Melanie Moske, ist studierte Kunsthistorikerin sowie Expertin für digitale Geschäftsmodelle und E-Commerce. Als Chief Digital Officer bei Weng Fine Art treibt sie die digitale Transformation eines der wertvollsten Kunsthandelsunternehmen in Europa voran. Im Gespräch mit SHEconomy gibt sie Einblicke in die Tokenisierung der Kunst und die Bedeutung von Editionen für den Kunstmarkt.
Könnten Sie uns ein wenig über sich und Ihren Background erzählen und wie Ihre aktuelle Rolle bei Weng Fine Art aussieht?
Ich bin eigentlich Kunsthistorikerin. Ich habe in Hamburg Kunstgeschichte und BWL studiert und hatte von Anfang an großes Interesse an der Kombination zwischen Kunst und den wirtschaftlichen Faktoren dahinter. Meine Bachelorarbeit habe ich über Albrecht Dürer geschrieben als Kunstunternehmer und wie er unfassbar erfolgreich mit seinen Drucken werden konnte. Nach dem Studium ging ich in die digitale Richtung, war erst bei Europas größtem Magazin Verlag Gruner und Jahr und später auch verantwortlich für das Online-Marketing, der digitalen Magazine. Nach drei Jahren fing ich an, als technische Consulterin für Etribes zu arbeiten. Als ich anfing, arbeiteten dort nur 10 Leute, und jetzt ist es eine der wichtigsten digitalen Beratungsfirmen in Deutschland mit über 100 Mitarbeitern. Im August dieses Jahres kam dann meine neue Aufgabe, die meine Leidenschaften für Kunst, Technologie und Finanzen vereint. Ich bin Chief Digital Officer bei Weng Fine Art, dem wertvollsten Kunsthandelsunternehmen in Europa. Es ist eine unglaublich spannende Position. Wir arbeiten daran, neue digitale Geschäftsmodelle für den Kunstmarkt zu entwickeln. Diese reichen von einem Online-Marktplatz, Weng Contemporary, der Editionen von Jeff Koons, Damien Hirst und Ai Weiwei verkauft, bis hin zu Investitionen in Kunstmarktdaten und neue Technologien für Blockchain und künstliche Intelligenz.
Wie sieht das Geschäftsmodell bei Weng Fine Art aus?
Wir konzentrieren uns zum einen auf das Business-to-Business-Geschäft, wir kaufen Kunst auf von Privaten, von Galerien, Auktionshäuser und arbeiten diese Stücke dann auch auf. Zudem beliefern wir internationale Auktionshäuser sowie Händler und Galerien. Unsere Schweizer Tochtergesellschaft ArtXX AG betreibt unter der Marke „Weng Contemporary“ ein E-Commerce-Geschäft für Editionen der wichtigsten zeitgenössischen Künstler*innen. Die Weng Fine Art ist zudem maßgeblich an der Artnet AG beteiligt, dem weltweit führenden Daten- und Informationsanbieter für den Kunstmarkt. Zusammen mit Partnern aus der Finanz- und Technologieindustrie beteiligt sich die WFA nun auch an der Entwicklung des digitalen Kunstmarkts auf Basis der Blockchain-Technologie, um den Zugang für Investoren zum Kunstmarkt zu erleichtern und Transparenz für Kunst als Anlageklasse zu schaffen. Und so versuchen wir sowohl im sehr traditionellen Kunstmarkt bis hin zum sehr modernen Kunstmarkt, Geschäftsmodelle zu entwickeln und aufzubauen.
Wie wichtig ist E-Commerce im Gesamtkonstrukt, also der digitale Kunsthandel mittlerweile für euch geworden?
