Woher kam die Idee für dieses Projekt?
Es gab einen konkreten Moment der Entrüstung, der das ausgelöst hat. Ich habe mich 2023 das erste Mal intensiv mit Portraitmalerei beschäftigt. In dieser Zeit habe ich im Klassik-Podcast „Klassik drastisch“ mit Devid Striesow und Axel Ranisch von einer Komponistin namens Barbara Strozzi gehört. Ihre Musik und ihre Geschichte haben mich so fasziniert, dass ich mehr wissen wollte und im Internet gesucht habe und dann feststellen musste: Das einzige Portrait, das von ihr überliefert ist (oder überhaupt je gemalt wurde), stellt sie mit heraushängender Brust dar. Das wollte ich (stellvertretend für Frau Strozzi) nicht so hinnehmen.
Warum gleich eine ganze Portrait-Serie über Frauen?
Nicht nur junge Frauen brauchen Vorbilder. Diese Portraits machen große Frauen sichtbarer und inspirieren, wenn wir uns mit ihnen befassen. Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit für diese Lebensgeschichten, für diese Frauen, die so viel gewagt haben. Die Wiederentdeckung großartiger Frauen in Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik erfährt in jüngerer Zeit große Popularität. Es gibt Kinderbücher mit Kurzbiographien dieser Frauen. Es gibt Fernsehserien (Cherchez la femme, ARTE). Es gibt jede Menge aktuelle Literatur zum Thema (z.B. Vera Weidenbach: Die unerzählte Geschichte) … und das nicht erst in unserer Zeit! Schon im ausgehenden Mittelalter wurden die Biographien und Errungenschaften von Frauen zum Thema von Büchern, wie Boccaccios „Von den berühmten Frauen“ (De claris mulieribus, ca. 1360), was kurz darauf von Christine de Pizan aufgegriffen wird (in: Die Stadt der Frauen, um 1405) und später wieder von Louise-Félicité de Kéralio (18. Jhd) … die Liste lässt sich bis in die Gegenwart fortsetzen. Wie viele Namen ich davon noch nie gehört habe, hat mich stutzig und neugierig zugleich gemacht.
Wurden Frauen nicht ausreichend portraitiert? Alle großen Künstler haben Frauen gemalt.
Das ist richtig: Frauen wurden und werden viel gemalt. Als Objekte des männlichen Blicks, als Dienstleisterinnen zur gedanklichen Befriedigung körperlicher Begierden, als Musen, als Repräsentantinnen. Ich möchte Frauen malen, deren Leistung und Beitrag zur Geschichte der Zivilisation ich auf diese Weise würdigen kann – und zu denen ich kein Portrait kenne oder keines gefunden habe. Es gibt sehr viele Frauen, die wir schlichtweg nicht kennen, weil ihre Gesichter verschwunden sind.
Wie stoßen Sie auf interessante Frauen?
Anfangs zufällig. Inzwischen suche ich gezielt. Mir geht es nicht anders als den meisten Menschen: Ich kenne, was mir im Leben begegnet. Sei es im Fernsehen oder Radio, in Museen, vielleicht zufällig in einem Roman, der historische Figuren enthält, in einem Gespräch, vielleicht noch aus dem Schulunterricht. Es ist also in den allermeisten Fällen eine zufällige Begegnung. Die Frauen, die ich nun vorstelle, habe ich mir durch Lektüre einschlägiger Fachliteratur erarbeitet. Inzwischen kenne ich auch eine Reihe von Podcasts und Blogs, die sich intensiv mit diesem Thema befassen.
Welche Frauen wollen Sie noch malen?
Viele! Die nächsten Frauen sind schon in der Vorbereitung, unter anderem die Mathematikerin Emmy Noether, ohne die Einstein die Relativitätstheorie mathematisch nicht hätte abschließend beweisen können, und die Physikerin Emilie du Châtelet, die – wenn überhaupt – nur als Geliebte Voltaires im Gedächtnis geblieben ist. Meine Liste ist inzwischen sehr lang. Und meine Neugier wächst mit jeder Vita, in die ich mich hineinlese, um die Frau kennenzulernen.
