung und Kompetenz in Aufsichtsräte und Beiräte ein – aber der Weg dorthin ist nach wie vor voller Hürden“, sagt Elke Benning-Rohnke, Gründerin der Karriereplattform 2TOP. „Mit unserem Board Readiness Programm schaffen wir Transparenz, vermitteln Praxiswissen und unterstützen Frauen dabei, ihre Mandatsfähigkeit sichtbar zu machen.“

Von der Ausnahme zur Normalität

In den qualitativen Antworten der Studie zeigen sich auch gesellschaftliche Dimensionen. Viele Befragte wünschen sich, dass Frauen in Gremien eines Tages schlicht als Normalität gelten – und nicht länger als „Ausnahme“, die besondere Aufmerksamkeit verdient. Kritik gibt es am sogenannten „goldene Röckchen“-Effekt, also der Tendenz, immer wieder dieselben Frauen für Spitzenposten zu berufen.

Wer Mandatsträgerinnen unterstützt, fördert Chancengerechtigkeit an der Spitze

Die Studie zeigt: Frauen in Aufsichtsräten und Beiräten sind längst nicht mehr unsichtbar – im Gegenteil, sie kommunizieren aktiv und nutzen Netzwerke. Doch die strategische Professionalisierung steht vielerorts noch am Anfang. Für Unternehmen eröffnet sich damit eine Chance: Wer Mandatsträgerinnen unterstützt, kann nicht nur die eigene Governance stärken, sondern auch glaubwürdig Chancengerechtigkeit an der Spitze fördern.

„Neben Fachwissen und Erfahrung waren für meine Berufung in den Aufsichtsrat insbesondere Sichtbarkeit und Vernetzung ausschlaggebend – etwa durch Keynotes, Veröffentlichungen und Empfehlungen aus meinem beruflichen Netzwerk“, berichtet CFO und Aufsichtsrätin Mariella Röhm-Kottmann.

Die Botschaft der Studie ist klar: Kompetenz ist Voraussetzung. Doch erst die richtige Balance aus Diskretion und Sichtbarkeit macht Frauen in Gremien wirklich wirksam – gesehen, gehört, gewirkt.

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