StartErfolgEx-Porsche Vorständin Barbara Frenkel: "Führung ist wie Fitnesstraining"

Ex-Porsche Vorständin Barbara Frenkel: „Führung ist wie Fitnesstraining“

Wir haben Barbara Frenkel, eine der bekanntesten Vorständinnen Deutschlands, kurz vor Ihrem Abschied bei Porsche zum Interview getroffen. Ein Gespräch, unter anderem, über echte Führungsqualitäten.

Einen passenderen Ort für dieses „Abschiedsinterview” hätte es kaum geben können: an der Rennstrecke, kurz vor dem Start des 24-Stunden-Rennens in Le Mans. Barbara Frenkel, Vorständin für Beschaffung bei Porsche, hat dieses Automobil-Event, eines ihrer letzten, sichtlich genossen. Denn soeben hat sie den Autobauer nach 24 Jahren verlassen.

Frau Frenkel, führen Sie uns durch Ihre aktuelle Gefühlswelt …

Die Entscheidung, meinen Vertrag nicht mehr zu verlängern, habe ich vor einem Jahr getroffen. Eigentlich genug Zeit, sich darauf vorzubereiten, tatsächlich habe ich es aber erst einmal verdrängt. Mit der öffentlichen Verkündung wurde es dann real, im Sinne von: Jetzt neigt sich die Zeit bei Porsche tatsächlich dem Ende zu. Und ich fragte mich konkret: Wie verabschiede ich mich? Was kommt danach? In Meetings fühle ich mich jetzt manchmal wie eine dritte Person, die von außen auf die Situation schaut, und denke mir: Schade, dass es bald vorbei ist. Das ist dann der Moment, in dem ich schon etwas traurig bin.

Was hat Sie denn zu der Entscheidung bewegt?

Ich fühle mich noch jung und fit, um Neues zu entdecken. Vor allem möchte ich ein bisschen mehr das Leben genießen. Gerade mein Mann freut sich riesig darauf, dass ich endlich mehr zuhause sein werde.

Und worauf freuen Sie selbst sich ganz konkret?

Erstmal werden wir länger verreisen. Wir haben uns dafür ein größeres Auto zu gelegt – der Hund muss schließlich auch mit. Mein Mann hat schon die Routen rausgesucht. Außerdem bin ich passionierte Taucherin, liebe die Malediven, möchte mich in die Themen Wahlhai- und Manta-Saison einlesen. Und wir wollen wieder mehr Tennis spielen.

Sie verabschieden sich dann auch von einer Art Etikett: „Erste Frau im Porsche-Vorstand“…

Ich war viele Jahre in meinem Arbeitsleben „die einzige Frau“ irgendwo. Das ist für mich also nichts Besonderes. Der Signalwirkung meiner Berufung als Vorständin für Beschaffung wurde ich mir erst bewusst, als es überall zu lesen stand und die Aufmerksamkeit dafür entsprechend groß war. Da wurde mir plötzlich nochmals sehr bewusst, dass ich für viele andere Frauen eine Vorbildfunktion habe: Schau, sie hat es geschafft, also schaffe ich das auch!

Was möchten Sie Frauen, die eine Führungsrolle anstreben, mitgeben?

Mentoren können eine gute Hilfe sein, weil man sich außerhalb der Vorgesetzten-Mitar
beiter-Konstellation eine objektive Meinung einholen kann. Selbstbewusstsein lässt sich aufbauen, indem man einfach auch mal vorangeht und macht – selbst auf die Gefahr hin, dass es schiefgeht. Das kann passieren und dann muss man dazu stehen! Sagen: Ich habe mich getraut, während die anderen vielleicht noch reden.

Sowas muss man aber lernen, oder?!

