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Zwischen Generationen und Gendersternchen

Gendern spaltet die Gesellschaft: Während progressive Stimmen auf sprachliche Sensibilität pochen, lehnen viele junge Menschen diese ab. Ein aktueller Fall wirft die Frage auf, ob sich ältere Generationen in den Debatten um Sprache und Feminismus verrennen.

Es gibt Themen, bei denen man ziemlich sicher in die Nesseln greift. Man kann Samthandschuhe anziehen, damit es nicht so weh tut. Mal sehen, ob mir dies gelingt.

Gendern ist bei der durchschnittlichen Bevölkerung nicht beliebt. Besonders junge Menschen lehnen die Sprachregelung ab. Progressive Kreise jenseits der 30 oder eher 40 betonen hingegen, dass Sprache Bewusstsein schafft. Das Verwenden des männlichen Generikum würde das Patriarchat bewusst und unbewusst befördern.

Bei Sheconomy waren wir gegenüber diversen Gender-Regelungen offen. Mir als Kolumnistin wurde die Wahl gelesen. Es hatte zur Folge, dass ich dazu tendiere, Formulierungen zu suchen, die mich nicht vor die Entscheidung stellen, mich für die eine oder andere Form zu entscheiden. Damit bin ich eigentlich ganz gut durchgekommen.

Vor wenigen Tagen wurde nun in der TV-Sendung „Der Bürgeranwalt“ ein Fall vorgestellt, der mich seitdem beschäftigt. In einer Bildungsanstalt für angehendes Lehrpersonal ist korrektes Gendern Voraussetzung, um die Ausbildung abschließen zu können. Nach einer gewissen Phase sollen Arbeiten, in denen nicht geändert wird, negativ beurteilt werden. Eine junge Frau stellt sich gegen dieses System. Sie meldet den Fall beim Volksanwalt.

Auf Nachfrage weist die Direktorin der Bildungseinrichtung darauf hin, dass es sich bei der jungen Frau um den ersten Fall handelt, der sich beschwert hätte. Außerdem wäre man insofern kulant, als dass Nicht-Gendern nur zehn Prozente Abzug bei der Bewertung der Leistung bringen würde.

Die junge Frau entgegnete in der Sendung: „Ich wurde 2001 geboren. Für mich steht außer Frage, dass ich als Frau ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben habe. Dazu gehört auch, dass ich ausschließlich nach meiner Leistung bewertet werde.“

Nun können in der SheCommunity die Wogen hochgehen. Ist die junge Generation undankbar und übersieht, dass im Feminismus noch ein langer Weg vor uns liegt? Dass Wertschätzung und Bewusstseinsbildung gerade durch ein achtsames Verhalten gebildet werden?

Und jetzt das große Oder: Haben wir Älteren uns in unseren Diskussionen in Nebenschauplätze verrannt und verlieren dadurch das Verständnis der Jüngeren? Eine Frage, die ich mir und Ihnen nicht so schnell beantworten werden kann. Vielleicht muss man aber auch nicht immer im Besitz der einzigen Wahrheit sein.

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