StartMoney"Ich halte nichts von Rolemodels"

„Ich halte nichts von Rolemodels“

In Österreich zählt Sicherheit mehr als Innovation und Risikokapital für Start-ups wird immer noch als gönnerhafte Spende gesehen. Warum Investorin Karin Kreutzer mit der österreichischen Mentalität hadert und wieso sie nichts von Rolemodels hält, erzählt sie im Interview.

Karin Kreutzer ist Investorin, Business Angel, Mitgründerin der AUBMES Invest GmbH, die in frühphasige Start-ups investiert und seit heuer Mitglied des Investmentkomitees des aws Gründungsfonds. 2021 wurde sie als erste Frau Business Angel of the Year. Und mit Österreich, seiner Mentalität und den hohen Steuerquoten geht sie hart ins Gericht.

Frau Kreutzer, Sie sind in der österreichischen Investor:innen-Landschaft kein unbeschriebenes Blatt. Sie kennen die Szene gut und hadern immer wieder mit der „österreichischen Mentalität“, wenn es ums Investieren geht. Was meinen Sie damit?

Ich erkläre das am besten mit einem Beispiel: Als Ich noch Angestellte war, nahm ich einmal einen Job bei einer Versicherung an. Einige meinten damals „Was, eine Versicherung? Wie langweilig!“. Als ich mich dann selbstständig machte, sagten dieselben Leute zu mir „Was, selbstständig? Dafür gibt man doch keinen Job bei einer Versicherung auf.“ Wenn du dich selbstständig machst, kriegst du Mitleid. Wenn du nicht erfolgreich bist, bist du ein Loser. Und wenn du erfolgreich wirst, bist du überhaupt ganz arg.

Das klingt ziemlich Schwarz-Weiß.

Es ist hierzulande leider oft ein schmaler Grat zwischen Sicherheitsbedürfnis und Neidkultur.

Was macht dieses Mindset Ihrer Meinung nach mit dem Unternehmertum?

Es führt dazu, dass Unternehmertum, Innovation und das Schaffen von Neuem und von Arbeitsplätzen einen im internationalen Vergleich geringen Stellenwert haben. Manchmal kommt mir vor, man hätte gerne mehr Beamte und weniger Unternehmer und Unternehmerinnen in Österreich.

Woher kommt das? Und an welchen Ländern können wir uns ein Beispiel nehmen?

Ich sehe das stark in der Historie verankert. In den Niederlanden ist kaufmännisches und unternehmerisches Geschick mit einem anderen Wertekodex belegt. Es ist auch viel normaler, dort unternehmerisch tätig zu sein. Das sieht man auch an den Zahlen der Neugründungen. Dasselbe gilt für Großbritannien. Dort beschäftigen sich Kinder schon in der Schule spielerisch mit „Business“ und haben eine andere Fehlerkultur. Bei uns verdrehen Eltern und Lehrkräfte eher die Augen, wenn sie so etwas hören. Hier haben wir die Denke „Die Schule ist für Schulisches da. Unternehmerisches Denken hat hier nichts verloren.“ Das finde ich schade. Wer sich schon früh mit solchen Dingen beschäftigt, wird das Gründen später viel weniger als Hürde sehen.

Das sieht man auch an internationalen Beispielen wie Stanford. Eine Ausgründung nach der anderen führte schließlich zum Entstehen des Silicon Valleys.

So weit brauchen wir gar nicht schauen. In Cambridge in Großbritannien ist das genauso. Wir sollten nicht nur auf staatliche Absicherung hoffen, sondern früh beginnen, unsere Talente zu fördern.

Karin Kreutzer (2.v.l.) bei der Präsentation der Neuauflage von "Startup Investing". Foto: Richard Tanzer
Karin Kreutzer (2.v.l.) bei der Präsentation der Neuauflage von „Startup Investing“. Foto: Richard Tanzer

Sie selbst investieren und sind Business Angel. Das bedeutet mehr, als nur ein wenig Taschengeld zu verteilen. Was braucht es, damit mehr Menschen in Österreich so etwas tun?

