Lange To-do-Listen, jede Menge Müssen, wenig Wollen – es brauchte seine Zeit, bis sich Top-Executive-Coach Swantje Allmers eingestand, dass es in ihrem Leben nicht mehr rund lief. Das sah nach außen allerdings ganz anders aus: Beratungskarriere aus dem Lehrbuch, Leistung pur. Bis ihr eine Schilddrüsen-OP zeigte, dass sie eine andere Richtung einschlagen sollte. Inzwischen bezeichnet sie sich selbst als „trockenen Workaholic“.
Leistung ist ihr noch immer wichtig, doch der Arbeitstag endet um 18 Uhr, Sport und Regeneration haben einen festen Platz im Kalender, und sie gibt ihre Selbstmanagement-Expertise weiter – unter anderem im Podcast „To Be Honest“ und im Buch „Was Du nicht hören willst – aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein“ (Haufe, 18 €), beides mit der Microsoft-Managerin Annahita Esmailzadeh.
Ihre Essenz: „Erkenne deine Muster und verändere sie in kleinen Schritten. Es geht nicht mehr darum, das Maximale aus mir rauszuholen, sondern möglichst viel drin zu lassen, um erfüllter zu leben.“ Hier verrät die Gründerin der New Work Beratung NWMS (New Work Masterskills) zehn Punkte, die bei der Umsetzung helfen.
1. Aus 10 mach 1 – Informationen auf einem Kanal zusammenschieben
To-do-Liste, Notizen-App, Mail-Postfach, Messenger – und die berühmte Mental Load. Inzwischen laufen Informationen und Pflichten an vielen Stellen auf, der Kopf ist voll mit Kleinigkeiten. Mein wichtigster Tipp: Möglichst alles an einem Ort zusammenführen. Die App Braintoss hilft mir dabei – hier lassen sich Stichworte oder Screenshots schnell sammeln und als Mail versenden, die ich am nächsten Tag bearbeiten kann. Alle To-dos, die daraus resultierten und die man nicht sofort erledigt, werden dann in einem System als „ausgelagertes Gehirn“ erfasst.
2. Künstliche Intelligenz – welche Abkürzung bringt uns wirklich weiter?
Inzwischen scheint es schneller zu gehen, wenn eine KI bei Aufgaben unterstützt oder sie ganz löst. Aber werden die Ergebnisse auch besser? Ich sehe, dass dadurch immer mehr Mittelmaß entsteht. Deshalb besser überlegen: Was kostet mich nur Zeit und kann leicht von KI erledigt werden – und bei welcher Art von Arbeit gibt es einen echten Mehrwert, wenn ich sie selbst übernehme?
3. Druck rausnehmen durch einen „First Shitty Draft“
Der erste Schritt ist bekanntlich am schwierigsten. Bevor Sie gar nicht erst anfangen, schauen Sie auf den nächsten einfachen Schritt, der Sie oder andere weiterbringen könnte. Keine Scheu vor dem „First Shitty Draft“! Dabei lohnt es sich, den eigenen Perfektionismus zu hinterfragen. Denn das ist meist ein Glaubenssatz, der uns mit gegeben wurde: Nur wenn etwas perfekt ist, werde ich gelobt und habe genug geleistet.
4. Eigenverantwortung übernehmen
Selbstwirksamkeit entwickeln und nicht darauf warten, dass jemand kommt, um Sie zu entdecken oder zu retten – das ist ein Kern unseres Buches. Wenn ich mich vom außen dominieren lasse, tauchen ständig Termine oder Aufgaben auf, die mein Vorankommen blockieren. Auch ‚Fleißbienchen‘ haben oft das Potenzial, strategischer zu arbeiten – sie
trauen sich aber häufig nicht, sich das zu erlauben. Der größte Gegner sitzt im eigenen Kopf: Muster erkennen, negative Glaubenssätze identifizieren und um drehen – wenn das gelingt, wird so viel Energie und Lebensqualität frei!
5. Prioritäten setzen
To-do-Listen sind okay und helfen, Ziele zu fixieren und zu planen. Aber sie sollten nach Prioritäten geordnet werden: Was will ich unbedingt heute schaffen, was in dieser Woche, was im nächsten halben Jahr? Außerdem hilft eine realistische Zeitplanung – also auch notieren, wie lange eine Aufgabe braucht, plus Puffer für Telefonate oder Pausen und am besten auch für Fokuszeiten. Wichtig, auch wenn es sich im ersten Moment produktiv anfühlt: Nicht mit Mail-Ping-Pong in den Tag starten, sondern mit den Tasks, die am meisten Energie brauchen. Dabei helfen Not-To do-Listen für Dinge, die ganz bewusst ausgelassen werden. Und: deutlich häufiger Nein zu sagen.
6. Die Komfortzone erweitern
Von der Komfort- in die Wachstumszone kommen, das ist oft leichter gesagt als getan. Die Komfortzone hat ihre Berechtigung. Trotzdem sollte sie regelmäßig erweitert werden, denn die Komplexität da draußen wird nicht weniger, und wir werden nie fertig damit sein, etwas zu lernen. Je öfter ich eine Herausforderung annehme und löse, desto resilienter werde ich, denn ich kann auf viele Erfahrungen zurückgreifen.
7. Was ist Erfolg? Wir sind mehr als unser berufliches und Social-Media-Ich
Wer bin ich, was ist mir wichtig – und wie sieht mein Erfolgsbild jenseits von alten Klischees und Rollenbildern wirklich aus? Viele laufen einem Karrieremuster hinterher, das gar nicht zu ihnen passt. Vielleicht leben Sie auch den Traum einer anderen? Wer sich vor allem von außen validieren lässt, zweifelt stärker und tiefer an sich selbst. Nur ein starker innerer Kompass und die Gewissheit, dass wir mehr sind als unser berufliches Ich oder unser Social-Media-Profil, hält uns mental gesund.
8. Microhabits und Routinen – klein aber fein
Spitzensportler*innen trainieren nur noch sanft vor einem wichtigen Match und setzen auf Regeneration. Warum gilt das nicht längst auch im Job-Alltag? Meine Recovery-Routinen habe ich inzwischen fest etabliert, für mich passt das am besten jeden Morgen. Kleine Veränderungen bringen eine Menge. Lieber jeden Tag zehn Minuten spazieren gehen, als den Hamburg-Marathon anzustreben, ihn aber nie zu laufen.
9. Wer dauernd beschäftigt ist, verpasst die besten Ideen
In der Regenerations- und Reflektionsphase kommen die besten Einfälle, lösen sich viele
Themen wie von allein auf. Oder: Wer ständig hetzt, läuft seinen Gedanken davon. Auch als Erwachsene sollten wir uns erlauben, mal nichts zu tun, nur nachzudenken oder uns vielleicht sogar zu langweilen.
10. Wenn Sie sich schon vergleichen, dann fair
Durch LinkedIn oder Instagram zu scrollen, heißt im Job Leben auch: Auszeichnungen, Erfolge und perfekt aussehende Menschen mit einem noch perfekteren Leben. Eigentlich wissen wir ja, dass hinter den schillernden Fotos auch nur Menschen stehen. Deshalb: Wenn vergleichen, dann fair – also beim ersten Vortrag nicht den Top-TED-Talk als Referenz nehmen. Vergleichen Sie sich lieber mit der Person, die Sie noch vor einem Jahr waren.
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