Erst vor wenigen Tagen, am 4. August, war in Deutschland und Österreich der Equal Pension Day. Es ist der Tag, an dem Männer bereits so viel Pensionsgeld erhalten haben, wie Frauen erst zu Jahresende an diesbezüglichen Kontoeingängen verbuchen werden. In konkrete Zahlen gekleidet: Während Männer im Schnitt mit einer monatlichen Pension von 2.162 Euro rechnen dürfen, müssen sich Frauen mit 1.285 Euro bescheiden (Zahlen für Österreich). Der Grund dafür liegt bei den unterschiedlichen Einkommen und diese sind wiederum auf die hohe Teilzeitquote bei weiblichen Arbeitskräften zurückzuführen – mit 50,3 Prozent belegt Österreich europaweit Platz drei, Deutschland steht mit 48,7 Prozent an vierter Stelle. In beiden Ländern herrschen nach wie vor sehr traditionelle Gesellschaftsstrukturen, bei denen die Frauen die (zumeist unbezahlte) Care-Arbeit zu erledigen haben, gekoppelt an die Tatsache, dass es auch in den 20-er Jahren des 21. Jahrhunderts noch immer nicht genügend Kinderbetreuungsplätze gibt.
Dies alles habt Ihr, liebe Leserin, lieber Leser, sicher schon oft genug gelesen. Immer, wenn ich diese betrüblichen Fakten niederschreibe – was ich in den vergangenen 30 Jahren oft genug tat, nämlich ab dem Moment, in dem ich selbst Mutter wurde – wundere ich mich selbst jedes Mal, wie wenig sich auf diesem Gebiet bewegt hat.
Tatsächlich fällt es mir schwer zu verstehen, warum diese Dinge so sein müssen, zumal Länder wie Deutschland oder Österreich ein massives Facharbeiter:innenproblem haben. Dem gegenüber steht eine Vielzahl von teilzeitbeschäftigten Frauen mit Top-Ausbildung. Von der Logik her müsste es im Interesse der einzelnen Volkswirtschaften sein, Grundlagen zu schaffen, die dieses Potenzial nutzbar machen – anstatt die Frauen mit einer nicht zu geringen Wahrscheinlichkeit in die Altersarmut zu schicken (26% in Österreich, 20,9% Prozent in Deutschland).
Meine persönliche Meinung dazu: Das Problem beginnt viel früher, nicht erst ab dem Zeitpunkt, da Frauen Kinder bekommen. Es beginnt bei einer Erziehung, die nach wie vor viel zu häufig darauf ausgerichtet ist, kleinen Mädchen zu suggerieren, dass sie später einmal von einem Mann versorgt werden. Dass es bei Mädchen als unschicklich gilt, wenn sie ihre Fähigkeiten, ihren Wert betonen, Forderungen stellen. Und Dass, Diskutieren Buben- und daher später auch Verhandeln Männersache sei. Lauter Klischees, meinen Sie? Dann schauen und hören Sie sich doch um – nicht in ihrer Bubble, sondern in dem erweiterten Umfeld, das Ihren Alltag ausmacht. Sie werden staunen.
Ich erinnere mich an eine Autofahrt mit meinem Vater, als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, Mitte der 1970-er Jahre. Er sagte aus heiterem Himmel: „Du sollst niemals einen Mann um Geld bitten müssen, wenn Du ein paar neue Strümpfe brauchst“. Die ganze Pubertät löcherte er mich mit der Frage: „Was willst Du später einmal beruflich machen?“. Ich habe diese Gespräche gehasst, weil er mit keinem meiner Vorschläge einverstanden war. Er fand, ich solle Zahntechnikerin werden, da bräuchte ich bloß ein kleines Zimmer in meiner Wohnung und könne den gefragten und im Regelfall gut bezahlten Job auch „neben den Kindern“ erledigen. Oder Bankangestellte, die hatten damals noch kinderfreundliche Arbeitszeiten und erhielten 16 Gehälter. Sicherheit und finanzielle Autonomie – das waren seine Botschaften und dafür forderte er viele unangenehme Gespräche mit mir ein. Auch wenn meine Berufswahl dann eine andere wurde, haben sich (wie ich erst viel später merkte) zumindest diese zwei Werte in meinen Kopf eingebrannt: ein Mindestmaß an Sicherheit und finanzielle Unabhängigkeit.
Warum ich das erzähle? Weil dieser unselige Equal Pension Day ein Anlass mehr sein sollte, sich bewusst zu machen, welche Bilder und Werte man den Töchtern und Enkeltöchtern eigentlich von klein auf mitgibt. Erzählen Sie ihnen nichts von Prinzen oder Kens, die sie auf weißen oder andersfarbigen Pferden retten werden. Sondern ermutigen Sie sie dazu, auf ihre Talente zu schauen, diese auszubauen und nicht als Self-Service für andere zu betrachten. Lob und Anerkennung einzufordern und nicht das liebe, aufmerksame, duldsame Mädchen zu sein, das man vielleicht selbst viel zu oft sein musste. Denn dann gerät auf dem immer noch viel zu breit gesätem Feld der Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten ganz sicher – und vor allem mit anderem Tempo – etwas in Bewegung.