In 25 Jahren könnte es endlich so weit sein: Gleichstellung in den Führungsetagen. Während Diversität für viele Unternehmen längst als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor anerkannt ist, bleibt der Weg zu ausgeglichenen Geschlechterverhältnissen in Top-Positionen ein Marathon. Erschwerend kommt hinzu, dass besonders in den USA ein deutlicher Backlash gegen Diversitätsmaßnahmen zu beobachten ist – mehrere Fortune-500-Unternehmen haben ihre DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) bereits zurückgefahren oder ganz eingestellt. Trotz dieser gegenläufigen Trends zeichnen aktuelle Studien ein klares Bild: Einerseits bringt eine höhere Frauenquote messbare wirtschaftliche Vorteile, andererseits steigt der Anteil weiblicher Führungskräfte global nur minimal – gerade einmal um 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Trotz der wirtschaftlichen Vorteile schreitet die Gleichstellung in Führungsetagen nur langsam voran. Die aktuelle „Women in Business“-Studie von Grant Thornton Austria zeigt: Weltweit sind mittlerweile 34 Prozent der Führungspositionen in mittelständischen Unternehmen von Frauen besetzt – ein minimaler Anstieg von nur 0,5 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Bei diesem Tempo wird eine vollständige Geschlechterparität erst im Jahr 2051 erreicht sein – ein Vierteljahrhundert entfernt.
Zwischen Backlash und wirtschaftlicher Notwendigkeit
„Geschlechtervielfalt wird nicht mehr nur als Pflicht angesehen, sondern als strategischer Vorteil“, betont Christoph Zimmel, CEO bei Grant Thornton Austria. Eine Erkenntnis, die sich in Europa weiterhin durchsetzt – während in den USA eine Gegenbewegung zu beobachten ist. Nach einer Reihe von Gerichtsurteilen gegen Diversity-Programme und unter wachsendem politischen Druck haben zahlreiche amerikanische Unternehmen ihre Bemühungen zur Geschlechtergleichstellung reduziert. Diese Entwicklung steht im direkten Widerspruch zu den wirtschaftlichen Daten, denn die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.
Eine aktuelle Auswertung des Informationsdienstleisters CRIF bestätigt: Unternehmen mit einer ausgewogenen Geschlechterverteilung zeigen im Durchschnitt eine bessere wirtschaftliche Performance und sind langfristig erfolgreicher. Der Widerspruch könnte kaum größer sein: Trotz der eindeutigen Datenlage zu den wirtschaftlichen Vorteilen bleibt der Fortschritt minimal. „Obwohl immer mehr Unternehmen die Bedeutung von Diversität erkennen, sind wir von echter Gleichstellung noch weit entfernt. Gerade in Führungspositionen bleibt der Frauenanteil besorgniserregend niedrig“, erklärt Boris Recsey, Geschäftsführer von CRIF Österreich.
Der ESG-Faktor: Gleichstellung als wirtschaftlicher Vorteil
Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) steht die Frauenquote im Zentrum von ESG-Strategien. Das „S“ in ESG (Environmental, Social, Governance) steht für soziale Aspekte wie Gleichstellung und Diversität. Unternehmen mit einer höheren Frauenquote erfüllen ESG-Kriterien besser und profitieren langfristig von einer stärkeren Marktposition. „Die Frauenquote ist längst nicht mehr nur eine gesellschaftspolitische Frage, sondern ein entscheidender Faktor für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Unternehmen, die hier frühzeitig handeln, verschaffen sich klare Wettbewerbsvorteile“, erklärt Recsey.
Österreich: Quote wirkt – aber reicht nicht aus
Im Vergleich zu Deutschland zeigen die österreichischen Zahlen, dass verbindliche Quoten durchaus Wirkung zeigen. So hat sich in Österreich der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der quotenpflichtigen börsennotierten Unternehmen von 2018 bis 2025 deutlich von 22,4 auf 38 Prozent gesteigert. In den nicht quotenpflichtigen Firmen liegt der Anteil dagegen nur bei 21,3 Prozent. „Daran ist deutlich zu erkennen: die Quote wirkt“, so Simone Hudelist, Studienautorin des AK Frauen.Management.Report 2025.
Doch während die seit 2018 geltende Quotenregelung für den Aufsichtsrat zu einem Anstieg geführt hat, ist die Unternehmensführung nach wie vor eindeutig eine Männerdomäne. In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind von insgesamt 610 Positionen nur 84 mit Frauen besetzt – das entspricht einem Anteil von 13,8 Prozent.
