StartBusinessSuccess"Auch angestellte Frauen sollten an ihrer Sichtbarkeit arbeiten"

„Auch angestellte Frauen sollten an ihrer Sichtbarkeit arbeiten“

Sichtbarkeit ist der Schlüssel für viele Türen, das ist der Appell von Christina Richter und Nais Graswald. Die beiden Expertinnen für Personal Branding wollen dabei speziell angestellte Frauen ermutigen. Denn bei dem Thema gehe es nicht nur um Führung oder Top-Karrieren, sondern um die erfolgreiche Navigation durch das ganze Berufsleben, zeigen Richter und Graswald im Interview.

Warum sollten auch angestellte Frauen sichtbar sein? Vielleicht wollen ja nicht gar nicht alle Frauen eine Führungsrolle im Unternehmen?

Christina Richter: Tatsächlich wollen viele Frauen noch immer zuerst ihre Arbeit für sich sprechen lassen. Man braucht aber nicht in eine Führungsrolle zu wollen, um sichtbar zu sein, bzw. sollten auch nicht nur die Führungskräfte sichtbar sein. Sichtbarkeit ist aber der Schlüssel für viele Türen.

Was bedeutet das, könnten Sie ein Beispiel geben?

Christina Richter: Sichtbarkeit ist nicht nur ein Thema für LinkedIn, sondern fängt in viel kleinerem Kontext an. Ich habe zum Beispiel in einem Unternehmen früher die Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Es hieß immer: Frau Richter macht bei uns PR, wenn ich vorgestellt wurde. Aber kaum jemand wusste, dass ich beispielsweise die Vorstandsreden geschrieben habe oder dass der Newsletter aus unserer Abteilung kam. Wenn ich nicht über meine Arbeit spreche haben andere eine falsche Vorstellung davon und können mich deshalb auch nicht empfehlen, wenn sich eine Chance ergibt. Viele wissen gar nicht, was ihnen entgeht, wenn sie nicht sichtbar sind.

Warum sind Frauen oft so bescheiden bzw. wollen sich eher im Hintergrund halten?

Nais Graswald: Ich würde nicht sagen, dass wir es aus Bescheidenheit tun – es mangelt uns an Selbstbewusstsein. In unserer weiblichen Sozialisation haben wir alle zahlreiche Glaubenssätze aufgesogen. Sei nicht aufdringlich, sei nicht so laut, sei nicht dominant, sei nicht kompliziert, das haben vor allem die Mädchen schon früh gehört. Aber was das heute im Arbeitskontext heißt, wird häufig nicht reflektiert. Viele Frauen wollen aufgrund dieser Prägung keinen zusätzlichen Raum einnehmen, halten sich zurück, geben anderen den Vortritt, halten sich nicht für “sprechfähig”. Dann sind sie zwar “artig”, erreichen aber ihre Ziele nicht.

Im Unternehmen ist ja oft geklärt, wer öffentlich sprechen darf – und soll. Da braucht es schon Mut, sich über diese Vorgaben hinweg zu setzen, oder?

Nais Graswald: Ich würde bezweifeln, dass wir uns über Vorgaben hinwegsetzen müssen. Es ist oft eine Frage der Auslegung und der guten Argumente. Wofür es Mut braucht, ist leider oft die Reaktion der Kolleginnen und Kollegen, die dann kommt, wenn “Frau aus der Reihe tanzt”. Wenn wir große Vorträge halten, die mit unserem Unternehmenskontext verbunden werden, müssen wir das abstimmen. Klar. Aber in der Frage um Sichtbarkeit geht es in der Regel um einfachere Dinge, die keiner Abstimmung bedürfen: Engagement in internen und externen Netzwerken, ein gutes Social Media Profil oder einfach die klare Kommunikation über die eigenen Erfolge.

Sie beraten Frauen in puncto Sichtbarkeit und bieten nun gemeinsam auch ein neues viermonatiges Empowerment-Programm speziell für Angestellte an. Was ist Ihre Motivation?

Christina Richter: Angestellte Frauen sind die größte Gruppe, aber die unsichtbarste. Es ist so großartig zu sehen, wie Frauen komplett neue Sphären für sich entdecken und durch die neue Sichtbarkeit einen riesigen Schritt nach vorn machen – nicht nur in der Karriere, sondern vor allem persönlich. Dafür braucht es erst einmal Mut, und wir bieten den sicheren Raum, diesen Mut zu entwickeln – ob für ein erstes Social Media Posting, ein internes Meeting oder die Bewerbung auf eine Führungsposition. Es kann auch möglich sein, gar nicht in meinem Hauptjob, sondern etwa für mein Ehrenamt sichtbar zu sein. Auch das gibt Selbstbewusstsein.

Nais Graswald: Wir definieren eine erfolgreiche Person als eine Person, die das lebt, was sie möchte. Wenn wir aufhören, uns zu verstecken, werden wir automatisch sichtbar.

Christina Richter: Genau das. Denn im Moment strukturieren ja viele Unternehmen um. Die sichtbaren Beschäftigten haben wahrscheinlich weniger Probleme, eine neue Stelle zu finden, denn sie werden schneller empfohlen. Bei der Sichtbarkeit geht es eben nicht nur um die große Karriere, sondern um die erfolgreiche Navigation durchs Berufsleben. Ich musste mich früher selbst mühsam bewerben, deshalb ist mir das Thema so wichtig.

Wie können Frauen – angestellt oder selbständig – denn sichtbarer werden, haben Sie einen ganz konkreten Tipp?

Nais Graswald: Im Büro können wir uns vornehmen, immer bei Team-Essen dabei zu sein. Unsere Kamera im Call anzumachen und zu interagieren. Darüber hinaus halte ich strategisches Netzwerken super wichtig . Wenn wir eine Veranstaltung besuchen, sollten wir uns z.B. vorher klarmachen: Wen will ich kennenlernen? Worüber möchte ich sprechen? Auch kann man Netzwerken ritualisieren: Jede Woche gehe ich mit einer interessanten neuen Person essen, usw. Bei alledem gilt ein Grundsatz: Hört auf,  schlecht über andere Frauen zu reden. Dann wird es auch mit der eigenen Sichtbarkeit leichter.

„Own Your Seat“ ist eine Akademie für angestellte Frauen, die sichtbar werden wollen. Die Initiatorinnen Christina Richter, Autorin und Personal Branding Expertin, und Nais Graswald, Kommunikationsexpertin und Coach, haben dafür ein sechszehnwöchiges Programm entwickelt, u.a. mit den Themen Coaching, Personal Branding, Sichtbarkeit und Netzwerken. Sie werden zudem von renommierten Gastspeaker:innen wie Tajana Kiel, Laura Bornmann, Lunia Hara u.a. unterstützt. Die nächste Kohorte startet am 9. März 2024.


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