Es gibt zwei Antworten dazu. Zum einen macht es sehr viel vom Umsatz aus, ungefähr ein Drittel, wobei es stakt variiert. Allein deswegen ist E-Commerce ein sehr wichtiger Teil von unserem Geschäft. Der zweite Teil der Antwort ist, dass E-Commerce auch wichtig für die Bewertung unseres Unternehmens ist, weil an der Börse vor allen Dingen das Potenzial einer Firma bemessen wird. Und durch den E-Commerce sehen wir eben ein enormes Wachstumspotenzial. Daher bauen wir unser Angebot noch weiter aus, um in noch mehr Länder zu gehen. Wir sehen auch durch die Entwicklung im Markt eine höhere E-Commerce Penetration, sodass auch viel mehr Leute überhaupt gewillt sind, Kunst online zu kaufen.
Wie geht es den Künstler*innen eigentlich damit, dass ihre Werke online verkauft werden? Das dürfe ja vor einigen Jahren noch recht unvorstellbar gewesen sein.
Also ich glaube, was man an der Stelle noch mal sagen darf ist, dass wir vor allem Editionen verkaufen. Das sind aus einer Vorlage hergestellte Druckgrafiken oder Multiples. Bereits vor der Herstellung entscheiden sich die Künstler*innen für eine bestimmte Auflagengröße. Diese bekommt man dann im Preisbereich zwischen 500 bis 10000 Euro auf dem Markt. Und das ist ein super interessanter Bereich im Kunstmarkt, weil ganz viele Galerien beispielsweise diese Editionen auch nicht als echte Kunst wahrnehmen und die auch nicht verkaufen wollen. Sie wollen die Kunden oder die Rezipienten in ihre Galerie einladen, damit sie durch das Erlebnis dann eben diese Kunst kaufen. Das Problem ist, dass diese Originale sehr teuer sind. Ein Original kann schon mehrere Millionen kosten und wir sehen, dass Editionen ein wundervoller Weg sind um Menschen Kunst für Ihre Privaträume anzubieten. 500 Euro bis 5000 Euro können viele eher für sich vertreten und sich auch leisten, denn es ist ja auch im Original von Künstler*innen nur mit einer Maschine gedruckt, aber eben unterschrieben und auch nummeriert. Gerade Kunst und Hirst beispielsweise, die wir verkaufen ist ein gutes Beispiel. Das ist ein Künstler, der sehr stark auch auf Social Media unterwegs ist und versteht, wie man Kunden anspricht und wie man auch ein Interesse weckt. Und die finden das natürlich gut, wenn ihre, wenn ihre Kunst so verfügbar ist, wie wir das jetzt machen.
Ist das Metaverse beispielsweise auch ein interessanter Ort, Kunst auszustellen und dann online zur Verfügung zu stellen?
Generell ist das Web 3.0 für uns ein super spannendes Feld. Es entwickeln sich unterschiedliche Geschäftsmodelle. Gerade die Blockchain basiert funktionieren, da sehen wir jetzt schon, dass die unfassbar viel Umsatz machen. Wir glauben trotzdem, dass dieser Bereich vor allem für Leute funktioniert, die seit jeher in der Krypto-Szene verwoben sind. Wir sehen zum Beispiel auch, dass Künstler*innen, die im klassischen Kunstmarkt total erfolgreich sind, teilweise sehr groß scheitern, weil sie keine Community in dieser Krypto Welt haben. Aber aus meiner Perspektive ist der Kunstmarkt so weit hinterher, dass sie nie Teil dieser Welt sind. Es wird Künstler*innen geben, die es sehr gut für sich nutzen können. Ich sehe da auch für Video Künstler*innen und Fotokünstler*innen, dass sie jetzt die Möglichkeit haben, durch Artist Originale eher auch die gleichen Preise erreichen zu können, wie beispielsweise Gemälde das heute tun. Was aber für uns als WSA viel spannender ist, ist die Tokenisierung des Eigentums an sich. Also dass du einen Teil besitzt, der das Eigentum an einem Ganzen oder an der Fraktion eines ganzen Kunstwerkes widerspiegelt. Dieser Teilbesitz kann so wie eine Aktie fungieren. Aktuell ist die Investition in den Kunstmarkt nicht so attraktiv für Menschen, die sich gut im Finanzmarkt auskennen, weil eine Aktie zu kaufen viel einfacher profitabler ist als ein Kunstwerk zu kaufen. Wenn du in Deutschland ein Kunstwerk kaufst, musst du Abgabe an die Künstler*innen leisten, dann kommt noch Zoll, Versicherung, Transport und so weiter dazu. Und wenn du es irgendwann verkaufen willst, dann musst du die ganze Chose nochmal machen und noch nochmal bezahlen, sowie das Kunstwerk an ein Aktionshaus übergeben. Dabei weißt du nicht mal, wie teuer es tatsächlich verkauft wird. Die Technisierung macht es möglich, dass dieser große Apparat draußen gehalten wird und nur noch dieser Token gehandelt werden muss.
