StartBusinessWarum Reverse Mentoring so wertvoll für Unternehmen ist

Warum Reverse Mentoring so wertvoll für Unternehmen ist

Ältere geben ihr Wissen an Jüngere im Unternehmen weiter – in diese Richtung lief es lange. Reverse Mentoring dreht dieses Prinzip um. Warum dies Kultur und Produktivität stärkt, beschreibt Dr. Irène Kilubi in ihrem Gastbeitrag.

von Dr. Irène Kilubi

Bestimmte gesellschaftliche und unternehmerische Verhaltensweisen sind uns antrainiert und wirken selbstverständlich. Damit gemeint sind etwa Verhaltensnormen, die zum Beispiel durch die Erziehung mitgegeben werden. Deshalb kann es passieren, dass neue Ideen wie das Reverse Mentoring mitunter als fremdartig und unhöflich empfunden werden.

Eine gesellschaftliche Norm, die auch in Unternehmen sehr häufig im Verhalten zum Ausdruck kommt, ist die Top-Down-Methode. So wird häufig angenommen, dass ältere Menschen aufgrund ihrer Erfahrung das ausschließliche Recht besitzen, jüngere Mitarbeitende anzuleiten. Bis heute wird eine gegenteilige Auffassung häufig als unhöflich oder gar kontraproduktiv empfunden. Vor allem in Zeiten der Digitalisierung und der sich ständig wechselnden Dynamik in der Wirtschaft, ist die Top-Down-Methode aus meiner Sicht jedoch nicht mehr zeitgemäß und nur teilweise zu rechtfertigen.

Ein moderner Ansatz, der Unternehmen zugute kommt, ist in dieser Hinsicht das sogenannte Reverse Mentoring – also das Gegenteil der Top-Down-Methode. Jüngere Mitarbeitende leiten dabei ältere Personengruppen. Dies setzt jedoch voraus, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür geschaffen und bestimmte Regeln eingehalten werden. Und vor allem müssen die Mitarbeitenden selbst die Bereitschaft entwickeln, sich auf ein Mentoring durch eine jüngere Person einzulassen.

 

Reverse Mentoring setzt auf den Dialog zwischen den Generationen

„In der Vergangenheit lernte Jung von Alt. Heute bildet Reverse Mentoring, eine Abwandlung des klassischen Mentoring, eine weit verbreitete und wichtige Strategie für Unternehmen.“ Beim Reverse Mentoring wird die ältere, erfahrenere Person in einem Unternehmen zum Mentee und eine jüngere Person gibt spezifisches Wissen und spezielle Kenntnisse an sie weiter. Viele angesehene Unternehmen, Institutionen und Wirtschaftsforschende sehen darin nicht nur einen gegenwärtigen Trend, sondern eine dauerhafte Erweiterung unternehmerischen Denkens. So schrieb Jason Wingard, Dean Emeritus und Professor für Human Capital Management an der Columbia University, schon im Jahr 2018 im Forbes Magazin, dass für Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, zukünftig kein Weg am Reverse Mentoring mehr vorbei führen wird.

 

Die richtigen Rahmenbedingungen für das Reverse Mentoring

Die Mitarbeitenden – sowohl jüngere als auch ältere – entsprechend sensibilisiert und schrittweise an das Thema herangeführt werden, etwa mit umfassenden Informationen. Damit eine Zusammenarbeit konstruktiv ist, sollten beide Parteien Empathie und Wertschätzung füreinander aufbauen können, damit ein vertrauensvoller Umgang möglich ist.

Sind die Bedingungen wie eine konstruktive Kooperation geschaffen, so ergeben sich hieraus Vorteile für alle Beteiligten bzw. für das Unternehmen. Es hilft dabei, alte Strukturen kritisch zu hinterfragen und neue Strukturen ins Unternehmen zu integrieren.

Eine junge Mentorin, die mit der Aufgabe betraut wird, einen älteren Mitarbeitenden oder eine Führungskraft in neuen Techniken einzuweisen, kann sich im Unternehmen behaupten und wichtige Erfahrungen sammeln. Es stärkt das Selbstbewusstsein und regt zum Weiterlernen an. Auf diese Weise können auch vermeintlich unerfahrene und junge Beschäftigte Präsenz zeigen und sich in der Praxis beweisen.

Ältere Führungskräfte haben den Vorteil, dass sie keine Angst haben müssen, vor den anderen Mitarbeitenden Wissenslücken eingestehen zu müssen. Aufgrund der vorhandenen Diskretion ist es möglich, dass ältere Mitarbeitende Fragen zu technischen Innovationen stellen können, um Wissenslücken zu beseitigen. Zusätzlich wird ein solches Vorgehen die Empathiefähigkeit von Führungskräften steigern und die Zusammenarbeit mit jüngeren Mitarbeitern verbessern.

Das Unternehmen profitiert vom Reverse Mentoring, weil es das Betriebsklima signifikant verbessert. Es entsteht ein offener Umgang zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitenden. Dies wiederum kommt der Produktivität zugute.

 

10 wesentliche Benefits von Reverse Mentoring

1. Prozess der Digitalisierung voranbringen
Die Technik entwickelt sich stetig weiter – und das Wissen der Mitarbeitenden muss mithalten können. Hier kommt Reverse Mentoring ins Spiel. Die Digitalisierung bringt neue technische Errungenschaften in die Arbeitswelt, weshalb ein gegenseitiger Austausch unerlässlich ist.

 

2. Konfliktbewältigung im Unternehmen
Durch einen offenen Umgang und das Auflockern der Hierarchien kommt es zu einem besseren Dialog. Dies wiederum baut Vorurteile ab und reduziert innerbetriebliche Konflikte, die bestenfalls gar nicht erst zustande kommen.

