StartBusinessEntrepreneurÜber große und eigene Spuren

Über große und eigene Spuren

Fokus Familienunternehmen: Gertrude Schatzdorfer-Wölfel ist Alleineigentümerin und Geschäftsführerin des oberösterreichischen Industrieunternehmens Schatzdorfer. Seit kurzem teilt sie ihr Büro mit Tochter und Nachfolgerin Marlene Schatzdorfer. Ein Gespräch über ungewöhnliche Karrierewege, Wertschätzung, Vorbilder und eine gelungene Unternehmensnachfolge.

Am Empfang des 96-Mitarbeiter:innen starken Familienbetriebes wird man freundlich begrüßt: nicht nur von einer Mitarbeiterin, sondern auch von einem an die Wand gehefteten Paulo Coelho Zitat: „Die Welt wird durch dein Beispiel verändert, nicht durch deine Meinung.“ Und weiter unten: „Wie leer wären Unternehmen ohne Liebe. Wie tot ohne Wertschöpfung.“

Beispiel, Liebe, Wertschöpfung?

„Ich bin ein Mensch, der sehr persönlich führt“, sagt Gertrude Schatzdorfer-Wölfel, zu Beginn des Gesprächs. Wie sich das äußert? Schatzdorfer-Wölfel zeigt auf den Geburtstagskalender: „Ich schreibe etwa jedem und jeder Mitarbeitenden zum Geburtstag ein paar persönliche Zeilen, schicke Genesungswünsche und führe sehr viele persönliche Gespräche, um zu erfahren, wie es meiner Belegschaft beruflich und privat geht.“

Der Austausch erfolgt im Unternehmen und abseits bei gemeinsamen Feiern oder Veranstaltungen. „Es gibt auch ein Osternest und Nikolaussackerl für alle im Unternehmen, hier sickert mein Grundberuf durch, wie bei so vielem“, schmunzelt die gelernte Kindergartenpädagogin, die diesen Beruf insgesamt 12 Jahre ausübte, bevor ihr Karriereweg durch die Scheidung der Eltern eine abrupte Wendung nahm.

Quasi über Nacht musste Schatzdorfer-Wölfel ins elterliche Unternehmen eintreten und eine Führungsrolle einnehmen. „In meiner Ausbildung als Kindergartenpädagogin habe ich gelernt, Kinder zu beobachten und mich in sie reinzuspüren. Das hilft mir heute sehr im Umgang mit meinen Mitarbeitenden. Mein Job ist es, die richtigen Menschen am richtigen Platz im Unternehmen zu haben.“

Der eigene hohe Anspruch könne schließlich nur gemeinsam mit den Mitarbeitenden umgesetzt werden, ganz oben stehe dabei die gelebte Wertschätzung und ein würdevoller Umgang im Unternehmen: „Der wesentliche Punkt ist: Wir sind eine Symbiose, jede:r Mitarbeiter:in ist Teil des Erfolgs und meine Aufgabe ist es, dass sie das jeden Tag auch spüren“, so Gertrude Schatzdorfer-Wölfel. 

25 Prozent Frauenanteil

„Meine persönliche Lebensgeschichte hat mich in vielen Bereichen sehr angetrieben. Ich habe als Frau und vor allem als Tochter immer wieder das Gefühl vermittelt bekommen, nicht so viel wert wie ein Mann zu sein“, erzählt die Industrieunternehmerin Gertrude Schatzdorfer-Wölfel. 

Frauenförderungen und „-implementierung“ in Unternehmen sei für sie deshalb mehr als eine Herzensangelegenheit. Im Zuge ihrer zweiten Karriere habe sie sich stets weitergebildet und auch außerhalb des Betriebes engagiert: Im Vorstand der Industriellenvereinigung, als Aufsichtsrätin der Raiffeisen Landesbank OÖ und der Energie AG. 2006 wurde sie zur Managerin des Jahres gekürt. 

Heute ist sie  sehr stolz auf einen den Frauenanteil von 25 Prozent in ihrem Industriebetrieb. Wie ihr das gelungen ist? 2006 wurde eine Praktika-Offensive gestartet, um mehr Frauen in die Produktion zu bringen. Männliche Kollegen hatten sich damals ausdrücklich dagegen ausgesprochen, doch Schatzdorfer-Wölfel hat sich durchgesetzt. Mit Erfolg: im darauffolgenden Herbst wurden die ersten weiblichen Lehrlinge eingestellt, interne Vorurteile abgebaut und die Vorteile von diversen Teams erkannt. „Ich wollte Gott und der Welt beweisen, dass Frauen Technik können und das ist mir geglückt.“ 