Wie schaffen es manche Künstler*innen, dass ihre Werke so eine hohe Begehrlichkeit wecken? Was macht sie erfolgreich?
Da stellt sich jetzt die Frage, was bedeutet es erfolgreich zu sein? Auf der einen Seite könnte man sagen, dass man im MoMA hängt und sehr gut rezipiert wird. Das heißt aber nicht unbedingt, dass diese Künstler*innen viel Geld verdienen, oder man sagt, Erfolgreich sein bedeutet heute eben, sehr hohe Preise zu erzielen. Und die Künstler*innen, die eben sehr gut verkauft werden, sind Typen wie Hirst und Koons. Das mag sich ein bisschen verändert haben, aber Hirst hat beispielsweise vor kurzem Editionen gelauncht und hat es geschafft, innerhalb von einer Woche 53 Millionen Euro umzusetzen, einfach nur mit diesen Multiples, die er anbietet. Wir sehen, dass die Künstler*innen, die besonders erfolgreich sind, Multiples kreieren und auch ein massentaugliches Produkt anbieten, das sich Menschen auch leisten können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Leute aus dem Kunstmarkt Hirt’s neue Werke haben nicht viel mit Kunst zu tun, es ist eher Deko. Aber am Ende des Tages verdient er damit einfach mehr als alle anderen zusammen. Ein monetärer Erfolg wäre es, Produkte zu erschaffen, die zugänglich sind für Kunden und Verkäuferinnen. Etwas, das leicht zu verdauen ist und nicht zu teuer ist. Idealerweise kann diese Kunst auch durch seine Kanäle wie Instagram und Co. gut vermarktet werden. Somit wird sie noch Leiter zugänglich und ich muss einfach nur meine Kreditkarte hingeben, um sie zu erwerben.
Tech-Berufe sind allgemein ja eher männlich dominiert. Jetzt bist du aber als Frau trotzdem Chief Digital Officer im Kunsthandel geworden. Woran liegt es, dass es noch ein solches Ungleichgewicht bei diesen Berufen gibt?
Ich sehe, dass Männer deutlich mehr in Unsicherheiten reingehen und deutlich weniger Probleme damit haben, Sachen nicht perfekt zu können und deswegen auch grundsätzlich größere Freiheit und generell größere Freude an Risiken haben. Das fängt schon damit an, beim Wahl des Studiums. Ich habe zum Beispiel immer gedacht, dass ich nicht fähig bin, Ingenieurin oder Psychologie zu studieren, weil ich immer dachte, das kann ich nicht. Heute weiß ich, ich hätte das auf jeden Fall lernen können. Das Studium ist ja dafür da, dass man diese Sachen lernt. Aber ich habe immer auch versucht, eher in der Area zu bleiben, in der ich mich wohlfühle. Das ist, glaube ich, ein stark gesellschaftlich geprägtes Bild. Mein Patenkind beispielsweise ist elf und sagt auch: „Ich kann kein Mathe und nur die Jungs können Mathe.“ Das ist irgendetwas, so wir so angelernt bekommen. Und deswegen finde ich es auch cool, wenn es solche Formate gibt wie eures, um Frauen sichtbar zu machen und auch eine Atmosphäre zu schaffen, wo man eben ansprechbar ist und wo man sich gegenseitig unterstützt und die Hand reicht. Ich bin total happy, wenn mich Leute anschreiben und fragen, ob ich weiterhelfen kann. Das passiert zum Glück immer häufiger.