StartBusiness„Catcaller agieren kaum einzelmotiviert“

„Catcaller agieren kaum einzelmotiviert“

Eine herabwürdigende Äußerung, eine verbal sexualisierte Belästigung – fast jede Frau erlebt im Laufe ihres Berufslebens unangemessene „Katzenrufe“ dieser Art. Die Profilerin und sheconomy-Gastkolumnistin Patricia Staniek erklärt, wie es dazu kommt, fixiert die Problematik und verrät, wie dem Fehlverhalten, möglichst effektiv, ein Ende gesetzt werden kann.

sheconomy: Erst neulich hörte ich bei einem Vortrag, dass die einzige Frau im Technik-Außendienst eines großen Unternehmens das Handtuch geworfen hatte, weil sie die ewigen Belästigungen seitens männlicher Kunden satt hatte. Trotz massiver Unterstützung ihres Arbeitgebers und Wertschätzung der Kollegen hatte sie einfach genug. Was machen solche Situationen mit Frauen?

Patricia Staniek: Häufig führen solche Herabwürdigungen durch sexuelle Anspielungen zu einem Gefühl von Entmutigung, Stress, Wut, Angst, Verzweiflung, Scham, Unsicherheit und auch Frustration. Frauen trauen sich nicht mehr an die „Tatorte“, wo die Catcaller-Rudel sich ihren Spaß machen. Die wenigstens Catcaller in Unternehmen agieren einzelmotiviert. Es passiert meist in Gruppierungen von mindestens zwei, wenn nicht mehr Personen. Die belästigten Frauen stehen vor einem Gefühlschaos. Angst, Unsicherheit, Schamgefühl dominieren ihren Alltag. Die unerwünschten Kommentare beeinträchtigen ihr Sicherheitsgefühl.

Warum müssen selbst qualifizierte Frauen nach wie vor diese Herabwürdigung regelmäßig erleben?

P.S.: Der Catcaller entscheidet nicht nach qualifiziert oder unqualifiziert, sondern nach wehrhaft oder nicht. Ich habe viele Gespräche mit Catcallern geführt. Meistens war ihnen die Tragweite dessen, was sie hier anrichten, nicht bewusst. Sie meinten: „Es ist doch nur Spaß“. Meine Frage an die Männer: „Was würden Sie tun, wenn jemand so mit Ihrer Frau oder Tochter spricht?“, führte bei den meisten zu Betroffenheit. Dennoch redeten sich einige weiter auf „Spaß“ aus: „Was soll da schon sein, wir blödeln ja nur“. Bei vielen Catcallern handelt sich um ein „Vererbungsthema durch Vorbild“, durch ein unakzeptables Frauenbild, durch soziale Fehlbildung, ein geringes Selbstwertgefühl und oft auch grundsätzlich durch Bildungsmangel. Tatsächlich zieht sich die Problematik durch alle Bildungsschichten.

„Ein Catcalling-Stop wird nur passieren, wenn die Führung 100 Prozent dahintersteht.“

Beim erwähnten Beispiel wusste die Frau zumindest ihre Kollegen und den Arbeitgeber hinter sich. Aber oft ist es so, dass Frauen in traditionell männlichen Berufen auch am Arbeitsplatz regelmäßig mit Catcalling konfrontiert sind und gemobbt werden, wenn sie sich zur Wehr setzen bzw. die entsprechenden Stellen im Unternehmen informieren. Zu welcher Vorgehensweise raten Sie – schließlich kann und will man vielleicht nicht immer kündigen, wenn einem der Job Spaß macht?

P.S.: Das Opfer geht, die Täter bleiben und treiben ihr Spiel weiter. In einem Fall, den ich in einem Unternehmen als externe Sicherheitsberaterin hatte, sprach ich mit einer Führungskraft, da mir ein Fall von Catcalling aufgefallen war. Dieser Vorgesetzte wollte „ein ernstes Wort“ mit den Catcallern sprechen. Was er sagte, war: „Burschen, reisst‘s euch a bissl z‘samm, die Frauen nehmen sowas zu persönlich, machts euch euren Spaß woanders.“ Diese Ansage hatte zur Folge, dass der Vorstand mich beauftragte, ein ganzheitliches Sicherheits-Konzept, das auch die Themen sexuelle Belästigung und Catcalling beinhaltete, zu schnüren. Ein Catcalling-Stop wird nur passieren, wenn die Führung 100 Prozent dahintersteht, wenn es Top Down zu Bewusstseinsbildung kommt und auch Exempel statuiert werden.

