Der chinesische Schwertstör fiel einst mit durchaus markanten Merkmalen auf, so etwa mit seinem länglichen Säbelgewächs. Dabei erreichte der asiatische Fisch eine Länge von bis zu sieben Metern sowie ein stattliches Alter von knapp 40 Jahren. Damit ist nunmehr Schluss. Seit dem Jahr 2020 gilt die Spezies nämlich als ausgestorben. Und reiht sich damit in eine wachsende Statistik der schrumpfenden Artenvielfalt ein. Ein Ende des Artensterbens ist dabei nicht in Sicht.
Der World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland verweist auf die traurige Tendenz: „Der Mensch hat in den vergangenen Jahren einen nie dagewesen Abwärtstrend der biologischen Vielfalt eingeleitet, und nichts deutet derzeit darauf hin, dass sich diese Entwicklung umkehrt oder verlangsamt“, konstatiert Sybille Klenzendorf, Programmleiterin Wildtiere Deutschland und Europa beim WWF Deutschland. Die Bilanz ist dramatisch: Schätzungsweise 60 Prozent der globalen Ökosysteme haben sich Klenzendorf zufolge in den vergangenen 50 Jahren verschlechtert.
Auch bei der „Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“ – kurz IPBES – hat man sich die Entwicklung näher angesehen. Bei der Plattform handelt es sich um den Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen, dem sich 136 Mitgliedsländer angeschlossen haben. Sie beraten über den Erhalt sowie die nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt und Ökosysteme. Deren Fazit fällt ernüchternd aus: So sind etwa die Hälfte der lebenden Korallen seit dem Jahr 1870 verschwunden, während die globale Waldfläche nur noch rund 70 Prozent im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ausmacht. Überfischung trägt zu einem weiteren Schwund der Artenvielfalt bei. Das ist längst nicht alles.
Mit dem wachsenden Einsatz von Pestiziden und Monokulturen sterben auch die Bienen rund um den Globus aus, sie sind jedoch unerlässlich für die Bestäubung eines guten Teils der globalen Flora. Dabei sind nachhaltige Ernährungslösungen dringender denn je gefragt. Denn die globale Bevölkerung wächst und erreichte im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch von mehr als acht Milliarden Menschen, zeigt Regine Wiedmann, Head of Distribution Germany & Austria beim französischen Vermögensverwalter Edmond de Rothschild Asset Management, auf. Ihr Fazit fällt deutlich aus: „Angesichts solch einer Entwicklung geraten die Ressourcen des Planeten zunehmend unter Druck. Das rapide Wachstum der Weltbevölkerung stellt eine erhebliche Herausforderung insbesondere für die biologische Vielfalt dar.“
Vielfalt für die Medizin
Freilich, die Folgen der schwindenden Artenvielfalt sind auch anderswo im Alltag sichtbar. Anita Frühwald, Country Head Austria & CEE bei der BNP Paribas Asset Management, verweist dazu auf Zahlen des Weltwirtschaftsforums: So werden 25 Prozent der modernen Arzneimittel aus Substanzen erzeugt, die in den Regenwäldern wachsen. „Mit jedem weiteren Aussterben einer Spezies verlieren wir potenziell die Chance, neue Medikamente zu erforschen“, mahnt Frühwald. Immerhin erkennen auch Unternehmen weltweit den zunehmenden Handlungsbedarf und setzen vermehrt auf innovative Lösungen, um den Erhalt der Artenvielfalt zu unterstützen.
Dabei steht nicht nur Altruismus im Mittelpunkt. Frederike Bauer, Produktspezialistin bei der DWS, verweist auch auf finanzielle Risiken für Konzerne, die mit dem Verlust der Biodiversität einhergehen. „Sie sind für eine Vielzahl an Unternehmen erheblich“, hebt Bauer hervor.
Die DWS-Expertin untermauert die Entwicklung ebenfalls mit Daten des Weltwirtschaftsforums, denen zufolge mehr als die Hälfte des globalen BIP in Abhängigkeit zur Natur stehe. Mit einer sinkenden Artenvielfalt droht folglich auch ein wirtschaftlicher Verlust. Doch es gibt weitere Kennzahlen, die ein ebenso beunruhigendes Bild zeichnen. „Die EZB etwa schätzt, dass mehr als 70 Prozent der europäischen Unternehmen von Biodiversitätsverlust negativ betroffen sein könnten“, nennt die DWS-Expertin ein weiteres Beispiel.
Das Potenzial, das die Biodiversität bietet, haben deshalb längst auch Vermögensverwalter erkannt. Sie setzen mit speziellen Themenfonds auf den Erhalt der Artenvielfalt, wie etwa der Fidelity Sustainable Biodiversity Fund (LU2514102164). Regional sind dem Fonds keine Grenzen gesetzt, selbst die Schwellenländer kommen für Fondsmanagerin Velislava Dimitrova in Frage. Wichtig ist für Dimitrova, dass die ausgewählten Unternehmen das Schwinden der Artenvielfalt mit ihren Technologien oder anderen Lösungsansätzen abfedern. Diese sind vielfältig und umfassen unter anderem die Herstellung biologisch abbaufähiger Materialien, die Elektromobilität, die nachhaltige Fischerei sowie die Behandlung von Abwässern.