Es ist wichtig, sich nicht beirren zu lassen. Und man muss natürlich mit Kritik umgehen können. Die sollte man nicht persönlich nehmen und deshalb vom Gaspedal gehen. Das gehört zum Lernprozess dazu. Entscheidend ist das Mindset: Okay, das Projekt ist jetzt nicht optimal verlaufen, aber deswegen habe ich nicht als Person versagt. Weitergehen, Schlüsse daraus ziehen und beim nächsten Mal besser machen. Ich kenne das nur zu gut aus meiner beruflichen Laufbahn. Zumal ich immer wieder ins kalte Wasser geworfen wurde: Problem! Barbara, bitte lösen! Das Gute daran ist: So trainiert man seinen Entscheidungs- und Selbstbewusstseinsmuskel. Dieses Training ist essentiell. Sobald ich mich ausruhe, weil ich jetzt „oben angekommen” bin, verliere ich Muskelmasse und bin keine gute Führungskraft mehr.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

In erster Linie zielorientiert. Wir werden dafür bezahlt, Ergebnisse zu erzielen, Probleme zu lösen, einen Mehrwert zu schaffen. Und dafür braucht es ein starkes Team. Aus diesem Grund stehen die Menschen bei mir im Mittelpunkt. Ich versuche sie zu lesen, ihre Stärken zu erkennen, sie bestmöglich einzusetzen und das Team damit zu stärken. Bei einem herausfordernden Projekt überlege ich mir: Welche Person wird das zu 100 Prozent rocken und welche braucht so ein Projekt, um zu wachsen. Benötigt eine neue Mitarbeiterin beispielsweise Selbstbestätigung, sage ich: Hier ist dein Thema. Du trägst die Verantwortung und wenn du mich brauchst, bin ich da! Da spürt man sofort, dass die Kollegin ihre Aufgabe mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein angeht.

Nun gibt es auch Chef*innen, denen diese Art von Führung zu anstren gend ist …

Je höher die Führungsebene ist, umso weniger erzielt man operative Arbeitsergebnisse durch seine eigene Leistung. Die größte Aufgabe als Führungskraft ist vielmehr, die richtigen Menschen für die richtigen Aufgaben auszuwählen. Sie dabei zu unterstützen, dass sich der gewünschte Erfolg einstellt.

Welche Skills müssen Mitarbeiter*innen heute grundsätzlich mitbringen?

Es gibt fachliche und überfachliche Skills. Im fachlichen Bereich sehen wir, wie rasant sich der Arbeitsalltag durch den Einsatz von KI verändert. KI ist die Zukunft. Damit KI aber wirken kann, benötigt es Menschen, die sie entsprechend einsetzen können und die Potenziale der Technologie erkennen. Zu den überfachlichen Kompetenzen zählt für mich vor allem Stressresilienz. Krisen sind Teil unseres Jobs. Die Welt um uns herum wird immer volatiler und wir müssen lernen, damit umzugehen. Gleichzeitig braucht es eine innere Stabilität – und Strategien, um sich Energie zurückzuholen. Außerdem: Teamfähigkeit. Die Innovationsgeschwindigkeit ist so immens, dass ich nur als Team den Überblick behalte, welche intelligenten Technologien und welche Startups für uns interessant sein könnten. Diese zu identifizieren, mit den Firmen zusammenzukommen, Partnerschaften zu schließen und für Porsche ein innovatives Produkt daraus zu machen – das ist die Königsdisziplin und für mich nur im Team zu leisten.

Worauf sind Sie besonders stolz in Ihrer Karriere?

Ich freue mich besonders, wenn Kolleginnen im Unternehmen ihren Weg gehen und ich meinen Beitrag dazu leisten konnte. Etwa eine ehemalige Praktikantin, die ich eingestellt habe, und die jetzt Abteilungsleiterin ist. Natürlich haben sich die Zeiten geändert und die Förderung von Frauen wird heute vom gesamten Vorstand getragen. Auch ich habe davon profitiert. Dennoch hat es mich sehr berührt, dass viele Kolleginnen in mir ein Vorbild sahen und sehen – das jedenfalls ist das überwältigende Feedback, das ich nach der Verkündung meines nahenden Abschieds erhalten habe. Das freut mich sehr und darauf bin ich tatsächlich stolz. Aber ich möchte auch sagen: Ich habe von den vielen persönlichen Kontakten profitiert und sie haben mich und mein Berufsleben bereichert!

FotomaterialPORSCHE

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