StartInnovationAvatare für Zuhause: Wie Roboter die Pflege menschlicher machen

Avatare für Zuhause: Wie Roboter die Pflege menschlicher machen

Mit fernsteuerbaren Roboter-Avataren die Pflegebranche entlasten – das ist das Ziel des Münchner Start-ups Devanthro, das sich auf die Entwicklung humanoider Roboter spezialisiert hat. Eine Fähigkeit ist dabei ganz besonders gefragt.

Im ersten Moment wirkt der menschenähnliche Roboter mit dem Display-Gesicht noch merkwürdig. Doch die ersten Berührungsängste sind schnell vergessen, weiß Alona Kharchenko, CTO und Mitgründerin des Münchner Robotik-Start-ups Devanthro.

„Wir bieten die erste physische Telecare-Plattform“, erklärt die Tech-Expertin immer wieder in ihren Vorträgen auf Konferenzen oder Fachveranstaltungen. Auch bei Events von Frauen-Netzwerken, etwa jüngst bei „Frauen-Verbinden“ oder Encourage Ventures, stellt die Co-Founderin das Start-up mit der Moonshot-Idee vor. Gerade wurde Kharchenko mit dem Women TechEU-Stipendium ausgezeichnet.

Getränke aus dem Kühlschrank oder den Rollator holen, in den Mantel helfen, an die Einnahme von Medikamenten erinnern – das alles ist mit den Roboter-Avataren möglich. Doch die mit Abstand wichtigste Fähigkeit, das haben die laufenden Tests immer wieder ergeben, ist die Kommunikation – denn Ansprache fehlt vielen Pflegebedürftigen, die häufig allein leben. Die Pflegedienste können dieses Bedürfnis aufgrund ihres hohen Arbeitsdrucks und des Zeitmangels nicht auffangen. „Der Pflegenotstand ist massiv und betrifft uns alle. Noch nie war es so dringend, Lösungen zu finden“, unterstreicht COO Dr. Kim Nilsson.

Herausforderungen in der Pflege

Durch die Kombination von Robotik, KI, AR, VR und 5G entstehen menschliche Roboter-Avatare, sogenannte Robodies, die es ihrem Benutzer ermöglichen, seine Sinne, Handlungen und seine Anwesenheit an jeden Ort der Welt zu teleportieren. „Robodies sind Multiplikatoren für das Pflegepersonal, die mit lokalen Helfern zusammenarbeiten können, um rund um die Uhr Schutz und Unterstützung zu bieten und gleichzeitig den persönlichen Kontakt zu den Menschen in der Gemeinschaft zu pflegen“, berichtet Co-Gründer und CEO Rafael Hofstettler. „Der Roboter-Avatar agiert nicht autonom, sondern ist die physische Emanation des Menschen, der die VR-Schnittstelle nutzt. Das bedeutet, dass er perfekt für Arbeiten geeignet ist, die Menschen heute verrichten“, ergänzt Kharchenko. Zu den Partnern gehören bereits die Charité Berlin, die University of Oxford und die Diakonie.

Die Idee zu Devanthro entstand aus jahrelanger Forschung zu Robotern, die den menschlichen Bewegungsapparat nachahmen. Ein interdisziplinäres Team aus Ingenieur:innen, Informatiker:innen und Mediziner:innen wollte den klassischen Roboterbau neu denken. Die Gründerinnen und Gründer sahen früh das Potenzial einer stärker biologisch inspirierten Robotik – und so entstand 2017 aus dem Uni-Labor das junge Unternehmen Devanthro. „Damals, 2015, als ich an der TU München Robotik, Kognition, Intelligenz studierte, sah ich ein Poster mit (damals) Roboy Junior darauf. Dieses Poster brachte mich zu einem ersten Treffen mit Rafael“, erinnert sich Alona Kharchenko.

„Als wir untersuchten, welche Branchen in den nächsten Jahrzehnten am stärksten unter dem Mangel an Fachkräften leiden würden, stachen für uns das Gesundheitswesen und insbesondere die Altenpflege heraus“, so Kharchenko. Die meisten Länder der Welt haben eine alternde Bevölkerung, Europa ganz besonders. Das bedeutet, dass es mehr pflegebedürftige Menschen geben wird und weniger, die die Pflege übernehmen können. Die ambulante Pflege, bei der das Pflegepersonal täglich zu den Patienten nach Hause fährt, ist besonders schwierig zu skalieren, da das Pflegepersonal bis zu 50 % seiner Zeit damit verbringt, von Haus zu Haus zu fahren. „Mit einem Robody im Haus kann eine Pflegekraft, ein Arzt oder sogar ein Familienmitglied zu jeder Tageszeit nach dem Patienten sehen, ohne dass zwischen den Besuchen unnötige Zeit verstreicht. Mit Robody Cares werden wir es kommenden Generationen ermöglichen, viel länger in ihrem Zuhause zu bleiben, als sie es sonst tun würden“, erklärt die CTO.

Alle lieben Robody

Aber ist die Technik nicht eine große Hürde? „Wenn wir Robody in die Wohnung einer älteren Person oder in ein Pflegeheim bringen, sind sie unglaublich neugierig. Sie wollen sich beteiligen und verstehen. Sie befolgen die Anweisungen des Robody-Bedieners genauso, wie sie es tun würden, wenn die Person direkt vor ihnen stünde. Und sie berühren ihn sehr gerne, halten seine Hand oder umarmen ihn“, erzählt Kim Nilsson. Sogar Socken wurden schon für den treuen neuen Mitbewohner gestrickt. Auch bei Veranstaltungen ist der Roboter immer ein Publikumsmagnet. „Die Leute lieben unseren Robody, egal, wo wir auftreten“, sagt Nilsson.

Ein wichtiger Wert von Devanthro ist „Playcuriousity“: „Dieses Wort haben wir erfunden, um zu verdeutlichen, wie wichtig es für uns ist, neugierig zu bleiben und wie wichtig die Freiheit zu spielen ist, um ungewöhnliche Lösungen für ungewöhnliche Probleme zu finden. Das ist es, was wir in der Werkstatt tun und was zu unserer einzigartigen Robody-Entwicklung führt“, so Kharchenko. Mit diesem Blick sind auch andere Anwendungsfälle sind für das Team denkbar – etwa Servicekräfte, Küchenpersonal, Logistik oder Reinigungsdienste. „Überall dort, wo die Geschicklichkeit und der Verstand eines Menschen benötigt werden, nicht aber seine physische Präsenz.“

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