Konkrete Firmenbeispiele gibt es zahlreiche: So zählt der schottische Energieversorger SSE zu den größten Einzelinvestments im Fidelity-Fonds. SSE setzt zunehmend auf den Ausbau erneuerbarer Energien, etwa auf die Windkraft in den Ozeanen. Die Meeresbiologie soll dabei möglichst nicht beeinträchtigt werden, weshalb das Verhalten der Spezies mithilfe Künstlicher Intelligenz überwacht wird. Xylem aus den USA stellt Anlagen zur Wasseraufbereitung und -analyse her. Die US-Supermarktkette Walmart unterstützt wiederum die Wiederaufforstung. Überhaupt sind die USA regional am höchsten im Fonds gewichtet, gefolgt von Frankreich und Großbritannien.
US-Aktien sind mit rund 67 Prozent im Xtrackers World Biodiversity Focus SRI UCITS ETF (IE000E0V65D8) der DWS sogar noch höher gewichtet. Der Grund dafür liegt in der hohen Gewichtung von IT-Aktien insbesondere aus den USA. Schließlich werden für dieses Anlageprodukt jene Unternehmen selektiert, die mit ihren Geschäftsmodellen in ihrer jeweiligen Branche eine möglichst geringe negative Auswirkung auf die Artenvielfalt haben. Besonders hoch sind in diesem ETF (Exchange Traded Fund, oder börsengehandelten Indexfonds) deshalb Firmen wie Apple und Microsoft gewichtet.
Recycling als Lösung
Einzig – selbst solche Firmen setzen sich obendrein aktiv für den Artenerhalt ein. So wird etwa bei der Herstellung der Apple Watch auf erneuerbare Energien gesetzt, zu einem weiteren Teil auf wiederverwertete Materialien. Damit wird zu einer Senkung der Müllberge beigetragen, wodurch mehr Lebensraum erhalten bleibt. Auch Finanzdienstleister wie zum Beispiel Mastercard und Visa zählen zu den größten Gewichtungen im Xtrackers-ETF. Freilich, je weniger Bargeld in Anspruch genommen wird, desto weniger Papier wird verbraucht, ein Umstand, der die Wälder schont. Regional gibt es beim DWS-ETF ebenfalls ein klares Merkmal: Es kommen lediglich Unternehmen aus den Industriestaaten infrage, Schwellenländer werden außen vorgelassen. Noch enger ist der BNP Paribas Easy ESG Eurozone Biodiversity Leaders PAB UCITS ETF (LU2446381555) regional aufgestellt, wobei der Fokus auch bei diesem Produkt auf jenen Unternehmen liegt, die einen möglichst geringen negativen Impact auf die Biodiversität haben. Ein Schwerpunkt im ETF liegt dabei auf zyklischen Konsumgütern, die somit nicht den täglichen Bedarf abdecken. Dazu zählt beispielsweise LVMH. Freilich, auch der französische Luxuskonzern engagiert sich für den Artenschutz. Ende 2023 gab etwa Konzernchef Bernard Arnault ein neues Projekt gemeinsam mit der Foundation for Amazon Sustainability (FAS) bekannt. Die gemeinnützige Stiftung aus Brasilien hat sich den Erhalt des Amazonas zum Ziel gesetzt, wobei nunmehr reichlich Unterstützung aus Frankreich kommt. LVMH möchte insgesamt eine Million Euro in die neu gegründete Partnerschaft mit der FAS investieren, um der Abholzung im brasilianischen Regenwald einen Riegel vorzuschieben.
Nachhaltiges Palmöl
Auch in den Kosmetikkonzern L’Oréal investiert der ETF, um ein weiteres Beispiel zu nennen. Das Unternehmen engagiert sich ebenfalls für den Erhalt der Biodiversität. Dazu zählt unter anderem ein wichtiger Schritt rund um den Bezug von Palmöl: Seit dem Jahr 2021 sind Zulieferer von Palmöl, Palmöl-Derivaten und Palmkernöl-Derivaten zur Gänze nachhaltig zertifiziert. Einzig, viele der Vermögensverwalter achten nicht nur bei den Aktieninvestments auf den Aspekt der Biodiversität. Sie setzen sich auch direkt für Maßnahmen ein. Ein Beispiel: Edmond de Rothschild Asset Management ist gemeinsam mit anderen Großinvestoren Gründungsmitglied der Initiative „NatureAction 100“, die am Rande der 15. Weltnaturschutzkonferenz, COP15, im kanadischen Montreal, ins Leben gerufen wurde. Dabei werden 100 größere Konzerne aus acht Schlüsselsektoren, zu denen beispielsweise die Bereiche Gesundheit, Agrar- und Bergbauindustrie zählen, zu mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Artenverlust aufgefordert. Zu den Unternehmen zählen Amazon, BASF, Colgate-Palmolive sowie McDonald’s.
Alles in allem steht der Erhalt der Biodiversität erst am Beginn einer langfristigen Entwicklung – auch an der Börse. Anlegerinnen eröffnet der Trend neue Chancen. Dennoch sind Kursverluste auch bei solchen Geldanlagen möglich – ein Umstand, der ebenfalls beachtet werden muss.