2011 verbrachte der damals 16-jährige Niederländer Boyan Slat einen Urlaub mit seinen Eltern in Griechenland. Beim Tauchen hatte er den Eindruck, mehr Plastikbeutel als Fische zu sehen. Das schockierte ihn selbst so, dass er sich die Frage stellte: Warum hier nicht einfach Aufräumen? Die Idee des Teenagers entwickelte sich zum bislang größten Projekt, um Meere von Plastikmüll zu säubern.
2015 erreichte Boyan Slat durch Crowdfunding die nötige Unterstützung für The Ocean Cleanup, um den ersten Prototyp eines schwimmenden Auffangbeckens, genannt System, zu bauen. Mit Unterstützung der Universität Delft wurden die U-förmig angeordneten Rohre entwickelt. Ein vier Meter langes, nach unten hängendes Netz wird langsam durchs Wasser gezogen und sammelt den Müll ein. Fische tauchen unter dem Netz durch und sind kaum Beifang. Der gesammelte Müll wird auf Schiffe geladen, an Land sortiert und recycelt.
2018 wurde das erste System, 001 „Wilson“, mit einer Länge von 120 Metern vor der Golden Gate Bridge zwei Wochen lang getestet und in Bezug auf Strömung, Steuerung und Schutz der Meeresbewohner verbessert.
2021 ging das zweite System, 002 „Jenny“, mit einer Länge von 600 Metern in Betrieb, und gleich darauf folgte System 003 „Josh“ mit einer Länge von 2,2 Kilometern. Es ist das mit Abstand längste System, das im Pazifik eingesetzt wird, mit dem höchsten Ertrag an Plastikmüll. Die Namen der Systeme sind Filmen mit Tom Hanks entnommen.
Jährlich werden 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, circa acht Millionen Tonnen davon landen laut einer Studie von 2015 in den Weltmeeren. Der gesamte Plastikmüll im Meer wird auf 100 Millionen Tonnen geschätzt. Der größte Plastikteppich, der „Great Pacific Garbage Patch“, erstreckt sich über eine Fläche, die zweimal so groß ist wie Texas. Laut Berechnungen liegt die Dichte bei einer Million Plastikteilchen pro Quadratkilometer. Die Beseitigung dieses größten Plastikteppichs zwischen Kalifornien und Hawaii hat sich The Ocean Cleanup zur Hauptaufgabe gemacht. Dort ist „Josh“ im Einsatz und konnte nach Angaben des Unternehmens in den letzten fünf Jahren 10.000 Tonnen Plastikmüll einsammeln. Das älteste gefischte Teil war ein Nintendo Game Boy von 1995. Das Ziel ist, bis 2040 die Ozeane zu 90 Prozent von Plastik zu befreien.
Aber wie gelingt das, wenn immer wieder neuer Müll nachkommt?
Flussreinigung lautet die Lösung, denn Flüsse sind die Adern der Weltmeere. Laut eigenen Berechnungen von The Ocean Cleanup transportieren 1.000 Flüsse weltweit 80 Prozent des Plastikmülls in die Ozeane. Um das zu stoppen, wurden sogenannte Interceptors gebaut, ein Reinigungssystem für Flüsse. 2019 wurde der erste Interceptor vorgestellt. Es ist eine schwimmende Barriere, die an einer schmalen Stelle im Fluss eingesetzt wird, den Müll auffängt und verhindert, dass er in die Ozeane kommt. Kräne schaufeln das gefangene Plastik auf Lastwägen und bringen es in Sortieranlagen. Bis jetzt sind 21 Interceptors in acht Ländern weltweit im Einsatz.
Was passiert mit dem eingesammelten Müll?
Nicht jede Art von Plastik eignet sich für Recycling. Zunächst wird der Müll noch auf den Schiffen grob sortiert und dann an Land gebracht. 75 bis 80 Prozent des gesammelten Abfalls kommt aus der Hochseefischerei, wie Netze, Bojen und Flaschen. Fasriges wird von hartem Plastik getrennt und an Land in Sortieranlagen gebracht, wo es fein sortiert, gewaschen und getrocknet und zu neuem Plastik verarbeitet wird.
The Ocean Cleanup brachte 2020 eine Sonnenbrille auf den Markt, die zu 95 Prozent aus Müll aus dem Pazifik hergestellt wurde. Um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich um Plastik aus dem Pazifik handelt, wurde ein eigener Standard zum Nachweis geschaffen. Mittels QR-Code auf jeder Brille kann die Herkunft des Materials genau zurückverfolgt werden. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Brille gingen zur Gänze in die Entwicklung weiterer Systeme und Interceptors. Mittlerweile ist die Brille ausverkauft und The Ocean Cleanup konzentriert sich wieder voll und ganz auf die Säuberung der Meere und Flüsse.
Für die Herstellung weiterer Produkte aus Meeresplastik wird mit Partnern zusammengearbeitet. Die Band Coldplay, die mit ihren Konzerten der Superlative erst kürzlich München und dann Wien begeisterte, unterstützt The Ocean Cleanup schon lange mit der Finanzierung eines eigenen Interceptors in Guatemala. Das dort gesammelte Plastik wird verarbeitet, sodass es nicht wieder den Weg in die Flüsse oder Ozeane findet. Wie im Juni 2024 bekanntgegeben wurde, erscheint eine limitierte Auflage des letzten Coldplay-Albums „Moon Music“ auf LP, die aus gesammeltem Plastikmüll aus dem Rio Las Vacas in Guatemala gepresst wird. Auch wenn die Musik nicht gefällt, bitte nicht wegschmeißen. Die durchsichtige Schallplatte hat durchaus Sammlerwert.
Mittlerweile zählt das Unternehmen 130 Mitarbeiter:innen und hat einen Umsatz von 55 Millionen Euro pro Jahr. Durch die Unterstützung vieler Partner wie Maersk, Coca-Cola oder Deloitte, ist The Ocean Cleanup zu einem Erfolgsprojekt geworden. Und wie können wir – also jede:r Einzelne – dabei helfen, die Gewässer sauber zu halten? Indem wir Einwegplastik vermeiden, Müll richtig entsorgen und Alternativen zu Plastik wählen.
Alle Projekte unter:
theoceancleanup.com oder auf Instagram: @theoceancleanup
Über die Autorin:
Unter alexandras.me betreibt Alexandra Russ einen Modeblog, auf dem sie Nachhaltigkeit und Style miteinander verbindet. Ihr Credo: Jede:r kann sich seinen oder ihren Kleiderschrank „hochwertig, nachhaltig und verantwortungsvoll“ gestalten, sodass sich „Mode mit unserer Umwelt verträgt und trotzdem hochwertig und fancy ist“.