StartBusinessKarriereWiesn-Wirtin Silja Steinberg: "Zukunft braucht Herkunft"

Wiesn-Wirtin Silja Steinberg: „Zukunft braucht Herkunft“

Silja Steinberg leitet den traditionsreichen Hofbräukeller in München und das Hofbräuzelt auf der Wiesn. Im Interview spricht sie über die Balance zwischen Tradition und Innovation, den Wert von Vielfalt und Teamgeist sowie über Führung in hektischen Zeiten auf dem größten Volksfest der Welt.

Sie sind Wiesn-Wirtin. Was macht Ihre Arbeit aus?

Wiesn-Wirtin zu sein bedeutet für mich vor allem Leidenschaft. Natürlich steckt auch viel harte Arbeit dahinter. Die Zeit kurz vor der Eröffnung unseres Wiesn-Zelts ist die intensivste im ganzen Jahr. Aber sobald ich ins Festzelt komme, fließt Adrenalin durch meine Adern. Freude und Dankbarkeit überwiegen, Teil der fünften Jahreszeit in München zu sein, die weltweit bekannt ist und tausende Besucher:innen anzieht. Dabei geht es nicht nur um Bier, Brezn und Hendl, sondern darum, unvergessliche Erlebnisse für unsere Gäste zu schaffen. Das Festzelt wird ein Ort der Freude, des Zusammenseins und der Tradition. Die Atmosphäre, die Menschen und die Fröhlichkeit machen das Zelt zu meinem schönsten Arbeitsplatz – neben unserem Hofbräukeller in München.

Sie führen ein traditionsreiches Familienunternehmen. Wie schaffen Sie es, trotz bestehender Strukturen agil zu bleiben?

Unsere Geschichte und die Werte, die uns geprägt haben, sind eine starke Basis, auf der wir auch heute aufbauen. Doch ich weiß, wie wichtig es ist, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben, um mit den sich ständig ändernden Anforderungen unserer Branche Schritt zu halten. Innovation darf nicht Selbstzweck sein, sie muss gezielt dort eingesetzt werden, wo sie die Abläufe für mein Team und unsere Gäste verbessert.

Für mich beginnt Agilität mit offener und transparenter Kommunikation. Es ist entscheidend, dass alle Teammitglieder ihre Ideen einbringen können. Oft bringen die frischen Perspektiven neuer Mitarbeiter innovative Lösungen. Deshalb ermutige ich jeden, seine Gedanken zu teilen – sei es in Meetings oder in lockeren Gesprächen bei der Arbeit. So entsteht Raum für Kreativität und Zusammenarbeit.

Wichtig ist auch der Blick über den Tellerrand: Über Netzwerke wie den Leaders Club Deutschland gewinne ich regelmäßig neue Impulse. Agilität ist für mich eine Haltung. Wenn wir bereit sind, uns auf Neues einzulassen, können wir als Unternehmen wachsen. Wir respektieren unsere Traditionen und nehmen gleichzeitig den Zeitgeist an. Zukunft braucht Herkunft.

Ihr Team ist sehr divers, worauf achten Sie bei der Auswahl der Mitarbeiter:innen?

Vielfalt ist eine Stärke! Natürlich hat jeder Arbeitsplatz spezielle Anforderungen. In erster Linie sehe ich den Menschen, unabhängig von Herkunft oder Bildung. Ich möchte den Bewerber als Person kennenlernen, seine Stärken entdecken und ihm dann einen festen Platz in unserem Team anbieten. Jede und jeder zählt.

Ich achte darauf, dass unser Team unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen mitbringt. Teamgeist, Leidenschaft und die Fähigkeit, sich in unser Konzept einzufügen, sind mir wichtig. Ein freundliches Miteinander, Respekt und Empathie sind entscheidend. Ich bin stolz darauf, viele langjährige Mitarbeiter:innen zu haben. Besonders freue ich mich immer auf den Tag der Einschreibung unserer Bedienungen – das ist ein großes Wiedersehen, bei dem alle für eine Zeit lang zusammenkommen und im Team arbeiten.

Wie wirken Sie dem Fachkräftemangel entgegen?

Der Fachkräftemangel betrifft uns alle. Eine kurze Antwort wäre: Wir setzen auf eine attraktive Arbeitsumgebung und bieten Entwicklungsmöglichkeiten. Zudem versuchen wir, durch Praktika und Ausbildung junge Talente frühzeitig für die Branche zu begeistern. Auch flexible Arbeitszeiten und besondere Benefits gehören zu unserer Strategie, um die besten Mitarbeiter:innen zu gewinnen und zu halten.

Für mich zählt aber noch mehr. Es geht nicht nur darum, attraktive Arbeitsplätze anzubieten, sondern auch darum, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der sich jede
willkommen und geschätzt fühlt. In meinen Betrieben – dem Hofbräukeller und dem Hofbräuzelt auf der Wiesn –, die ich mit der Unterstützung meiner Eltern leite, lege ich großen Wert darauf, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Mitarbeitenden nicht nur arbeiten, sondern auch wachsen können.

Ich erinnere mich an meine ersten Tage in der Gastronomie. Diese Aufregung, diese Leidenschaft, die einen antreibt, ist besonders im Zelt spürbar. Wir sind nicht nur Kolleg:innen, wir sind eine Familie, die sich gegenseitig unterstützt und gemeinsam an den Herausforderungen wächst. Wichtig ist, den menschlichen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren. Ich versuche zuzuhören und die Meinungen und Ideen meiner Mitarbeiter
zu schätzen.

Natürlich gibt es auch schwierige Tage, an denen man denkt, man könnte aufgeben. Aber dann erinnere ich mich an die schönen Momente und daran, wie wir zusammengewachsen sind. Das motiviert mich, weiterzumachen.

Auf der Wiesn kann es laut, hektisch sein, Emotionen spielen in einem Festzelt eine große Rolle. Wie führen Sie?

Führung, besonders in einem so dynamischen Umfeld, bedeutet für mich, empathisch, gelassen und intuitiv zu sein – und manchmal auch über Fehler hinwegzusehen. Ich achte darauf, den Überblick zu behalten und schnell Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Energie im Zelt zu spüren – die Lacher, das Klatschen, die Gespräche. Es ist wichtig, den Puls der Gäste zu fühlen und als Team darauf zu reagieren.

Ein zentraler Bestandteil meiner Führung ist Transparenz und Kommunikation. In besonderen Momenten versuche ich, mein Team zu inspirieren und zu motivieren. Wenn die Stimmung im Zelt brodelt, versuche ich, mein Team mitzureißen und positiv aufzutreten. Wir arbeiten Hand in Hand, sind Teil eines großen Erlebnisses und wollen unseren Gästen eine schöne Zeit bieten.

Darüber hinaus ist es mir wichtig, eine Atmosphäre des Respekts und der Unterstützung zu schaffen. In hektischen Zeiten nehme ich mir kurze Momente, um zu lächeln oder ein paar motivierende Worte einzuflechten. Natürlich kann ich nicht immer allen Erwartungen gerecht werden, aber diese Einsicht hilft mir, stets mein Bestes zu geben.

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