Wir müssen steuerlich attraktiver werden. Investieren ist kein Hobby. Auch Innovation ist kein Hobby. So etwas sollten wir als Gesellschaft fördern und es erleichtern, dass Startups und Innovator:innen Risikokapital zur Verfügung steht.

Sie selbst investieren in KI, Quantencomputer, Space Tech. Wieso?

Weil ich möchte, dass wir hier in Europa und in Österreich international mithalten können. Wir brauchen diese Innovationen und dürfen uns nicht darauf verlassen, dass die USA und China das schon machen werden. Das tun sie sowieso. Die Frage ist, ob wir gut genug sind, da mitzuspielen. Und dazu will ich einen Beitrag leisten.

Das klingt wie eine Spirale, die sich selbst befeuert. Mehr Geld für mehr Innovation. Mehr Innovation zieht abermals mehr Geld an.

Wer investiert, ist automatisch auch emotional investierter, neugieriger und interessierter. Je mehr Menschen investieren, desto mehr Interesse und Aufmerksamkeit wird automatisch auf neue, spannend Bereiche gelenkt. Als ich mit meinem Patenkind beim Pferderennen in Ascot war, haben wir auch ein bisschen mit gewettet, mit ganz kleinen Beträgen. Und man hat sofort gemerkt: Wenn du auch nur fünf Pfund auf ein Pferd setzt, bist du ganz gebannt und lässt das Rennen nicht einfach an dir vorüberziehen. Das passiert beim richtigen Investieren auch. Dein Blickfeld wird breiter, du beschäftigst dich mehr mit Innovationen, hast eine höhere Aufmerksamkeit dafür.

Wenn Sie Wirtschaftsministerin wären – was würden Sie tun? Was würden Sie sofort umsetzen?

Ich will wirklich nicht Wirtschaftsinisterin sein, das können andere besser (lacht). Aber wir haben eine sehr hohe Steuerlast in Österreich. Statt ständig weitere Steuern einzuführen, würde ich forcieren, dass wir mit den eingehobenen Steuern effizienter umgehen. Und ich finde, wir sollten lockerer werden.

Inwiefern?

Braucht es wirklich für alles einen Notariatsakt? Geht das nicht auch einfacher? Könnten wir nicht auch simplere Gesellschaftsformen einführen, damit gut Leute und Startups nicht auswandern müssen, weil es sich woanders einfach mehr rentiert, Business zu machen?

Und wie sieht es mit der Förderung von Vielfalt aus? Sie sind auch in den Fund F der Female Founders von Lisa-Marie Fassl und Nina Wöss investiert. Der Fund F fördert gezielt weiblich geführte Startups. Was erwarten Sie sich davon?

Na, Rendite (lacht)! Mein Geld ist ja keine Spende. Das soll sich auch rechnen. Aber natürlich will ich Vielfalt fördern. Davon braucht es viel mehr in Österreich. Und damit meine ich nicht nur Geschlechtervielfalt. Sondern auch im Alter, bei den Typen von Berufsbildern. Es braucht auch mehr Technikerinnen, die dann Gründerinnen werden. ich will versatile Gründungsteams sehen und unterstützen.

Haben Sie persönlich eigentlich ein Rolemodel?

Ich halte nichts von Rolemodels.

Nicht?

Wenn die Übersetzung von Rolemodels „Vorbilder sind“, dann sollte man sich von verschiedenen Menschen etwas für sich abschauen und nicht nur ein singuläres Vorbild haben. Ich wollte schon als Kind viele unterschiedliche Lebensweisen sehen. Nur so konnte ich irgendwann sagen: Das fühlt sich gut an, das passt zu mir!

 


 

Dieser Beitrag ist Teil unser Investorinnen-Serie. Hier geht’s zu den weiteren Artikeln.

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