Text: Kristin Hanusch-Linser
Hier der neueste Schrei aus der Welt der modischen Malaise: Burn-on. „Ausgebrannt“ – das war gestern –, jetzt gibt es feines differenziertes Stadium von dem eigentlich „Burn-out“, nämlich der Zustand des „Dauerbrenners“. Klingt fast nach Innovationsstrategie, ist aber eine neue Diagnose. Für Menschen, die trotz totaler Erschöpfung weitermachen. Also… für Führungskräfte?
Denn offenbar ist es jetzt pathologisch, wenn man um 22 Uhr noch Mails beantwortet, nach einem Tag voller Meetings und KPI-Debatten. Früher nannte man das einfach: berufstätig. Heute heißt das Erschöpfungsdepression mit funktionaler Aufrechterhaltung. Was täten wir nur, wenn wir nicht für jeden Zustand des ganz normalen Arbeits-Alltags eine neue klinische Etikette hätten?
Wir pathologisieren gerade die Performance, die Leistung. Wir erklären den inneren Schweinehund zum seelischen Trauma. Wir diagnostizieren ein Symptom, das vor allem eines zeigt: dass viele von uns funktionieren, obwohl sie eine Pause bräuchten oder einfach mal „Nein“ sagen.
Natürlich, wer wirklich leidet, braucht Hilfe. Aber müssen wir jedes Stimmungstief in Hardcover binden und monetarisieren? Vielleicht brauchen wir statt „Burn-on“ manchmal einfach: ein ehrliches Feedbackgespräch. Oder ein Team, das nicht nur „delivern“, sondern auch diskutieren darf. Oder einen Chef, der merkt, dass ständige Erreichbarkeit kein Talent, sondern ein Alarmsignal ist.
Ich will nicht ausbrennen. Ich will für etwas brennen. Aber bitte mit Pausen, Perspektive – und einem Feuerlöscher in Reichweite.