Wer sich einfach nicht entscheidet, macht es sich leicht. Behaupten jedenfalls viele. Was aber, wenn nicht selbst getroffene Entscheidungen zu größerer Leichtigkeit und Unbeschwertheit führen?
Das mit dem Abnehmen ist so eine Sache. Keine runde Sache, aber das soll es am Ende des Tages auch nicht sein, dafür eine Sache mit Ecken und Kanten, an denen man sich immer wieder stößt und die kleine, schmerzhafte Wunden an Körper und Geist hinterlässt. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben stark nach Katharsis und griechischer Tragödie, obwohl es eigentlich nur darum geht, sich im anstehenden Griechenland-Urlaub und in dem extra dafür gekauften Bikini wohlzufühlen. Deshalb schnell zurück zu den Fakten: So eine Sache ist das Abnehmen für mich vor allem deshalb, weil sich die von ExpertInnen, BuchautorInnen und teilweise sogar von Freundinnen versprochene Leichtigkeit dadurch einfach nie einstellt. Dass ich es mir überhaupt anmaße noch von Leichtigkeit zu sprechen, wo Keto, Intervallfasten und Paleo einen ja sogar in einen Zustand der Schwerelosigkeit hinüberretten sollen, ist eigentlich schon ein Wahnsinn. Und bevor jemand fragt: Ja, ich habe sie alle ausprobiert. Sogar Digital Detox, wobei es hier ja nur darum geht die Seele von überflüssigen Kilos zu befreien. »Kann auch nicht schaden«, dachte ich mir damals, also genau genommen im Frühjahr 2018, »das noch zusätzlich auf meine strenge Paleo-Diät draufzupacken.« Als Sahnehäubchen ohne Sahne sozusagen. Und so saß ich dann, an einem trockenen Steak kauend und ohne Smartphone, am Wochenende in meiner Wohnung und fühlte mich ganz und gar nicht schwerelos. Und die Leichtigkeit? Keine Spur davon, obwohl mir meine Waage zumindest eine Tendenz in diese Richtung bescheinigte.
Was liegt das pickt. Nicht.
Rund ein Jahr später, sitze ich wieder in meinem Wohnzimmer und habe die kürzlich begonnene Keto-Diät schon wieder aufgegeben. Ich esse also Tortellini mit Tomatensauce und versuche mich in einem Onlineshop zwischen zwei Bikinis zu entscheiden. Für den Griechenland-Urlaub, eh klar. Ich denke mir gerade »was liegt das pickt« und dabei ans Dreierschnapsen mit Opa und Oma, füge aber dann doch den anderen Bikini auch wieder zum Warenkorb hinzu. Der Warenkorb ist voll, ich bin es auch und fülle die restlichen Tortellini in einen verschließbaren Behälter. Am nächsten Tag schaue ich wieder in den Onlineshop und da steht es, schwarz auf neon-bunt: einer der beiden Bikinis ist ausverkauft. Ich klicke auf den Warenkorb und schließe die Bestellung ab. Ich bedanke mich bei der Person, die den letzten verfügbaren Bikini in meiner Größe gekauft hat und esse einen Sahnepudding auf sie. Als Sahnehäubchen mit Sahne sozusagen. Ein Gefühl der Leichtigkeit (den Begriff der Schwerelosigkeit möchte ich trotzdem noch nicht bemühen) stellt sich ein, als zusätzlich einer der beiden Abend-Termine, zwischen denen ich mich hätte entscheiden müssen, abgesagt wird.
Klare Entscheidungsbilder, mit Wasserfarben gemalt
Natürlich soll das jetzt nicht falsch verstanden werden. Entscheidungsfreiheit ist wichtig und Entscheidungen sind es auch. An Entscheidungen wächst man, durch sie wird man stärker und lernt was einem im Leben wirklich wichtig ist. Entscheidungen machen mutiger und führen einem immer wieder vor Augen, dass wir heute (in den meisten Teilen dieser Welt) an einem Ort leben, der so stark von Entscheidungsfreiheit geprägt ist wie noch nie zuvor. Sofern man die Augen nicht einfach zumacht und panisch abhaut, wenn es mal wieder um die schwierige Entscheidung zwischen einem Latte und einem Cappuccino geht. Jedem einzelnen Bedürfnis und sei es nur den eigenen nachzukommen, in einer Welt die so voller unaufgeräumter Möglichkeiten ist, dass sogar Marie Kondo ihre liebe Mühe hätte, den Funken »Joy« zu finden, ist aber nun mal nicht so einfach. Und gerade dann, wenn man im Kopf ein klares Bild von sich als entscheidungsfreudige »Macherin« und »Anpackerin« gezeichnet hat, regnet es plötzlich wieder unzählige Möglichkeiten und die Wasserfarben verschwimmen zu einem wüsten Knäuel an großen und kleinen Chancen. Deshalb fühlt man sich nach Entscheidungen, die einem abgenommen wurden, oft plötzlich so viel leichter als nach zehn Tagen Saftkur. Dafür braucht man sich nicht zu schämen. Deshalb muss man sich auch nicht schwach fühlen. Die letzten beiden Sätze gelten übrigens auch für die abgebrochene Keto-Diät.