Heute ist Europäischer Equal Pay Day. Jährlich entgehen Frauen rund 10.000 € Gehalt. Auf die komplette Karriere gerechnet sind das rund eine halbe Million Euro. Laut Tanja Sternbauer, Co-CEO von The Female Factor, sieht die Sache im Start-up-Umfeld sogar besonders prekär aus. Sie hat für uns einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt, den Unternehmen leicht umsetzen können, um den Gender Pay Gap schneller zu schließen.
10. November 2022. Die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen schließt sich in Österreich und auf EU-Ebene nur sehr langsam. Sheconomy Chefredakteurin Michaela Ernst hat dazu Ende Oktober unter dem Titel Die Gratisleisterinnen eine sehr eindrückliche Kolumne geschrieben.
Neuesten Studien zufolge fällt die ungleiche Bezahlung in europäischen Start-ups sogar noch höher aus – nicht nur bei Angestellten, sondern auch bei CEO-Gehältern.
Gender Pay Gap in der Start-up-Szene besonders hoch
Im Jahr 2019 lag der Gehaltsunterschied von männlichen und weiblichen Start-up-CEOs in der Frühphase bei 5.000 US $. Heute sind es 20.000 US $ jährlich. Vor allem weibliche CEOs haben zu Beginn und während der Pandemie ihre Gehälter drastisch reduziert.
Warum sich Unternehmen für Equal Pay einsetzen sollten
Zahlen und Statistiken belegen bereits seit längerem, dass sich Diversität positiv auf Unternehmen und deren finanzielle Performance auswirkt. Diversität trägt darüber hinaus zu einem besseren und produktiveren Arbeitsklima bei, erhöht die Attraktivität der Arbeitgebermarke und hilft Talente anzuziehen und zu halten. Ungleiche Bezahlung innerhalb eines Unternehmens (als auch die mangelnde Transparenz bei Gehältern) ist vor allem für weibliche Talente ein Ausschlusskriterium für die Arbeitgeberwahl.
10 Equal Pay Maßnahmen für Unternehmen
Die Tatsache, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer, ist also definitiv ein allgegenwärtiges Problem in der Wirtschaft. Hier sind 10 Maßnahmen, die Unternehmen setzen können, um den Gender Pay Gap schneller zu schließen.
1. Bewusstseinsbildung für den Gender Pay Gap
Wie man am Beispiel von Salesforce sehr gut erkennen kann, wissen die wenigsten Unternehmen von der bestehenden Diskrepanz in den Gehältern ihrer Mitarbeiter:innen. Bevor sich also etwas ändern kann, muss das Bewusstsein in Unternehmen geschärft werden. Zum Beispiel durch Weiterleiten dieses Artikels oder Expert:innenvorträge zum Thema.
2. Analyse der Gehaltsdaten des Unternehmens
Um den Ball ins Rollen zu bringen, gilt es, die notwendigen Daten im Unternehmen zu erheben. Klassische HR-Tools ermöglichen dies normalerweise mittels weniger Klicks, alternativ können die Daten auch mit Hilfe von ein paar Formeln analysiert werden.
Bei der Auswertung ist darauf zu achten, etwaige Gehaltsunterschiede zu finden und sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter:innen mit der gleichen Erfahrung und ähnlichen Funktionen gleich bezahlt werden – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter und anderen Diversitäts-Dimensionen.
3. Transparenz bei den Gehältern
„Über Geld spricht man nicht“ geistert immer noch durch unsere Gesellschaft, das Aufbrechen des Tabus trägt aber ebenfalls zur Lösung des Problems bei. Wenn man Gehaltsspannen für alle Positionen veröffentlicht, werden gleiche Bedingungen für alle geschaffen und die Gehälter können sich angleichen. Das Scale-up Buffer hat dank Gehaltstransparenz den Gender Pay Gap im Unternehmen von 15 % im Jahr 2020 auf 5,5 % im Jahr 2021 verringert.
