StartInnovationEmissionsarme Baumaterialien: Gut fürs Geschäft und fürs Klima

Emissionsarme Baumaterialien: Gut fürs Geschäft und fürs Klima

Daphna Wiener ist Vorsitzende von Criaterra Innovations in Israel. Mit über 30 Jahren Erfahrung in den Bereichen General Management und Strategie, widmet sie sich nun klimaschonenden Innovationen in der Baubranche.

Frau Wiener, Sie sind seit Jahren eine gefragte Expertin in der Finanz- und Strategieplanung. Warum haben Sie sich beruflich dem Ziel verschrieben, jungen Unternehmen die innovative Technologien anbieten, dabei zu helfen, erfolgreich zu werden?  

Was mich mehr als alles andere fasziniert, sind Innovationen in der Klimatechnologie. Ich glaube, dass durch die Krise ein sehr starker technologischer und finanzieller Fokus entstanden ist, der sowohl aus der Sicht des Umweltschutzes, aber auch aus geschäftlicher Sicht lohnend ist. Es besteht die Möglichkeit, in diesem dringenden Bereich sehr erfolgreiche Unternehmen aufzubauen, weil die Welt einen Wandel vollzieht, der neue Möglichkeiten schafft. Diese beiden Aspekte zusammenzubringen ist für mich sehr interessant und auch aufregend. In Unternehmen schaue ich mir zuerst den Business Case an. Wie kann man eine Innovation, die in einem Labor entwickelt wurde, in ein Unternehmen verwandeln, das tatsächlich wächst, Geld verdient und erfolgreich ist. Zudem beobachte schon seit vielen Jahren Frauen, die innovativ sind, und mache verschiedene Arten von Mentoring, biete Hilfe und Einführung und arbeite so viel wie möglich mit diesen Unternehmen zusammen. Ich biete meine Unterstützung an, da ich möchte, dass Frauen ihr ganzes Potenzial ausschöpfen und wachsen.

Ihr Weg ist als Frau in der Baubranche ist ein ungewöhnlicher – wie kam es, dass Sie zu einer der wenigen Top-Playerinnen in diesem absolut männerdominierten Feld wurden?  

Es hat damit begonnen, dass ich bei einem Acceleration Programm die junge Unternehmerin Adital Ela kennen gelernt habe. Manchmal kann man bei Unternehmern sehen, dass sie für das, was sie tun, geboren wurden, weil ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet ist. Und genau so ist es bei Adital. Sie ist eine unglaublich kluge Frau mit großen Visionen, die sie praktisch umsetzt. Als ich Adital in ihrem Start-up Criaterra Innovations besuchte, kam ich in dieses Forschungs- und Entwicklungszentrum, wie ich es absolut liebe – kein Glamour, einfach bodenständig, ein wissenschaftliches Team, das jeden Aspekt des Designs optimiert.

Da mich die Technologie und die Art und Weise, wie das Team arbeitet, faszinierten, bin ich Teil des Teams als Vorsitzende von Criaterra Innovations geworden. Ich leite die Bereiche strategische Planung und Geschäftsentwicklung. Criaterra hat eine Technologie entwickelt, die die Art, wie Baumaterialien hergestellt werden, revolutioniert hat. Criaterra hat die konventionellen Hochtemperatur-Brennverfahren erfolgreich durch Niedertemperaturverfahren mit geringen Treibhausgasemissionen ersetzt. Die Materialien und Produkte von Criaterra erfüllen alle relevanten Baunormen mit einem Bruchteil der Umweltbelastung und bis zu 93 Prozent Energieeinsparung. Meine Rolle bei Criaterra ist, diese Innovationen in einen Geschäftsvorschlag zu übersetzen, mit dem wir arbeiten und erfolgreich sein können.  

Meinen Sie, dass Sie es schwieriger hatten, sich als Frau mit innovativen Ideen in einer männerdominierten Branche durchzusetzen und erfolgreich zu sein – oder hatten Sie im Gegenteil eine Art „Exoten-Bonus“?