Deutschland: Stagnation trotz Quotenregelung
Während in Österreich die Entwicklung langsam voranschreitet, zeigt sich beim nördlichen Nachbarn ein Stillstand. Laut der aktuellen Erhebung der AllBright Stiftung hat sich der Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen in DAX, MDAX und SDAX in den vergangenen sechs Monaten nicht bewegt und liegt am 1. März 2025 unverändert bei 19,7 Prozent. Auch in den Aufsichtsräten herrscht zurzeit Stagnation.
Am 1. März 2025 sind die Vorstände der 160 deutschen Börsenunternehmen mit 561 Männern und nur 138 Frauen besetzt – lediglich eine Frau mehr als vor sechs Monaten. Besonders alarmierend: Nur 18 Prozent aller Neubesetzungen in den Vorständen waren Frauen, während es im Vergleichszeitraum vor zwei Jahren noch 48 Prozent waren. „Wenn die deutsche Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen will, muss sie das Potenzial der Frauen besser nutzen“, kommentieren die Geschäftsführer:innen der AllBright Stiftung Wiebke Ankersen und Christian Berg. Dass in der Krise wieder vermehrt auf die vermeintlich ’sichere Karte‘ Männer gesetzt werde, sei ein unkluger Reflex.
Was zu tun ist – trotz Gegenwind
Laut der Grant Thornton-Studie haben lediglich 36,1 Prozent der mittelständischen Unternehmen konkrete Zielvorgaben für Frauen in leitenden Positionen. Dabei würden sich Maßnahmen wie Mentoring-, Networking- und Mitarbeiter:innenbindungsstrategien als besonders wirkungsvoll erweisen. Diese Programme sollten trotz des Backlash in den USA weiter ausgebaut werden, betonen Expert:innen. „Der Mittelstand lebt von Vielfalt. Indem wir Gleichstellung fördern, öffnen wir nicht nur Frauen die Türen, sondern schaffen auch eine innovativere, widerstandsfähigere und dynamischere Unternehmenslandschaft für kommende Generationen“, unterstreicht Claudia Modarressy, Partnerin und Head of People & Culture bei Grant Thornton Austria.
Österreich: Licht und Schatten
In Österreich zeigt sich ein differenziertes Bild: Während laut CRIF bei Einzelunternehmen der Frauenanteil mit 44,2 Prozent relativ hoch ist, sind von den 264.492 Geschäftsführungspositionen in Kapitalgesellschaften nur 15,6 Prozent mit Frauen besetzt. Noch deutlicher ist das Ungleichgewicht in den Vorständen großer Unternehmen: Von 2.044 Vorstandsmitgliedern sind lediglich 11,7 Prozent weiblich. Hudelist von der AK Wien bestätigt: „Auch im Jahr 2025 sind Führungspositionen in den größten österreichischen Unternehmen weiterhin stark von Männern dominiert. Und daran wird sich auch so schnell nichts Gravierendes ändern.“
Info-Box: Österreich und Deutschland im Vergleich (Stand März 2025)
Österreich:
- Einzelunternehmen: 44,2 % Frauenanteil bei Inhaber:innen
- Kapitalgesellschaften: 15,6 % Frauenanteil in Geschäftsführungspositionen
- Vorstände: 11,7 % Frauenanteil
- Aufsichtsräte mit Quote (seit 2018): Anstieg von 22,4 % auf 38 % binnen 7 Jahren
- Aufsichtsräte ohne Quote: Nur 21,3 % Frauenanteil
- Regionale Spitze: Wien mit 17,4 % Frauenquote in Kapitalgesellschaften; Schlusslicht: Vorarlberg mit 12,9 % Frauenanteil
Deutschland:
- Vorstände (DAX, MDAX, SDAX): 19,7 % Frauenanteil (138 Frauen vs. 561 Männer)
- Neubesetzungen Sept. 2024 – März 2025: Nur 18 % der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt (Vergleichszeitraum Sept. 2022 – März 2023: 48 % Frauenanteil)
- Aufsichtsräte: 37,4 % Frauenanteil (Anstieg um 0,4 Prozentpunkte seit Sept. 2024)
- Vorstandsvorsitz: Nur 4 % Frauen
- Aufsichtsratsvorsitz: Nur 7 % Frauen
Die Daten stammen aus vier aktuellen Studien: Der CRIF-Analyse zur Frauenquote in österreichischen Unternehmen, der 21. „Women in Business“-Studie von Grant Thornton, dem aktuellen AK Frauen.Management.Report sowie der Erhebung der AllBright Stiftung für Deutschland mit Stichtag 1. März 2025.