 

3. Wissenslücken durch Zusammenarbeit beseitigen
Häufig entstehen bei älteren Mitarbeitenden oder Führungskräften Wissenslücken in puncto digitale Medien und neue Technologien, die mithilfe des Reverse Mentoring beseitigt werden können.

 

4. Flache Hierarchien und mehr Produktivität
Reverse Mentoring stärkt den Zusammenhalt und erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, da viele Vorurteile durch den offenen Umgang miteinander abgebaut werden. Moderne Unternehmen setzen deshalb nicht auf stringente sowie alte hierarchische Strukturen. Dies kommt am Ende dem Betriebsklima zugute.

 

5. Attraktivitätssteigerung von Unternehmen
Heute ist es einfach, sich im Internet über Unternehmen zu informieren und auszutauschen. Das Betriebsklima ist, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels, ein wichtiges Auswahlkriterium, um den richtigen Job zu finden. Reverse Mentoring steigert langfristig die Attraktivität eines Unternehmens, weil sich der offene und konstruktive Umgang positiv auf das Betriebsklima auswirkt.

 

6. Kompetenz statt Erfahrung
Im Reverse Mentoring geht es nicht primär um die Weitergabe von Erfahrungen, sondern um die Vermittlung von Kompetenz. Der Fokus auf spezifisches Wissen und spezielle Kompetenzen ermöglicht es, eine generationenübergreifend Lernsituation zu schaffen, die nicht dem klassischen Hierarchie- und Erfahrungsdenken entspricht. Damit wird sowohl jüngeren als auch älteren Mitarbeitenden die jeweilige Rollenfindung vereinfacht.

 

7. Dialog zwischen den Generationen
Reverse Mentoring ist ein Instrument, um den Dialog zwischen den verschiedenen Generationen im Unternehmen zu verbessern. Es bedingt gegenseitiges Zuhören und aufeinander Eingehen in einer Art und Weise, die im Idealfall zu einem dauerhaften Austausch zwischen den unterschiedlichen Generationen führt. So kann es gelingen, die jeweiligen Stärken der einzelnen Mitarbeitenden langfristig effektiver aufeinander abzustimmen.

 

8. Verbesserung der Unternehmenskultur
Durch den intensiven Austausch zwischen einzelnen Mitarbeitenden als Einzelpersonen sowie Vertreterinnen unterschiedlicher Generationen ist ein Dialog und Interaktionspotenzial gegeben, das zu einer dauerhaften Verbesserung der Unternehmenskultur führen kann. Häufig folgt aus Reverse-Mentoring-Programmen gegenseitige Achtsamkeit für unterschiedliche Bedürfnisse und eine gesteigerte Wertschätzung. Mit einer Verbesserung der Unternehmenskultur gehen dahingehend oftmals weitere positive Entwicklungen einher – zum Beispiel eine Steigerung der Produktivität, schreibt karrierebibel.de.

 

9. Aktive Zukunftsgestaltung
Effektives Reverse Mentoring sorgt dafür, dass Know-how im Unternehmen verbreitet wird. Skills und Kompetenzen werden von einzelnen Mitarbeitenden an andere Personen weitergegeben. Somit leistet das Unternehmen als solches einen aktiven Beitrag zur Gestaltung der eigenen Zukunft sowie Sicherung der Kompetenzen für zukünftige Einsätze.

 

10. Alt und Jung profitiert
Letzlich profitieren alle Mitarbeitenden vom Reverse Mentoring, unabhängig davon, ob sie Mentoren oder Mentees sind. Der Dialog untereinander, das Reflektieren sowohl der eigenen Kompetenzen als auch der Unternehmensprozesse sowie das pointierte und fundierte Weitergeben von Kompetenzen, wirkt sich positiv auf alle beteiligten Personen aus. Reverse Mentoring ist ein erfolgreiches Tool, um das eigene Unternehmen als „lernende Organisation“ zu etablieren.

 

Reverse Mentoring ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor

Reverse Mentoring steht für Veränderung und Fortschritt. Es hilft Unternehmen, mit der Zeit zu gehen. Gleichzeitig verbessert es den Umgang innerhalb eines Unternehmens. Dieser Umgang bezieht sich auf die Kommunikation zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden. Langfristig werden alle Altersgruppen voneinander profitieren, denn so können jüngere und ältere Mitarbeitende voneinander lernen, sodass Wissen untereinander ausgetauscht wird.

Reverse Mentoring kann für Unternehmen aller Größen und Sparten ein wesentlicher Faktor für zukünftigen Erfolg sein. Viele namhafte Unternehmen wie Cisco, Lufthansa oder Deloitte setzen bereits darauf, um vor allem Kompetenzen in den Bereichen Technik und Technologie effektiv im Unternehmen zu sichern.

 

Dr. Irène Kilubi hat als promovierte Wirtschaftsingenieurin und Unternehmensberaterin Unternehmen wie BMW, Deloitte, Siemens & Co in ihrer Vita. Nach vielen Stationen folgt sie jetzt ihrer ganz persönlichen Leidenschaft und ist mit den Themen Community Building, Corporate Influencer Strategie und JOINT GENERATIONS unterwegs. Darüber hinaus ist sie als Expert Advisor für den European Innovation Council Accelerator der Europäischen Kommission tätig. Dr. Irène Kilubi ist Hochschuldozentin für Entrepreneurship und Digitales Marketing und eine gefragte Referentin auf Konferenzen und Veranstaltungen.

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