Frauen, die Cat-Calling ausgesetzt sind, haben es manchmal schwer mit der Beweislage – auch, wenn sich diesbezüglich schon vieles gebessert hat. Was raten Sie? Wie sammelt man am besten Beweise?

P.S.: Dokumentation ist wichtig: Wann, was, wo und wer! Oft gibt es keine Zeugen. Deshalb ist manchmal die einzige Möglichkeit, die zur Beweissicherung bleibt, eine Audioaufnahme. Diese muss in gut hörbarer Qualität und aussagekräftig sein. Um Datenschutz und den rechtlichen Rahmen zu gewährleisten beziehungsweise um den korrekten Umgang damit, sollte die betroffene Person die Aufnahme wortwörtlich transkribieren, sicher unter Verschluss halten und keinesfalls weiterschicken oder herumzeigen. Danach den Vorgesetzen, Personalabteilung oder Betriebsrat informieren und gemeinsam, wenn tatsächlich der Beweis angetreten werden muss, die Behörde über die Transkription und die unter Verschluss gehaltene Audioaufnahme informieren. Ein Transkript ist ein Urkundenbeweis und somit zulässig.

„Männer neigen in gemischten Gruppen dazu, sich mit den Gefühlen der Frauen zu identifizieren.“

Gerade in Österreich – sagt zumindest die Statistik – sind Frauen besonders häufig männlicher Aggression ausgesetzt. Woran könnte dies liegen?

P.S.: Pauschale Aussagen über das Verhalten von Männern in einem Land möchte ich aufgrund von Statistiken nicht treffen. Ich versuche einige Faktoren zu identifizieren, die zu männlicher Aggression führen. Es herrscht teils auch bei uns ein veraltetes Frauenbild. In Gesellschaftsschichten mit sehr traditionellen Geschlechterrollen werden aggressive Verhaltensweisen gegenüber Frauen eher toleriert oder sogar auch von Frauen oft länger hingenommen. Tatsächlich zieht sich dieses Fehlverhalten durch alle Kulturen, Bildungs- und Gesellschaftsschichten. Sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Armut, soziale Ungerechtigkeit führen oft zu Aggression und diese kriegen häufig die Frauen ab. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass diese genauso in höchsten Bildungsschichten vorkommt, da aber mehr verdeckt gehalten werden kann, manchmal auch durch „Schweigegeld“. Ungleichheitsdenken und ein ungleiches Machtverhältnis in einer Beziehung, kann zu einem erhöhten Risiko für Aggression führen – etwa, wenn ein Mann glaubt, dass er das Recht hat, Kontrolle und Macht über eine Frau auszuüben. Die Faktoren, die solche Aggression auslösen sind ein komplexes Geflecht.

WEconomy, ein Spin-off von sheconomy, hat gerade in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Ketchum eine repräsentative Studie in Auftrag gegeben, bei der u.a. zum Vorschein kam, dass 52 Prozent der österreichischen Männer am Arbeitsplatz einschreiten, wenn eine Frau etwa durch eine sexistische Bemerkung herabgewürdigt wird – allerdings nur, solange auch andere Frauen im Raum sind. Sobald sich so eine Situation in einem rein männlichen Umfeld abspielt, verteidigen nur mehr 29 Prozent die Frau. Wie erklären Sie das?

P.S.: Das Verhalten von Menschen wird leicht von Gruppendynamiken beeinflusst. In gemischten Gruppen ist der soziale Druck höher, positive Normen zu fördern. In rein männlichen Gruppen haben Männer oft Angst vor der Stigmatisierung, sie könnten von den männlichen Kollegen als schwach angesehen werden. Männer neigen in gemischten Gruppen eher dazu, sich mit den Gefühlen der Frauen zu identifizieren und eine aktivere Rolle bei der Förderung von Respekt und Gleichberechtigung einzunehmen.


Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Patricia Staniek „Catcalling im Business“:

Catcalling im Business

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