StartBusinessInnovation: „Die Zukunft braucht weibliche Perspektiven“

Innovation: „Die Zukunft braucht weibliche Perspektiven“

Erst langsam öffnen sich die Bühnen für weibliche Vordenkerinnen und Erneuerinnen. Zu langsam, wie wir von SHEconomy finden. Deshalb holen aktuell in unserem neuen Print-Magazin und in unserer Online-Serie 100 Innovatorinnen der DACH-Region vor den Vorhang. Denn im globalen Wettbewerb kann es sich Europa nicht länger leisten, diese Leistungen im Verborgenen zu lassen. Über Erfinder:innen, Chancen und Maßnahmen.

Ihre Innovationen retten Leben. Mit den von ihnen entwickelten COVID-19-Impfstoffen haben Özlem Türeci und ihr Mann Uğur Şahin die Gründer des Immuntherapie-Unternehmens BioNTech (Biopharmaceutical New Technologies) schon jetzt Geschichte geschrieben. Doch die Medizinerin und Wissenschaftlerin Türeci will mehr: „Unser Lebenssinn ist es, nützlich zu sein.“ Neue Behandlungen gegen Krebs und andere schwere Krankheiten sind ihr Ziel.

Wäre die Mainzer Unternehmerin und Professorin Özlem Türeci in einem anderen Jahrhundert zur Welt gekommen, hätte sie vielleicht das Schicksal so mancher innovativer Frau getroffen, deren Leistung in den Geschichtsbüchern gar nicht mitbenannt wurde, so wie es beispielsweise bei Rosalind Franklin der Fall war. Ihre maßgebliche Arbeit für die Entdeckung der DNA-Struktur wurde lange nicht anerkannt, so dass sie als „vergessene Heldin“ oder „Dark Lady of the DNA“ berühmt ist.

Doch auch heute ist die Sichtbarkeit von Innovatorinnen in Europa gering. Daran haben nicht nur die Medien schuld, die Frauen seltener in die mediale Berichterstattung einbeziehen. Auch die Zahl der Erfinderinnen liegt deutlich niedriger als jene männlicher Innovatoren. Laut einer Studie des Europäischen Patentamts (EPA) sind 13,2 Prozent der in Patenten benannten Erfinder in Europa Frauen. Zwar ist die Beteiligung von Frauen an Erfindungen in Europa in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Dennoch bleiben die Patentanmeldungen deutlich männerdominiert. Dies gilt vor allem in Deutschland und Österreich – Deutschland gehört mit 10 Prozent hier zu den Schlusslichtern, Österreich ist mit 8 Prozent noch weiter abgeschlagen.

Die gute Nachricht: Der Beitrag von Frauen an der Innovationskraft etwa in Deutschland wächst, laut einer Analyse des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA). Allerdings ist dieses Wachstum langsam. Und es ist branchenbezogen, denn den mit Abstand höchsten Erfinderinnen-Anteil gibt es laut DPMA im Techniksektor Chemie mit 17,7 Prozent, den niedrigsten im Maschinenbau mit 3,3 Prozent. Auffällig: In Technologiefeldern wie „Organische Feinchemie“ oder Biotechnologie liegt der Anteil je bei fast 30 Prozent.

In einer Zeit, in der Europa auf vielen Feldern im weltweiten Wettlauf zurückfällt, richtet sich der Fokus auch auf bislang ungehobene Potenziale. „Unsere Zukunft braucht Innovationen und diese wiederum weibliche Perspektiven“, sagt Svenja Lassen, die bei  Gateway Ventures das Female Investors Network (FIN) gegründet hat. Ihr Ziel ist es, den Frauenanteil in der Start-up-Szene nachhaltig zu steigern, Investorinnen zu gewinnen, Business Angels zu unterstützen und somit mehr Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft zu nehmen.

Schwachpunkt Venture Capital

Damit konzentriert sich Svenja Lassen auf einen der Schwachpunkte in Europa. Denn: Im jährlichen EU-Innovationsranking, dem „European Innovation Scoreboard“ zeigt sich, dass es für Deutschland und Österreich nicht für einen Platz in der Spitzengruppe der „Innovation Leaders“ reicht. Hier sind Länder wie Dänemark, Schweden, Finnland, Niederlande und Belgien zu finden. Österreich und Deutschland schaffen es in die nachfolgende Gruppe der „Strong Innovators“, gemeinsam mit Luxemburg, Irland, Zypern und Frankreich. Als einen Grund für die Schwächen nennt der Report neben etwa der geringen Breitband-Durchdringung auch niedrige Venture Capital Investitionen.

Ann Mettler, Direktorin für Europa bei den Gates Ventures, dem privaten Büro von Bill Gates, und über Jahre Kopf des Think Tanks der Europäischen Kommission, nannte beim diesjährigen „Forum UnternehmerTUM“ zum Thema „Transforming Europe for Sustainable Growth“ drei Maßnahmen, um Europa wieder weiter nach vorn zu bringen: mehr Geschwindigkeit, mehr Scale-Ups und die übergreifende Zusammenarbeit, die sie „Connecting the dots“ nennt. „Die aktuellen Herausforderungen kann keine Gruppe allein bewältigen, wir müssen in Einigkeit handeln“, mahnte die Top-Managerin, die früher auch Director des World Economic Forum war. Europa müsse dringend handeln, um im intensiven Wettbewerb langfristig noch eine entscheidende Rolle zu spielen.

Chancen für Europa

Hoffnung liegt auf der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Hier engagiert sich beispielsweise Tina Klüwer mit ihrer Arbeit im KI Entrepreneurship Zentrum Berlin (K.I.E.Z) dafür, die neueste KI-Wissenschaft in die Wirtschaft zu übertragen sowie KI-Unternehmer:innen bei der Gründung und Finanzierung zu unterstützen. Dabei agiert sie aus der eigenen Erfahrung heraus, denn sie hat bereits selbst mit „Parlamind“ ein KI-Start-up gegründet.

Zwar ist gerade im Bereich KI die Dominanz der großen Sprachmodelle aus den USA und China zu sehen, doch Europa könne im Technologiesektor wieder deutlich an Fahrt gewinnen – das jedenfalls besagt ein aktueller Bericht der Risikokapitalgesellschaft Creandum. Demnach sei der europäische Tech-Sektor in bester Verfassung, etwa durch Unternehmen wie Spotify oder Revolut. Europa ziehe inzwischen 20 Prozent der weltweiten Risikokapitalfinanzierung an und erhalte mehr als ein Drittel der weltweiten Investitionen in der Frühphase. Mehr als 500 Unicorns sind in Europa zu finden, darunter das rasant wachsende deutsche Softwareunternehmen Celonis. Als besonders stark werden im Creandum-Report die Bereiche FinTech, digitale Gesundheit und Klimaschutz gesehen – Zukunftssegmente, in denen immer mehr Frauen neue Lösungen entwickeln.


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