Um neue Mitarbeitende und Lehrlinge zu gewinnen, setzt man im Unternehmen auf Medienpräsenz, Zusammenarbeit mit Schulen und vor allem darauf, dass junge Menschen das Unternehmen und alle Abteilungen direkt kennenlernen dürfen. Sie führt dabei die Jugendlichen und ihre Lehrkräfte höchstpersönlich durch den Betrieb, mit dem Ziel, bei den Besucher:innen Neugierde für das Handwerk zu wecken und sie zu begeistern. Ihre pädagogische Vorbildung kommt ihr auch hier mehr als zugute. „Wir versuchen, dass ich mindestens einen weiblichen Lehrling pro Jahr für unser Unternehmen gewinnen kann“, so Schatzdorfer-Wölfel und ergänzt: „Es gibt immer noch viele produzierende Unternehmen, die wenig oder keine Frauen eingestellt haben.“ 

Eine smoothe Unternehmensübergabe

Seit kurzem teilt sie das Büro mit ihrer Tochter Marlene. „Ich war zuvor als Eventmanagerin und Musikerin selbständig tätig. Meine Mutter hat mich im Zuge der Pandemie gefragt, ob ich nicht im Unternehmen mitarbeiten wolle“, erzählt Marlene Schatzdorfer. Aus der geplanten zweimonatigen Mitarbeit entwickelte sich eine Leidenschaft für das Familienunternehmen. „Ich habe zuerst im Büro als Vertretung in der internen Logistik und dem Versand gearbeitet, danach in der Produktion mitzuarbeiten, um das Unternehmen, die Arbeit und Maschinen und das Team gut kennenzulernen“, sagt die junge Unternehmerin und ergänzt: „Ich bin ein positiver Mensch und bin mir für nichts zu gut, helfe überall mit. Das hat mir sehr geholfen, von den Mitarbeitenden schnell akzeptiert und geschätzt zu werden.“

Der aktuelle Übergabeprozess wird von externen Berater:innen begleitet, nicht zuletzt weil Gertrude Schatzdorfer-Wölfel  bei ihrer eigenen Unternehmensübernahme Erfahrungen gemacht habe, die sie ihrer Tochter ersparen möchte: „Ich wurde damals ohne jegliche Unterstützung in das Unternehmen „geschwemmt“ und hatte weder kaufmännische noch technische Kenntnisse“, erzählt die Unternehmerin rückblickend. 

Soweit möglich, möchten die beiden in diesem durch den von außen geführten Prozess fachlich und vertraglich alles vorab regeln und definieren. „Wir sprechen unsere gegenseitigen Erwartungshaltungen klar an und möchten die Übergabe so gestalten, dass es das Unternehmen auch in hundert Jahren noch gibt“, sagt Gertrude Schatzdorfer-Wölfel. Dafür wurde gemeinsam eine eigene Familiencharta erarbeitet, wo der Umgang miteinander und die Rollen im Unternehmen definiert werden. Das gemeinsame Mutter-Tochter Credo: „Wir wollen eine Übergabe schaffen, die vorzeigbar ist.“ 

Doch wo sieht Marlene Schatzdorfer die größten Herausforderungen, wenn sie an ihre neue Rolle denkt? „Es ist die Verantwortung, die man gegenüber seinen Mitarbeiter:innen hat. Hinter diesen Menschen stehen Mietwohnungen, Familien, Kredite oder Belastungen, die sie zu meistern haben. Und das ist respekteinflößend, wenn man sich das vor Augen führt.“ Die aktuelle Zusammenarbeit mit der eigenen Mutter funktioniere tadellos, man ticke sehr ähnlich. „Meine Mama hat richtig große Fußstapfen hinterlassen, die es zu füllen gilt. Ich weiß aber auch, dass ich meinen eigenen Weg gehen muss, damit ich selber eine Spur hinterlassen kann.“


Über Schatzdofer GmbH 

Schatzdorfer Gerätebau GmbH & Co KG wurde 1958 gegründet und ist ein mehrfach ausgezeichnetes Familienunternehmen und zählt zu den führenden Zulieferanten der öÖsterreichischen Metallindustrie. Am Standort Zipf in Oberösterreich werden Bauteile aus Stahl-, Edelstahl- und Aluminiumblechen sowie Rohren für namhafte Unternehmen diverser Branchen geplant, entwickelt und gefertigt. Schatzdorfer Gerätebau beschäftigt aktuell rund 96 Mitarbeiter:innen. 


Fokus Familienunternehmen

Wo sind die Frauen in familiengeführten Unternehmen? In Europa und Nordamerika liegt der Anteil weiblicher CEOs bei nur etwa sieben Prozent wie Ernst & Young in seinem kürzlich veröffentlichen Family Business Ranking 2023 berichtete.  Grund genug für SHEconomy, eine neue Serie über Role Models in Familienunternehmen/im KMU-Bereich zu starten!

Fotomaterial(c) Helmut Klein

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