Um im Bauwesen innovativ zu sein, muss man verstehen, dass es sich um eine sehr konservative Branche handelt. Unsere Produkte waren Fliesen, die aus einem 100 Prozent natürlichen Erdgemisch – Sand, Schlick und Lehm – und Pflanzenfasern in einem speziellen Verdichtungsverfahren hergestellt werden. Es gab sofort eine große Nachfrage nach diesen Produkten. Unser nächstes Produkt, kohlenstoffarm erzeugte Mauersteine, fanden zuerst bei den Bauunternehmen keinen Anklang. Man hatte Criaterra Innovations zu sehr mit den Fliesen, einem eher femininen, hübschen Produkt identifiziert. Das war für uns ein Lernprozess. Wir mussten unsere Sprache, unseren Wortlaut komplett ändern. Wir sprechen jetzt über die Bio-Geo-Agglomerat-Steintechnologie, die hinter diesen Endprodukten steht, zu denen die Fliesen, aber auch die Mauersteine und die Wände gehören, über das Umdenken, die Materialwissenschaft und die Technik, die dahintersteht. Wir verfolgen diesen wissenschaftlicheren Ansatz, weil er notwendig war, dass die Bauherren begreifen, dass es in unserem Unternehmen um die Produkte und weniger um die Frage geht, ob ich eine Frau im Baugewerbe bin. Ich bin eine Geschäftsfrau. Ich verstecke es nicht, dass ich eine Frau bin und ich bin keine männliche Frau. Wir haben ein Produkt und wir bieten damit einen sehr aufregenden Beitrag zum Klimaschutz. Und das ist der Punkt, an dem wir die Aufmerksamkeit bekommen.

Sie sagen, dass es nicht darum gehen sollte, dass Sie speziell als Frau in einer technisierten Berufswelt wahrgenommen werden. Bedeutet dies auch, dass Sie der Quote kritisch gegenüberstehen? 

Frauen in Israel studieren auf einem sehr hohen akademischen Niveau. Aber wie in jedem anderen Land auch, sehen wir, dass auf der Führungsebene mehr Männer als Frauen zu finden sind. Es ist eine sehr große Frage, wie man diese Verzerrungen korrigieren kann. Wenn man zum Beispiel in Unternehmen Quoten einführt, dann bekommt man einerseits mehr Frauen in Führungspositionen, aber auf der anderen Seite wählt man nicht auf der Grundlage von Leistung aus. Und das führt letztendlich dazu, dass die Leute meinen, dass diese Frau vielleicht nicht aufgrund ihrer Verdienste, sondern nur wegen der Quote ausgewählt wurde. Das ist nicht so gut für Frauen. Das ist aus meiner Sicht kontraproduktiv.

Ich selbst habe eine Karriere hinter mir, von der ich sagen kann, dass ich nie das Gefühl hatte, dass ich als Frau in irgendeiner Weise diskriminiert wurde. Diesen Ansatz wollte ich auch meinen Söhnen und Töchtern mitgeben. Das war mir wichtig. Bei uns ist es eine Familienentscheidung. Die ganze Familie muss daran arbeiten, einen Weg zu schaffen, der es jedem Familienmitglied ermöglicht, hervorragende Leistungen zu erbringen, ohne dass einer von ihnen Opfer bringen muss, während die anderen gedeihen.  

Wie wichtig ist es, dass sich Frauen in Role Models und in der Sprache wiederfinden?

Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel nennen. Ein Kollege von mir, der Wirtschaftstexte schreibt, bringt in seinen Fallstudien bewusst Frauen als Beispiele ein, einfach um sie sichtbar zu machen. Also, ja, ich stimme zu, dass die Sprache wirklich wichtig ist. Ich glaube fest an die Macht der Worte, die diesen unterbewussten Subtext haben. Und ich denke, dass man das auf eine natürliche Art und Weise tun muss, nicht unbedingt auf eine sehr militante, bullige Art. Es ist einfach eine Entwicklung der sozialen Rollen. Und gerade bei den heutigen Aufgaben geht es wirklich um Chancengleichheit. Und wir wollen 100 Prozent unserer Bevölkerung einbeziehen. Ich glaube also fest daran, dass vielleicht nicht die älteren, aber sicherlich die jüngeren Generationen in der Lage sind, den Wandel voranzutreiben.


Zur Person

Daphna Wiener ist Vorsitzende von Criaterra Innovations und konzentriert sich auf wirkungsvolle Innovationen und kohlenstoffarme Lösungen für die Bauindustrie.

Die Expertin verfügt über 30 Jahre Erfahrung in den Bereichen General Management, Strategie, Innovation und Wachstum und hatte im Laufe ihrer Karriere Management- und Vorstandspositionen in multinationalen High-Tech-Unternehmen inne.

Wiener ist im Venture-Capital-Ökosystem aktiv, wo sie Unternehmen betreut, Workshops abhält und Vorträge hält. Von 2010 bis 2017 war sie Dozentin im Executive MBA-Programm an der Hebräischen Universität und lehrte Geschäftsmodelle und Planung. Daphna Wiener ist Co-Autorin des Buches „How to Create a Successful Business Plan“.

Eine kritische Story rund um das Thema Frauen in der Bau- und Planungsbranche lesen Sie in unserer aktuellen Printausgabe.

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