Wie lange dauert die Recherche?
Unterschiedlich. Bei manchen Frauen habe ich schnell ein Gefühl für die Situation, eine Idee für ein Portrait ergibt sich direkt. Bei anderen habe ich ein starkes Bedürfnis, mich genauer mit dem auseinanderzusetzen, was die Frau geschaffen hat. Um es mit Zahlen auszudrücken: von einem halben Tag bis über mehrere Wochen habe ich schon recherchiert. Ein Teil davon ist auch meiner Neugier geschuldet, nicht alles, was ich recherchiere, brauche ich zwingend für die künstlerische Auseinandersetzung.
Warum malen Sie keine Frauen aus der aktuellen Ära?
Lebende Frauen möchte ich gern persönlich kennenlernen und dann erst malen, nicht von Bildvorlagen, wie ich es bisher mache. An diesen Punkt komme ich aber sicher auch noch.
Welche Frauen schaffen es nicht auf Ihre Leinwand?
Bisher hatte ich nur einmal den Fall, dass ich eine Vita äußerst interessant fand, dann in der näheren Auseinandersetzung den Eindruck von einer engstirnigen Person bekam. Diese Frau beschäftigt mich noch, insofern als sie mich vielleicht auf meinen eigenen Bias, meine eigene Voreingenommenheit, aufmerksam macht.
Warum klassische Maltechniken und nicht KI?
Wenn ich genauer darüber nachdenke, ahne ich, dass generative KI-Modelle, trainiert auf historischen Bilddaten der (europäischen) Kunstgeschichte, am Ende nur heraushängende Brüste reproduzieren würden. Warum Öl und Leinwand statt digital, das ist ein berechtigter Aspekt dieser Frage. Einerseits glaube ich noch, ganz wie Walter Benjamin mit Aufkommen von Massendruckverfahren feststellte, an die Aura eines gemalten Kunstwerks, das aufgrund seiner Beschaffenheit, seiner Imperfektion einmalig und nicht kopierbar ist. Digitale Bilder erreichen mich nicht in der gleichen Intensität. In einem digitalen Umfeld, wie in der VR-Situation, mag das anders sein.
Andererseits war es mir bei der Serie wichtig, die kunsthistorischen Lücken oder „Fehldarstellungen“ (wie bei Barbara Strozzi) zu füllen bzw. zu korrigieren – einen „echten“ historischen Eindruck zu erwecken. Ich stelle mir vor, wie anders die Säle ehrwürdiger Kunstmuseen wie die National Portrait Gallery in London, der Madrider Prado oder des Städelmuseums in Frankfurt wirken würden, wären dort mehr Frauen zu sehen, die sich selbst und ihr Anliegen repräsentieren. Eine selbstbewusste Barbara Strozzi zwischen Portraitgemälden des 17. Jahrhunderts von Klerikern, Adligen und anderen: Es würde auffallen und wir würden uns gewahr werden, dass es schon immer Frauen gab, die sich entgegen gesellschaftlicher Konventionen für eine Sache entschieden und eingesetzt haben. In diesen Räumen muss es also Öl und Leinwand sein. In anderen Raumsituationen kann ich mir den Einsatz digitaler Mittel durchaus vorstellen.
Roxana Panetta malt und zeichnet seit frühester Kindheit. Anstelle des Kunststudiums wählte sie den vorsichtigeren Weg und wurde zur Diplom Kommunikationswirtin. Hauptberuflich ist sie selbständige Marken- & Kommunikationsstrategin. Seit 2023 widmet sich Roxana einer Serie von Portraits von Frauen, die im Lauf der Geschichte trotz herausragender Leistungen (fast) in Vergessenheit geraten sind und zu eigenen Lebzeiten kein angemessenes Portrait erhielten. Sie malt diese Persönlichkeiten im Stil der jeweiligen Epoche.