Der Österreichische Boxbverband (ÖBV) hat Mitglieder des A-Kaders lebenslang gesperrt nachdem sie das Benehmen von Nationaltrainer Daniel Nader öffentlich kritisiert hatten. In einer „Wir Frauen im Sport“-Onlinediskussion spricht die betroffene Boxerin Deshire Kurtaj über Machtmissbrauch in Vereinsstrukturen, den Ausschluss und was er für ihr Ziel bedeutet, als erste österreichische Boxerin an Olympischen Spielen teilzunehmen.
„Da ging es wirklich um psychischen Terror, kann man sagen, und das über Jahre hinweg,“ so Deshire Kurtaj in der „Wir Frauen im Sport“-Diskussion am 2. Februar. Das Netzwerk, das sich für Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der maskulin dominierten Branche einsetzt (Stichwort Sponsorengelder und Berichterstattung), hat dieses Online-Format etabliert, um auf aktuelle Ereignisse rasch reagieren zu können. Die zweifache Staatsmeisterin im Leichtgewicht zeigte sich in der Diskussion verärgert darüber, dass der ÖBV dem Nationalteam die interne Anhörung erschwert habe und außerdem darüber, dass der beschuldigte Trainer als Vorstandsmitglied ein Stimmrecht in der Suspendierung und im Ausschluss der Boxer*innen hatte.
Mit 19:0 Stimmen sperrte der ÖBV-Vorstand in einer Onlinevorstandssitzung am 26. Jänner 2021. Deshire Kurtaj, Umar Dzembekov und Marcel Rumpler lebenslang. Das ist der halbe A-Kader des österreichischen Nationalteams. Bereits im Oktober wurden die drei und die restlichen Mitglieder des Teams nach interner Kritik an Nationaltrainer Daniel Nader suspendiert. Der endgültige Ausschluss erfolge nachdem sich die Sportler*innen im Jänner mit einem sechsseitigen Schreiben unter dem Titel „Die Zerstörung junger Sportler und des gesamten olympischen Boxsports durch Daniel Nader“ an die Öffentlichkeit wandten. Der ÖBV sah darin „eine gezielte Medien- und Hetzkampagne“.
Während sich der Verband auf das Fehlen von Beweisen beruft, berichten die Boxer*innen davon, in Online-Vorstandssitzungen stumm geschaltet worden zu sein, wenn sie sich kritisch äußerten und dass ihnen keine Fragen zu ihrer vorhandenen Beweismappe gestellt worden waren. Die Vorwürfe der Athlet*innen richten sich gegen den Nationaltrainer Nader und beziehen sich etwa auf Drohungen, Mobbing, Diskriminierung und Sexismus.
An der WiFiS-Diskussion nahm auch Wolfgang Mazal, stellvertretender Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, teil. Er merkt an, dass letztendlich ein Zivilgericht über diesen Fall entscheiden könnte, dabei müsse die Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses geprüft werden. Zu beachten sei, dass die Sanktionen weitreichende Konsequenzen für die Zukunft der Leistungssportler*innen hätten. „Es geht dabei ja nicht nur um den Verlust eines Mitgliedschaftsrechts, sondern auch um den Verlust eines Startsrechts bei internationalen Events,“ sagt Mazal.
So steht mit der Kurtajs Sperre auch ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 als erste österreichische Boxerin in Frage. Seit zwei Jahren arbeitet sie darauf hin. „Die Chance, die es gab, ist wahrscheinlich um 99 Prozent geschrumpft,“ sagt sie. „Offiziell dürfen wir wegen Corona mit der lebenslangen Sperre nicht trainieren, weil wir nicht mehr als Leistungssportler gelten.“ Unter diesen Bedingungen sei die Vorbereitung auf die Qualifikationsrunde im Juni 2021 für die Boxer*innen äußerst schwierig. „Da hat sich der Boxverband mehr oder weniger selbst ins Knie geschossen, er hat aber auch unsere jahrelange, harte Arbeit zunichte gemacht,“ so Kurtaj. Selbst wenn die Sperre aufgehoben werden würde bezweifelt Deshire Kurtaj, dass sie weiterhin mit dem Nationaltrainer Daniel Nader und dem Österreichischen Boxverband arbeiten möchte. Das Vertrauensverhältnis sei gebrochen.
Der Fall erinnert an den Konflikt zwischen dem Österreichischen Gewichtheberverband (ÖGV) und dem Athleten Matthias Steiner. Er endete damit, dass Steiner das österreichische Nationalteam verließ und im Jahr 2008 Olympiagold holte – für Deutschland.