4. Gehaltsspannen in Stellenanzeigen
Transparenz in Jobanzeigen trägt nicht nur zur Lohngleichheit bei, sondern stellt auch sicher, dass von Unternehmen und potenziellen Bewerber:innen keine Zeit verschwendet wird, weil das Gehalt nicht passt.
5. Gehaltsdiskussionen im Interview
Anstatt zu fragen, wie viel Bewerber:innen in der letzten Rolle verdient haben, einfach die internen Gehaltsdaten heranziehen und darauf aufbauend ein Angebot machen. Dies stellt sicher, dass alle Mitarbeiter:innen gleich bezahlt werden und trägt nebenbei auch zu einer entspannteren Interview-Atmosphäre bei.
6. Förderung von geschlechtsneutraler Elternkarenz
Gerade für Frauen ist der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt oft mit vielen Hürden verbunden, was wiederum in schlechterer Bezahlung resultiert.
Durch die Einführung einer geschlechtsneutralen Elternkarenz trägt das Unternehmen dazu bei, unbezahlte Arbeit und Lohngleichheit in Einklang zu bringen.
7. New Work Modelle
Home Office, flexible Arbeitszeiten, duale Führungsmodelle, 30-Stunden-Woche – die Liste von Praktiken ist schier endlos. New Work Modelle sind eine großartige Chance, den Arbeitsplatz integrativer zu gestalten und damit nachhaltig zu Diversität und Inklusion im Unternehmen beizutragen.
8. Mehr Frauen in Führungspositionen
Erst wenn es mehr weibliche Entscheidungsträger:innen innerhalb von Unternehmen gibt, können echte Veränderungen beim Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern bewirkt werden.
Was wünschen sich Frauen vom Arbeitgeber? Hier geht’s zur EY Studie.
9. Mentoring für weibliche Talente
Mentoring ermöglicht die Verknüpfung von Young Professionals mit erfahrenen Führungskräften. Ein derartiger Austausch unterstützt die nächste Generation dabei, den eigenen Wert am Arbeitsmarkt besser zu verstehen und gibt noch dazu einen Einblick in die gängige Gehaltsspannen in der Branche.
10. Laufende Messung & Analyse
Nur wenn laufend Gehaltsdaten gemessen und analysiert werden, ist eine langfristige Schließung des Gender Pay Gaps auch wirklich möglich.
Über die Autorin:
Tanja Sternbauer ist Co-founder und Co-CEO von the female factor, setzt sich für Diversität in Unternehmen ein und unterstützt Startups und Scaleups bei der Suche nach geeigneten Talenten. Vor der Gründung von the female factor leitetet sie Startup Live als Managing Director und gründete ein Startup in der Beauty-Branche. Sie erhielt den Titel “Female Rolemodel in Europe” für ihre Arbeit in der Frauenförderung und gehört laut TREND Zu den 100 einflussreichsten Unternehmerinnen Österreichs.
Über the female factor:
The female factor unterstützt Frauen bei der Karriereentwicklung und Unternehmen bei der Suche nach weiblichen Talenten. Mehr über the female factor: www.employer.femalefactor.global
Quellen:
AK OÖ, Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria
https://www.oegb.at/themen/gleichstellung/geschlechtergerechtigkeit/die-fakten-hinter-der-einkommensschere-
https://www.weforum.org/agenda/2019/03/an-economist-explains-why-women-get-paid-less/
https://www.oegb.at/themen/gleichstellung/geschlechtergerechtigkeit/32-jahre-bis-zur-lohngleichheit
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2166304-Ab-30.-Oktober-arbeiten-Frauen-im-Vergleich-zu-Maennern-gratis.html
https://www.wien.gv.at/presse/2022/10/27/equal-pay-day-am-30-oktober-2022-frauen-arbeiten-heuer-63-tage-gratis#:~:text=Der%20Equal%20Pay%20Day%20ist,bis%20zum%20Jahresende%20arbeiten%20m%C3%BCssen.
https://www.oegb.at/themen/gleichstellung/geschlechtergerechtigkeit/die-fakten-hinter-der-einkommensschere-
https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2022/